Schinkenimitate

Ihnen scheint gemeinsam zu sein, dass es sich hier um Mogel-Schinken handelt, um Schinkenimitate, bei dem Fleischteile geformt, gepresst und/oder durch Bindemittel pflanzlichen Ursprung sowie Wasser angereichert werden.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Unter welchen Fantasienamen werden Schinkenimitate angeboten und was enthalten sie?

2. Wurden von den Gesundheitsämtern und vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Lebensmittel im Einzelhandel sowie Speisen in Gastronomie und Kantinen regelmäßig auf Verwendung von Schinken- oder anderen Fleisch- und Käseimitaten untersucht?

a) Wenn ja, seit wann, wie viele Probeentnahmen gab es in den letzten Jahren ­ aufgeschlüsselt auf die einzelnen Jahre ­ und wie hoch war der Anteil der beanstandeten Produkte?

b) Wenn nein, weshalb nicht, und wurde jetzt damit begonnen?

3. Liegen der Staatsregierung wissenschaftliche Untersuchungen zu Fleisch- und Käseimitaten vor?

a) Wenn ja, was besagen diese Studien und zu welchen Ergebnissen kommen diese Studien?

b) Wenn nein, wann werden solche Studien in Auftrag gegeben?

4. Welche Bearbeitungsformen und Zusatzstoffe sind in Wurstwaren ­ aufgeschlüsselt nach Rohwurst, Kochwurst und Brühwurst ­ erlaubt und welche prozentualen Begrenzungen gibt es für die jeweiligen Substanzen, aufgeschlüsselt nach

· Hartseparatorenfleisch,

· (pflanzliche) Binde- und Klebemittel (Soja-Eiweiß),

· tierische oder pflanzliche Gelatine,

· Milchzucker,

· Milcheiweiß,

· gepresstem und (oder) geformtem Fleisch,

· Wasser,

· Konservierungsmittel wie gentechnisch erzeugte Ascorbinsäure?

5. Teilt die Staatsregierung meine Auffassung, dass Kennzeichnungen wie Formschinken oder Vorderschin25.09. ken oder geformte Schinkenbestandteile zur Irreführung der Verbraucher führen?

In welcher Weise ist die Staatsregierung bereit, sich auf dem Fleisch- und Wurstsektor für eindeutige Kennzeichnungen einzusetzen und diese Kennzeichnung sowohl für abgepackte wie auch für offene Wurstwaren zu verlangen?

6. Welche Anstrengungen unternimmt die Staatsregierung, ein EU-weites Verbot aller Zusätze und Imitate zu erwirken, die dem Charakter von Wurst widersprechen?

Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 24.08.

Zu 1.: Bezeichnungen auf den Originalpackungen Schinkenimitate werden in der Regel nicht unter Fantasienamen im eigentlichen Sinne angeboten. Vielmehr werden Bezeichnungen anderer, meist höherwertiger Produkte, wie zum Beispiel Vorderschinken, gegebenenfalls mit Bezug auf ein anderes Land als dem tatsächlichen Herstellerland verwendet. So wird beispielsweise ein Bezug zu Italien hergestellt, indem Spalla cotta (gekochte Schulter) und/oder nach italienischer Art in der Bezeichnung genannt wird.

Begriffe wie Vorderschinken, Vorderschinkenteile oder Formfleischschinken sind im Deutschen Lebensmittelbuch ­ Leitsätze Fleisch und Fleischerzeugnisse jeweils definiert und entsprechend zu verwenden. Es handelt sich hierbei um, gegenüber den sogenannten Schinkenimitaten, qualitativ höherwertige Produkte.

Irreführende Bezeichnungen sind z. B.:

· Spalla cotta, Vorderschinken nach italienischer Art aus Vorderschinkenteilen geformt, teilweise fein zerkleinert, ohne Schwarte,

· Formfleischschinken,

· Gekochter Truthahnschinken aus Truthahnfleisch geformt mit 1 % Sojaeiweiß,

· Spalla cotta, deutsches Vorderschinken-Erzeugnis aus Vorderschinkenteilen zusammengefügt, teilweise fein zerkleinert, mit Stärke, Gewürzmarinade (Sellerie), Phosphat.

