Lärmbekämpfung an Staatsstraßen

Nachdem Staatsminister Herrmann einen verbesserten Lärmschutz an Bundesfernstraßen angemahnt hat, drängt sich die Frage auf, wie es um die Lärmbekämpfung an bayerischen Staatsstraßen bestellt ist. Diese machen mit 13.543 km immerhin 53 % des bayerischen Straßennetzes aus.

Ich frage die Bayerische Staatsregierung:

1. Welche Möglichkeiten gibt es, Menschen und Umwelt vor Lärmbelastung an Staatsstraßen zu schützen?

2. Werden die Grenzwerte für Lärmimmissionen an bayerischen Staatsstraßen durchgehend eingehalten?

3. Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung in Zukunft zu ergreifen, um insbesondere ältere Straßen lärmschutzgerecht zu sanieren?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 23.09.

Zu 1.: Die Möglichkeiten, die Bevölkerung vor Lärm an Staatsstraßen zu schützen, sind vielfältig und unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen an Bundesfernstraßen und den übrigen Straßen. Hervorzuheben sind neben den vor allem die produzierende Industrie betreffenden Maßnahmen an der Quelle (Reifen- und Fahrzeugtechnik) planerische Instrumente der Gemeinden und der Straßenbaulastträger, straßenbauliche Maßnahmen der Straßenbaulastträger (aktiver und/oder passiver Lärmschutz) und straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden (Verkehrs-beschränkungen, Verkehrsverbote). Welche Maßnahmen in Betracht kommen, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen und verkehrlichen Gegebenheiten entschieden werden. Das individuelle Lärmbekämpfungskonzept hängt dabei vor allem von den städtebauli-chen und verkehrlichen Merkmalen sowie den finanziellen Möglichkeiten und der Wirtschaftlichkeit ab. Lärmschutz stellt damit auch an Staatsstraßen eine typische Querschnittsaufgabe dar. In diesem Kontext sind auch die im Vollzug der EG-Umgebungslärmrichtlinie angefertigten Lärmkarten und die erstmals 2008 auf20. 10. 2009 zustellenden Lärmaktionspläne zu sehen. In den Lärmkarten wird der Lärm in Form farbiger Isophonenbänder entlang der Hauptverkehrsstraßen außerhalb der Ballungsräume dargestellt und damit die Lärmbetroffenheit der Anwohner sichtbar gemacht. Mit den Lärmaktionsplänen sollen auf der Grundlage der Lärmkarten Lärmprobleme bewertet und ggfs. Ziele und Strategien zur Lärmminderung aufgezeigt und hierzu Maßnahmen festgelegt sowie planungsrechtliche Festlegungen getroffen werden. Auch für die Lärmaktionspläne gelten jedoch die nachfolgend dargestellten maßgeblichen Anforderungen des Fachrechts. Aufgrund der unterschiedlichen Beurteilungsindizes und Rechenverfahren sind die Umgebungslärmkarten (erstellt mit dem Verfahren VBUS) zudem nur überschlägig verwendbar, um für Lärmsanierungsmaßnahmen an Straßen in Frage kommende Bereiche (Berechnung mit dem dafür maßgeblichen Verfahren RLS-90) zu erkennen und gegebenenfalls Lärmschutzmaßnahmen festzulegen.

Im Folgenden sind insbesondere die Möglichkeiten aus Sicht der Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörde dargestellt.

Rechtliche Möglichkeiten / Gesetzliche Grundlagen:

Die wichtigsten Rechtsgrundlagen für baulichen Lärmschutz nach den Grundsätzen der Lärmvorsorge sind das Bundes-Immissionsschutzgesetz (§§ 41 ff. die Verkehrslärmschutzverordnung (16. und die Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. Details des Vollzugs durch die Straßenbaubehörden der Länder sind vor allem in den Verkehrslärmschutzrichtlinien 1997 geregelt, die auch für die Anwendung an Staatsstraßen und Kreisstraßen in staatlicher Verwaltung eingeführt sind.

Beim Lärmschutz an Straßen wird zwischen der Lärmvorsorge und der Lärmsanierung unterschieden.

Lärmvorsorge:

Nach §§ 41 ff. sind die Träger der Straßenbaulast verpflichtet, beim Bau oder bei der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen schädliche Verkehrsgeräusche soweit als möglich zu vermeiden und durch Schallschutzmaßnahmen den evtl. notwendigen Lärmschutz sicherzustellen. In der Verkehrslärmschutzverordnung (16. sind Immissionsgrenzwerte für Verkehrslärm festgesetzt und durch Verweis auf die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen ­ RLS 90 das Verfahren zur Berechnung der maßgeblichen Beurteilungspegel verbindlich vorgegeben. Messungen zur Erfassung von Straßenverkehrslärm sind für die Festlegung von Maßnahmen nach §§ 41 ff. ausgeschlossen. Die Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. regelt Art und Umfang der zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche notwendigen Schutzmaßnahmen für schutzbedürftige Räume in baulichen Anlagen.

Finanzielle Aufwendungen für notwendige Schallschutzmaßnahmen sind bei Lärmvorsorge in vollem Umfang vom Straßenbaulastträger zu tragen.

Lärmsanierung:

An bestehenden Straßen können Mittel für Lärmsanierungsmaßnahmen als freiwillige Leistung der Straßenbaulastträger aufgrund haushaltsrechtlicher Regelungen gewährt werden.

Lärmsanierung wird bei Staatsstraßen nach Dringlichkeit im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel durchgeführt, vorausgesetzt, die im Haushalt festgelegten Immissionsgrenzwerte für Lärmsanierung werden überschritten.

Bei der Lärmsanierung werden dem Eigentümer der zu schützenden Anlage auf Antrag vom Baulastträger 75 % seiner Aufwendungen für notwendige Schutzmaßnahmen erstattet.

