Bestandsschutz einer privaten Bootshütte in Rimsting II

Nachdem die Antwort des Innenministeriums auf meine Anfrage vom 18.09.2009 zum Bestandsschutz einer Bootshütte in Rimsting einige weitere Fragen aufgeworfen hat und Antworten auf die gestellten Fragen nach meinem Kenntnisstand nicht den Tatsachen entsprechen, sollen nun in einer weiteren Anfrage präzise Details hinterfragt werden. Es liegen inzwischen Fotos, Dokumente und konkrete Zeugenaussagen vor, die hinsichtlich der Sanierung der Bootshütte bei Rimsting eine von der Antwort des Innenministeriums abweichende Sachlage begründen.

Ein Beispiel für eine solche Widersprüchlichkeit bezieht sich auf die tragenden Pfosten der Hütte. Das Landratsamt Rosenheim setzte als Voraussetzung für eine Sanierung fest, dass das statische Grundgerüst der Hütte erhalten bleiben müsse. In der Antwort der Staatsregierung wird dargestellt, dass lediglich ein Drittel der Stützpfosten der Hütte im Wasser erneuert wurden und dies ohne Hüttenverschiebung durchgeführt wurde. Bei einem von mir durchgeführten Besuch am 06.11.2009 vor Ort war es ohne Weiteres möglich festzustellen, dass alle Stützpfosten gleicher Qualität und neu sind. Daneben liegen mir Fotos aus dem Jahre 2007 vor, auf denen noch deutlich die alten, runden Pfosten zu erkennen sind, während heute alle Pfosten quadratisch sind. Auf den Fotos des Jahres 2007 ist deutlich zu erkennen, dass zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Sanierungsarbeiten durchgeführt wurden.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Hinsichtlich der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 18.09.2009 ergeben sich folgende Fragen:

a) Welche Behörden und Ansprechpartner wurden zur Erstellung einer Antwort um eine Stellungnahme gebeten?

b) Welche Unterlagen, Aktennotizen und Protokolle wurden dafür verwendet?

c) Wurden dabei auch die Schlösser- und Seenverwaltung mit Sitz in Prien am Chiemsee bzw. deren Unterlagen zur Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen, und wenn nicht, weshalb nicht?

2. Bestätigt die Staatsregierung, dass es für den Eigentumsübergang von Bootshütten bzw. anderen Einbauten an Seen in Oberbayern, die ohne Genehmigung errichtet wurden, aber bereits nachweislich vor 1975 bestanden und damit nachträglich genehmigt wurden, Regelungen sowohl hinsichtlich der Sanierung als auch bezüglich des Eigentumsübergangs gibt?

a) Wo sind diese Regelungen festgehalten und wie wird die Einhaltung der entsprechenden Regelungen kontrolliert bzw. durch welche Behörde?

b) In welchem Fall greift beim geplanten Verkauf eines solchen Einbaus das Vorkaufsrecht des Staates und aus welchen Gründen muss mit dem Eigentumsübergang eine Abrissverfügung ausgestellt werden?

c) Welche Gründe lagen im konkreten Fall der Bootshütte des Herrn K. bei Rimsting dafür vor, dass er im Jahr 2007 die Hütte erwerben durfte und zudem keine Abrissandrohung ausgesprochen wurde, wie es etwa bei der Sanierung der benachbarten Hütte zunächst der Fall war?

3. Wie erklärt sich die Staatsregierung die Widersprüche, dass in der Antwort des Innenministeriums vom 20.10.2009 auf meine Anfrage vom 18.09.2009 die Jahre 2005 bis 2009 als Sanierungszeitraum der Hütte des Herrn K. angegeben wurden, der Kauf der Hütte aber erst 2006 erfolgt sein soll, der Kaufvertrag für die Hütte aber mit dem Jahr 2007 datiert ist?

4. Wurde die entsprechende Erklärung des Bauherren, es seien lediglich ein Drittel der tragenden Pfosten der Bootshütte erneuert worden, überprüft, und wenn ja, inwiefern?

a) Wurde die Erklärung des Eigentümers und der ausführenden Zimmerei, dass nur ein Drittel der Pfosten erneuert wurde und dazu das statische Grundgerüst nicht bewegt wurde, ohne weitere Zeugenbefragung oder Aktenstudium übernommen?

5. Ist es nach Kenntnisstand der Staatsregierung richtig, dass bei der Ortsbesichtigung des Landratsamtes am 09.03.2009 festgestellt wurde, dass im Aufenthaltsraum der Bootshütte mehrere Stromsteckdosen und Lichtschalter sowie Verteilerdosen installiert waren?

a) Ist der Staatsregierung bekannt, ob diese Installationen im Aufenthaltsraum der Bootshütte heute noch vorhanden sind oder ob sie zurückgebaut wurden?

6. Würde die Staatsregierung empfehlen, ein neutrales Baugutachten in Auftrag geben zu lassen, um die Widersprüchlichkeiten, etwa in Bezug auf die Frage, ob tatsächlich nicht mehr als insgesamt ein Drittel der Bootshütte erneuert wurden, abschließend objektiv zu klären, oder erachtet die Staatsregierung es als ausreichend, die Erklärungen von Bauherren und bauausführenden Firmen heranzuziehen?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 10.12.