Die korrekte Kennzeichnung eines polnischen Herstellers, vertrieben über Dänemark, lautet hingegen wie folgt: Pizza-Belag nach italienischer Spalla Cotta Art. Vorderschinkenfleisch, zerkleinert und geformt, grob entfettet, ohne Schwarte. Gepökelt mit Wasser, Phosphat und Stärke, gekocht.

Der Begriff Vorderschinkenfleisch ist im Gegensatz zu den oben genannten Begriffen Vorderschinken etc. nicht im Sinne des hochwertigen Produkts Schinken zu verstehen, sondern als Fleisch aus der Schulter, sodass die Verwendung für das beschriebene Imitat korrekt ist.

Bezeichnungen auf der Speisekarte

Auf Speisekarten werden Schinkenimitate häufig fälschlicherweise als Schinken, Vorderschinken oder Formfleischvorderschinken angegeben.

Zu 2.: Probenahme und Untersuchung von Lebensmittelproben gehören nicht zu den Aufgaben der Gesundheitsämter. Die Beprobung erfolgt durch die Lebensmittelüberwachung, die in den Kreisverwaltungsbehörden (KVB) angesiedelt ist.

Seitdem das Problem von Imitaten bekannt ist, hat das LGL entsprechende Probenanforderungen im Probenplan. Die KVB führen darüber hinaus eigenständig Kontrollen durch, z. B. im Rahmen von gezielten Sonderaktionen in der Gastronomie.

Im LGL werden laufend Schinken- und Käseproben auf Imitate untersucht. Die Proben werden entweder als risikoorientierte Planproben im Probenplan angefordert oder als Verdachtsproben von den KVB eingesandt. Die Proben werden nicht nur in der Gastronomie oder im Einzelhandel, sondern auch bei Großhändlern oder direkt beim Hersteller entnommen. Siehe hierzu auch S. 56 und 58 im Jahresbericht 2008, abrufbar unter: Entwicklung der Beanstandungen bei Kochpökelwaren und Imitaten in den letzten elf Jahren (Quelle:http://www.lgl.bayern. Hiervon stammen 26 Proben aus der Gastronomie. Die Untersuchungen sind teilweise abgeschlossen, teilweise werden die Proben noch in den Labors bearbeitet. Bei 16 Proben aus der Gastronomie handelt es sich um Schinkenimitate.

Käseimitate:

Das LGL untersuchte 2008 die käseartige Auflage von Käsebrezen, Käsestangen und Käsesemmeln. Dabei wurde bei drei Erzeugnissen festgestellt, dass zur Herstellung nicht Käse, sondern ein Käseimitat verwendet wurde.

Schwerpunktuntersuchungen (Kleingebäck mit Käse überbacken) untersuchte Proben irreführende Angabe als Käse

Aus der Frage geht nicht eindeutig hervor, welche wissenschaftlichen Untersuchungen gemeint sind (bzgl. Herstellung, Marktbedeutung, Zusammensetzung, gesundheitliche Folgen, etc.). Das LGL führt, seitdem Schinkenimitate auf dem Markt sind, chemische, histologische und molekularbiologische Analysen sowie die entsprechenden lebensmittelrechtlichen Beurteilungen durch. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass der durchschnittliche Fleischanteil in ausländischen Erzeugnissen seit 1993 von ca. 83 % auf ca. 57 % deutlich gesunken ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden vom LGL regelmäßig veröffentlicht bzw. als Information für Lebensmittelkontrolleure und Verbraucher zur Verfügung gestellt. Zudem wird die Problematik in nationale Gremien eingebracht, um eine einheitliche Vorgehensweise innerhalb Deutschlands zu erzielen.

Die deutschen Untersuchungsämter untersuchen laufend Schinkenimitate, hierzu gibt es entsprechende Ergebnisse und Veröffentlichungen (Jahresberichte).

Zu 4.: Die Frage zielt auf Roh-, Koch- und Brühwürste ab, und damit nicht auf Schinkenimitate, die zusammen mit den imitierten Erzeugnissen zu der Produktgruppe Kochpökelwaren gehören.