25 % der Aufwendungen sind vom Eigentümer als Eigenanteil und Ausgleich für die Wertverbesserung zu tragen.

Für Straßen in kommunaler Baulast können die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenständige Regelungen treffen.

Maßnahmen nach Straßenverkehrsrecht:

Zum Schutz der Anwohner können auch straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen (z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen) auf Grundlage des § 45 der in Betracht kommen, deren Vor- und Nachteile im Einzelfall sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind.

Bauliche Lärmschutzmaßnahmen:

Bei Lärmvorsorge und Lärmsanierung kommen folgende bauliche Lärmschutzmaßnahmen in Betracht: aktiver Schallschutz

Bereits bei der Neuplanung wird durch planerische Maßnahmen wie Abrücken von der schutzwürdigen Bebauung und der Nutzung natürlicher Abschirmeffekte wie Bodenerhebungen und Geländeeinschnitte eine planerische Lärmvorsorge betrieben. Erst wenn alle planerischen Maßnahmen ausgeschöpft sind, werden aktive Schallschutzmaßnahmen wie Schallschutzwand, Schallschutzwall, Trog, Einhausung, Tunnel oder Steilwall ergriffen. Ebenfalls zu den aktiven Schutzmaßnahmen gehören Lärm mindernde Fahrbahn-Deckschichten zur Minderung des Reifen-/Fahrbahngeräusches. passiver Schallschutz

Nach § 41 hat aktiver Schallschutz grundsätzlich den Vorrang; das gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. Sind z. B. wegen Platzmangels oder unverhältnismäßig hoher Kosten keine aktiven Schallschutzmaßnahmen an der Lärmquelle oder auf dem Schallausbreitungsweg möglich, so können passive Lärmschutzmaßnahmen wie der Einbau von Lärmschutzfenstern, die Verstärkung von Außenwänden, Außentüren und Dächern zur Verbesserung der Schalldämmung der Außenbauteile an betroffenen Gebäuden nach Maßgabe der 24. durchgeführt werden.

Zu 2.: Für Lärmvorsorge und Lärmsanierung gelten unterschiedliche Grenzwerte. Auf die Einhaltung der beim Bau oder der wesentlichen Änderung einer Straße gültigen deutlich strengeren Grenzwerte der Lärmvorsorge besteht nach der Verkehrslärmschutzverordnung (16. ein Rechtsanspruch.

Im Bereich neu gebauter oder wesentlich geänderter Staatsstraßen überschreiten demnach die auf Basis der Prognosebelastung errechneten Beurteilungspegel die gebietsspezifischen Immissionsgrenzwerte nicht, weil hier entsprechende Schutzmaßnahmen integrale Bestandteile der Vorhaben sind.

Lärmsanierung ist eine freiwillige Leistung des Straßenbaulastträgers und wird auf Antrag gewährt, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Einhaltung der für bestehende Staatsstraßen geltenden gebietsspezifischen Sanierungsgrenzwerte von z. B. 70 tags bzw. 60 nachts für reine und allgemeine Wohngebiete durch die aufgrund der vorhandenen Verkehrsbelastung zu errechnenden Beurteilungspegel unterliegt nicht einer permanenten Überwachung, durchgängige Erhebungen für die 13.543 km in der Verwaltung der Bayer.

Staatsbauverwaltung befindlichen Staatsstraßen sind nicht verfügbar. Staatsstraßen in Ortsdurchfahrten von Gemeinden mit mehr als 25.000 Einwohnern stehen nach Art. 42 Abs. 1 in der Baulast der Gemeinden.

Aufgrund der im Vergleich zu Bundesstraßen wesentlich niedrigeren Verkehrsbelastung (Durchschnitt Bayern: Bundesstraßen 9.424 Kfz/24h mit 9,2% Lkws, Staatsstraßen 3.

Kfz/24h mit 6,2% Lkws) ist davon auszugehen, dass nur an einem relativ geringen Teil der Strecken, z. B. in einigen Ortsdurchfahrten, die derzeitigen Sanierungsgrenzwerte nicht eingehalten werden.

Die Lärmkartierung der 1. Stufe bis 2008 enthält 74 Orte mit mehr als 50 Betroffenen, an denen gem. Berechnung nach VBUS an 90 Straßenabschnitten Überschreitungen der Pegel LDEN = 70 bzw. LNight = 60 eintreten. In diesen Straßenabschnitten sind lediglich 9 Staatsstraßen im Verlauf von Ortsdurchfahrten enthalten, für die sämtlich bereits Entlastungsmaßnahmen (überwiegend Ortsumgehungen) vorgesehen sind. Die Lärmkartierung der 2. Stufe bis 2013 bleibt abzuwarten.

Zu 3.: Die grundsätzlich in Frage kommenden Maßnahmen sind unter Pkt. 1 dargestellt. Welche davon ausgeführt werden können, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Basis für die Sanierungsmaßnahmen sind die in den Haushaltsgesetzen verankerten Sanierungsgrenzwerte, nach denen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel Lärmsanierung als freiwillige Leistung durchgeführt werden kann. Das Alter der Straße ist dabei kein Entscheidungskriterium.

Wichtigstes Element für die Verbesserung des Lärmschutzes an bestehenden Straßen ist deshalb eine Absenkung der Grenzwerte der Lärmsanierung, um die Handlungsspielräume der Straßenbauverwaltung zu erweitern. Für eine deutliche Verbesserung ist eine Absenkung um 5 wünschenswert.

Ich habe diese Forderung für die Bundesfernstraßen bereits an den Bundesverkehrsminister herangetragen. Eine Gleichbehandlung aller in staatlicher Verwaltung befindlichen Straßen halte ich für sinnvoll.