Die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Umwelt und Gesundheit sowie der Finanzen wie folgt:

Vorbemerkung: Seeeinbauten, die nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig, somit formell und materiell rechtswidrig sind, werden nach gängiger Verwaltungspraxis von den zuständigen Behörden aus Gründen des Vertrauensschutzes geduldet, sofern diese vor dem 01.01.1975 errichtet wurden und für sie ein zivilrechtlicher Nutzungsvertrag mit der Schlösser- und Seenverwaltung abgeschlossen wurde (Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 21.09.1998).

Der sich aus dieser Verwaltungspraxis ergebende Vertrauensschutz erlischt jedoch, wenn an den Seeeinbauten wesentliche Änderungen vorgenommen werden bzw. deren Nutzung geändert und hierdurch die wasser- bzw. baurechtliche Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird, vgl. Art. 59

Bayerisches Wassergesetz Art. 55 ff. Bayerische Bauordnung Dann ist über den Bestand der Anlage zu entscheiden. Falls die Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorliegen, ist die Anlage aufgrund einer von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde zu erlassenden Beseitigungsanordnung zu beseitigen.

Eine wesentliche Änderung liegt nach der der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch dann vor, wenn (in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang) mehr als 1/3 der alten schadhaften Bausubstanz der Anlage erneuert wird. Da miteinander verbundene Zugangsstege, Plattformen und Gebäude (Boots- und Badehäuser) als eine einheitliche Anlage zu behandeln sind, ist bei der Feststellung, ob eine bauliche Veränderung als wesentlich zu bewerten ist, der Umfang der jeweiligen baulichen Veränderung im Verhältnis zur Gesamtanlage (z. B. Bootssteg und -haus) zu setzen. Da die Ein-Drittel-Faustformel kein Zeitmoment enthält, Seeeinbauten jedoch starken Witterungseinflüssen (Wasser, Stürme, Eisschub) ausgesetzt sind, wird in der Vollzugspraxis der zuständigen Verwaltungsbehörden die Ein-Drittel-Faustformel aufs Kalenderjahr umgeschlagen. Pro Jahr darf bis zu einem Drittel der schadhaften Bausubstanz der (Gesamt-)Anlage saniert werden. Wird die Ein-Drittel-Grenze nicht überschritten, liegen üblicherweise nur verfahrensfreie Unterhaltungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen vor, bei denen Mängel und Schäden beseitigt und schadhafte Bauteile der Anlage ausgewechselt werden, um den Bestand zu erhalten.

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn einer baulichen Anlage eine andere Zweckbestimmung gegeben wird, so wenn z. B. ein bislang als Bootshaus genutztes Gebäude nunmehr in eine Freizeithütte umgewandelt wird.

Der Eigentümerwechsel einer baulichen Anlage ohne damit einhergehende Nutzungsänderung wirkt sich auf den Bestand der baulichen Anlage und den hiermit verbundenen Vertrauensschutz nicht aus.

Zu 1.: a) Zur Erstellung der Antwort auf die Schriftliche Anfrage vom 18.09.2009 wurde ­ wie allgemein üblich ­ das Landratsamt Rosenheim als zuständige Kreisverwaltungsbehörde vor Ort um Stellungnahme gebeten. Zudem wurden beim Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, beim Landratsamt Starnberg und der Staatsanwaltschaft Traunstein Informationen eingeholt.

b) Es wurden hierfür ­ wie allgemein üblich ­ die umfangreichen Vorgangsakten des Landratsamts Rosenheim verwendet, zudem auch E-Mails und Lichtbilder, die der Staatsregierung vorlagen.

c) Die Einholung einer Stellungnahme der Außenstelle Chiemsee der Schlösserverwaltung sowie eine Hinzuziehung der Unterlagen dieser Stelle wurde zur Beantwortung der Schriftlichen Anfrage vom 18.09.2009 nicht für erforderlich erachtet, da die zur Beantwortung der Fragen erforderlichen Informationen den Verfahrensakten des Landratsamts Rosenheim zu entnehmen waren.

Zu 2.: In Bezug auf Seeeinbauten, die vor dem 01.01.1975 ohne Genehmigung errichtet wurden, sind lediglich Regelungen hinsichtlich der Sanierung bekannt, nicht aber bezüglich des Übergangs von Eigentum.

a) Hinsichtlich der Sanierung von Seeeinbauten gibt es neben den gesetzlichen Regelungen im und der das in der Vorbemerkung bereits erwähnte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 21.09.1998.