Bei der Herstellung von Roh-, Koch- und Brühwürsten wird eine Reihe an in der Lebensmitteltechnologie üblichen Bearbeitungsformen eingesetzt (z. B. Schneiden, Kuttern, Poltern, Kochen, Räuchern).

Die Zulassung von Zusatzstoffen regelt die Zusatzstoffzulassungsverordnung. Hierin sind eine große Anzahl an Zusatzstoffen für Wurst- und Fleischerzeugnisse zugelassen. Es werden im Folgenden daher nur diejenigen Zusatzstoffe, die bei der Herstellung eine wesentliche Rolle spielen, aufgelistet. Für die Zulässigkeit ist immer die technologische Begründung zu berücksichtigen: Hartseparatorenfleisch ­ meist lediglich als Separatorenfleisch bezeichnet ­ ist definiert als ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird.

Es können hier prinzipiell zwei Arten von Separatorenfleisch unterschieden werden:

1) Separatorenfleisch, das nach Verfahren hergestellt wird, welche die Struktur der Knochen, die bei der Herstellung verwendet werden, nicht ändern und dessen Kalziumgehalt den von Hackfleisch/Faschiertem nicht signifikant übersteigt.

a) Entspricht das Separatorenfleisch den mikrobiologischen Kriterien von Hackfleisch/Faschiertem, so kann es zur Herstellung von Fleischerzeugnissen (roh oder erhitzt) und Fleischzubereitungen, die nicht zum Rohverzehr bestimmt sind, verwendet werden;

b) erfüllt es nicht die mikrobiologischen Kriterien von Hackfleisch/Faschiertem, so kann es nur zur Herstellung hitzebehandelter Fleischerzeugnisse verwendet werden.

2) Wird Separatorenfleisch mit anderen als den unter 1) genannten Techniken hergestellt, so darf es lediglich zur Herstellung wärmebehandelter Fleischerzeugnisse verwendet werden.

Da nach der derzeitigen Rechtslage zwischen den Definitionen der Begriffe Fleisch und Separatorenfleisch unterschieden wird, ist der Verbraucher über die Verwendung von Separatorenfleisch eindeutig zu informieren. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass diese Information auch vom Hersteller zum Verarbeiter weitergegeben wird. Die Kennzeichnung von Separatorenfleisch im Endprodukt hat als Separatorenfleisch vom... (Tierart) in der Zutatenliste zu erfolgen, da Separatorenfleisch nicht unter die Definition von Fleisch fällt.

Eine Mengenbegrenzung bei der Verwendung gibt es nur dahingehend, dass der Fleischanteil eines Fleischerzeugnisses nicht über 50 % Separatorenfleisch enthalten darf, da es sich sonst definitionsgemäß nicht mehr um ein Fleischerzeugnis handelt.

Das LGL untersucht routinemäßig alle Arten von Fleischerzeugnissen und Fleischzubereitungen auf die Verwendung von Separatorenfleisch (u. a. siehe http://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/warencodes/wurst waren.htm).

Zu (pflanzliche) Binde- und Klebemittel (Soja-Eiweiß): Stärke ist nach der Fleisch-Verordnung für Fleischerzeugnisse ohne Mengenbegrenzung zulässig.

Verdickungsmittel: siehe Tabelle Pflanzeneiweiß (wie Soja-Eiweiß) ist nach der Fleisch-Verordnung für alle Fleischerzeugnisse ohne Mengenbegrenzung zugelassen.

Zu tierische oder pflanzliche Gelatine: Gelatine wird immer aus tierischem Bindegewebe gewonnen. Es ist nach der Fleisch-Verordnung für Aspikwaren, Corned Beef mit Gelee und für in luftdicht verschlossenen Behältnissen erhitzte Fleischerzeugnisse wie Kochschinken und Zunge zum Gelieren des austretenden Fleischsaftes sowie zum Glasieren und Garnieren von Fleischerzeugnissen zugelassen.

Zu Milchzucker: Zucker wird gemäß der allgemeinen Verkehrsauffassung (siehe Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse) für Rohwürste bis zu 2 %, für alle anderen Würste bis zu 1 % verwendet. Somit darf Milchzucker bis zu diesen Mengen verwendet werden.

Zu Milcheiweiß: Milcheiweißerzeugnisse sind nach der Fleisch-Verordnung für die Herstellung von Fleischsalatgrundlage, jedoch nur in einer Menge von höchstens 2 % bezogen auf die verwendete Fleisch- und Fettmenge zugelassen. Ferner dürfen nach der Fleisch-Verordnung Trockenmilch-, Molken- und Milcheiweißerzeugnisse bei der Herstellung folgender Erzeugnisse bis höchstens 3 % bezogen auf die verwendete Fleisch- und Fettmenge verwendet werden: Brühwürste und brühwurstartige Erzeugnisse einschließlich Pasteten und Rouladen nach Art der Brühwurst, Rohwürste, Kochstreichwürste einschließlich Leberpasteten, Leberparfaits, Leberpasten und Lebercremes, Wild- und Geflügelpasteten, tafelfertig zubereitete Fleischerzeugnisse wie Gulasch, Fleischrouladen, Fleischklopse, Füllungen aus zerkleinertem Fleisch, Frikassee, Ragout fin und Schmalzfleisch.

Zu gepresstem und (oder) geformtem Fleisch:

Nach den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse gibt es Erzeugnisse, die aus kleinen Muskelfleischstücken geformt werden, z. B. Formfleisch-Vorderschinken. Zur Vermeidung einer Irreführung lautet die Verkehrsbezeichnung z.

B. Formfleisch-Vorderschinken, aus Vorderschinkenteilen zusammengefügt.

Zu Wasser: Wasser ist bei Brühwürsten für den Biss sowie die Knackigund Saftigkeit verantwortlich. Es wird bei der Herstellung von Brühwürsten in Form von Eis zugesetzt, um eine Überhitzung des Bräts während des Kutterns zu verhindern. Für Brühwürste ist Wasser bis zu der verkehrsüblichen Menge zugelassen, für Kochpökelwaren nur bis zu dem durch die Pökelung unvermeidbaren Gehalt. Bei Rohwürsten geht die Reifung mit einer Abtrocknung und damit Wasserverlust einher; eine Zugabe von Wasser erfolgt somit hier nicht.

Zu Konservierungsmittel wie gentechnisch erzeugte Ascorbinsäure: Konservierungsstoffe: siehe oben angeführte Tabelle.

Bei Ascorbinsäure handelt es sich je nach Verwendungszweck um einen Stabilisator oder ein Antioxidationsmittel, nicht jedoch um einen Konservierungsstoff. Dem LGL liegen keine Daten darüber vor, ob und wenn ja in welchem Umfang Ascorbinsäure, die aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen erzeugt wird, bei der Herstellung von Wurstwaren zum Einsatz kommt. Die Anwendung ist zulässig und muss nach rechtlichen Vorgaben nicht gekennzeichnet werden.

Zu 5.: Bezeichnungen, unter denen Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, dürfen den Verbraucher nicht irreführen. Ist eine Bezeichnung in Rechtsvorschriften festgelegt, ist diese zu verwenden. Fehlt eine in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung, so ist die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung oder eine beschreibende Bezeichnung, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden, zu verwenden (siehe auch § 4

Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung). In den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuchkommission sind die nach allgemeiner Verkehrsauffassung üblichen Bezeichnungen aufgeführt.

Nach den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse der Deutschen Lebensmittelbuchkommission handelt es sich bei Schinken um die Hinterextremität des Schweines (Hinterschinken). Schinken aus der Vorderextremität werden als Vorderschinken bezeichnet. Werden Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, zu einem größeren Stück zusammengefügt, so können diese Erzeugnisse als Schinken bzw. Vorderschinken bezeichnet werden.

Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus kleineren Muskelstücken oder Formfleisch hergestellt werden, werden dagegen in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung ausreichend kenntlich gemacht (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenteilen zusammengefügt).

Für die angesprochenen Schinkenimitate sind die Bezeichnungen Formschinken, Vorderschinken oder auch geformte Schinkenbestandteile keine zutreffende Verkehrsbezeichnung und werden als irreführend im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzes beanstandet.

Zu 6.: Das LGL untersucht stichprobenweise und risikoorientiert Wurstwaren nach den geltenden Rechtsvorschriften. Von den KVB werden entsprechende Sonderaktionen durchgeführt (siehe Frage 2).