Die jeweils örtlich zuständige Kreisverwaltungsbehörde wacht darüber, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen und Verpflichtungen eingehalten werden.

b) Nach Art. 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 Bayerisches Naturschutzgesetz stehen dem Freistaat Bayern sowie den Bezirken, Landkreisen, Gemeinden und kommunalen Zweckverbänden beim Verkauf von Grundstücken, die an oberirdische Gewässer angrenzen, Vorkaufsrechte zu. Das gesetzliche Vorkaufsrecht nach Art. 34 greift jedoch nur, wenn ein Grundstück verkauft wird. Werden Seeeinbauten (Bootshütten, Stege) verkauft, handelt es sich regelmäßig um sog. Scheinbestandteile, die nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sind. Deswegen kann bei einem isolierten Verkauf von Seeeinbauten ein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, geschweige denn auf dieser Grundlage eine Abrissverfügung erlassen werden.

c) Die Sanierung der benachbarten Hütte, welche als Bezugsfall angeführt wird, ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Anders als bei der Bootshütte, die Gegenstand dieser Schriftlichen Anfrage ist, war die benachbarte Bootshütte zunächst mit Genehmigung errichtet, später jedoch bei einem Sturm stark beschädigt worden. Da der beabsichtigten Wiedererrichtung Belange des Natur- und Landschaftsschutzes entgegenstanden, hat das Landratsamt Rosenheim als untere Bauaufsichtsbehörde die Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt.

Eine Abrissandrohung ist nicht ausgesprochen worden.

Auf Anregung der Regierung von Oberbayern und des Landesamts für Denkmalpflege wurde schließlich von der unteren Denkmalschutzbehörde eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zur Sanierung der Bootshütte unter Einhaltung detaillierter Auflagen erteilt.

Zu 3.: Mit notarieller Urkunde vom 21.08.2006 ist das Grundstück der Gemarkung Rimsting (Zuwegung zur streitgegenständlichen Bootshütte) an den jetzigen Eigentümer der Hütte veräußert worden. Zudem liegt der Außenstelle Chiemsee der Schlösserverwaltung eine Urkunde vom 16.09.2006 vor, in welcher der vormalige Eigentümer der Bootshütte bestätigt, dass der jetzige Eigentümer die Bootshütte sowie das vor der Bootshütte liegende Grundstück käuflich erworben hat. Die Bestätigung trägt die Unterschrift des vormaligen und des jetzigen Eigentümers. Die Zimmerei, welche seit 1999 für die Sanierung der gegenständlichen Hütte zuständig ist, differenzierte hinsichtlich der Sanierungszeiträume zwischen dem Zeitraum von 1999 bis Ende 2004 und dem seit Anfang 2005. Laut Auskunft des Zimmerers erteilte ihm der jetzige Eigentümer im September 2006 den Auftrag zur Erhaltung und Sanierung der Bootshütte, soweit gesetzlich zulässig.

Zu 4.: Die Erklärung des Bauherrn, dass lediglich ein Drittel saniert worden sei, wurde vom Landratsamt Rosenheim nicht näher überprüft. Dem Landratsamt liegen mehrere glaubhafte mündliche Aussagen sowie schriftliche Stellungnahmen des Bauherrn und der ausführenden Zimmerei vor. Da der vor den Renovierungsarbeiten vorhandene Bestand der Hütte nicht aktenkundig ist und dem Landratsamt keine Nachweise für Verstöße gegen das Baurecht bekannt waren, bestand keine Veranlassung, die Angaben anzuzweifeln oder weiter zu überprüfen. Nach Auskunft von Bauherrn und Zimmerer sind ca. 1/3 der Stempen des Bestands erneuert wurden. Vor den Sanierungsmaßnahmen lag die Gesamtanlage (Bootshütte und Steg) auf runden Pfosten. Nunmehr steht die Bootshütte auf vierkantigen Stempen, wohingegen der Steg weiterhin auf runden Pfosten liegt.

a) Vgl. Antwort zu Frage 4.

Zu 5.: Bei einer Ortseinsicht des Landratsamts Rosenheim am 09.03.2009 wurde festgestellt, dass im Innern der Bootshütte elektrische Installationen (Starkstrom, normale Steckdosen, Licht) vorhanden sind. Fotografien wurden keine angefertigt. Mit Schreiben vom 22.03.2009 bestätigte der Rechtsanwalt des Eigentümers der Bootshütte, dass die im Objekt vorhandenen Stromanschlüsse ausschließlich für den Bootsbetrieb verwendet werden.

a) Ob die Installationen heute noch vorhanden sind, ist nicht bekannt, da seither keine Besichtigung des Innern der Hütte mehr stattgefunden hat.

Zu 6.: Die Staatsregierung erachtet das Einholen eines Baugutachtens nicht für erforderlich, da hierdurch dem Freistaat Bayern unnötig Kosten entstünden.

Würde in diesem Fall ein kostenpflichtiges Gutachten in Auftrag gegeben, müsste in allen anderen Fällen, in denen strittig ist, ob bloße (nach Bau- und auch Wasserrecht verfahrensfreie) Instandhaltungsmaßnahmen oder aber genehmigungspflichtige Änderungen vorgenommen wurden, ebenso verfahren werden. Die Kosten, die hierdurch zukünftig verursacht würden, sind nicht absehbar und für den Freistaat Bayern keinesfalls tragbar.