Änderung des Landschaftsprogramms Bremen

Der Senat überreicht der Bürgerschaft (Landtag) den Entwurf zur 4. Änderung des Landschaftsprogramms Bremen 1991 mit der Bitte um Beschlussfassung.

Gemäß Ziff. 105 der Koalitionsvereinbarung vom 27. Juni 1995 ist vorgesehen, für Wohnungsbau ­ Wohnungspolitische Initiative 2000 ein größeres Wohnbaugebiet für Ein- und Zweifamilienhäuser in Brokhuchting mit ausreichenden Pufferzonen zu den festgesetzten Ausgleichsgebieten aufzunehmen. Dieses Gebiet ist umgehend als Entwicklungsgebiet festzusetzen.

Der Senat hat am 5. September 1995 dem Beginn der Voruntersuchungen für den Entwicklungsbereich Brokhuchting zugestimmt und die Deputation für das Bauwesen hat am 25. Oktober 1995 entsprechend beschlossen.

Die Landschaftsökologische Forschungsstelle Bremen (LFB) hat im Rahmen der fachgutachterlichen Beratung für die Naturschutzbehörde am 26. Februar 1996 die Gutachterliche Einschätzung der geplanten Wohnbebauung in Brokhuchting-Strom aus landschaftsökologischer Sicht und nach Erörterung mit der Stadtplanung am 29. April 1996 die Ergänzung zur gutachterlichen Einschätzung der geplanten Wohnbebauung in Brokhuchting-Strom erarbeitet. Der Gutachter kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Wertigkeit und die Schutzwürdigkeit der angrenzenden Ausgleichsgebiete durch eine Wohnbebauung im geplanten Umfang grundlegend ungünstig beeinflusst würde und für einen dauerhaften und hinreichenden Schutz keine wirkungsvollen und zumutbaren Maßnahmen getroffen werden können. Diese fachliche Einschätzung wurde von der Naturschutzbehörde ins Verfahren für die Voruntersuchungen eingebracht.

Der förmliche Abschluss der Voruntersuchungen wurde ausgesetzt, nachdem sich 1997 ein privater Vorhabenträger zur Durchführung dieses Wohnungsbauvorhabens bereiterklärte. Das von ihm beauftragte Büro Palandt kam beim reduzierten Umfang des Wohnungsbauprojektes und Durchführung von umfangreichen Schutzmaßnahmen zu der Einschätzung, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen mehr für die Ausgleichsgebiete zu erwarten seien (Möglichkeiten zur Realisierung von Wohnbauflächen in Brokhuchting-Strom ­ Umweltverträglichkeitsstudie vom Juni 1998).

Die Deputation für das Bauwesen hat am 18. Juni 1998 folgenden Beschluss gefasst: ..., dass für einen Bereich nördlich der Bahnstrecke Bremen-Oldenburg in einer Tiefe von ca. 600 m und östlich der Varreler Bäke (beiderseits der Brokhuchtinger Landstr.) in einer Tiefe von ca. 1.000 m der Flächennutzungsplan 1983 zum Zwecke der Wohnbebauung geändert werden soll (Planaufstellungsbeschluss).

Der Planbereich ist noch Teil des gemäß Art. 4 der Richtlinie 79/409 EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten notifizierten Vogelschutzgebietes Niedervieland. In der Meldung war auch das Landschaftsprogramm als naturschutzrelevanter Status hierfür benannt. Die vorgesehene Nutzung dieses ca. 38 ha großen Bereiches als Wohnbaugebiet widerspricht den im Landschaftsprogramm Bremen 1991 für diesen Bereich dargestellten Entwicklungszielen und Maßnahmen. Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 hat die Europäische Kommission dargelegt, dass der für Wohnungsbau vorgesehene Bereich aus fachlicher Sicht nicht unbedingt als meldepflichtig einzuschätzen gewesen sei.

Der Senat prüft dieses Schreiben und hat bisher noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben.

Der Senat hat am 15. September 1998 u. a. beschlossen, dass in Brokhuchting auf der einen Teilfläche, für die das Landschaftsprogramm geändert werden soll, Wohnungsbau stattfinden und die benachbarte Teilfläche unter Naturschutz gestellt wird. Gleichzeitig wurde das Umweltressort gebeten, durch rechtzeitige Verfahrenseinleitung sicherzustellen, dass die Landschaftsschutzverordnung für das Wohnbaugebiet aufgehoben und das Landschaftsprogramm dementsprechend geändert wird.

Die Stadtbürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 18. Mai 1999 die 95. Flächennutzungsplanänderung beschlossen. Sie ist durch die Bekanntmachung vom 2. Juni 1999 rechtskräftig.

Der dem Beschluss zugrunde liegende Bericht an die Bürgerschaft (Landtag) mit Flächennutzungsplan und Erläuterungsbericht stellt Maßnahmen und Regelungen für die Verträglichkeit der Planung dar. Wie auch im Erläuterungsbericht zur 95. Flächennutzungsplanänderung dargestellt, wird erst im vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit dem dazugehörigen Durchführungsvertrag und ggf. im wasserrechtlichen Folgeverfahren die konkrete Abgrenzung und Inanspruchnahme der dem Landschaftsprogramm entgegenstehenden Planungen festgelegt. Auf den Beschluss des Vorhabens- und Erschließungsplans 8 in der Sitzung der Deputation für das Bauwesen am 28. Januar 2003 wird verwiesen.

Der Vorhabens- und Erschließungsplan kann nur in Kraft treten, wenn u. a. die einer baulichen Nutzung entgegenstehenden Darstellungen des Landschaftsprogramms geändert worden sind.

Die 4. Änderung des Landschaftsprogramms Bremen 1991 hat keine finanziellen Auswirkungen.

In dem nach § 6 des Bremischen Naturschutzgesetzes vorgeschriebenen Verfahren zur Änderung des Landschaftsprogramms Bremen hat in der Zeit vom 4. Januar bis 3. Februar 1999 die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange stattgefunden. Die öffentliche Auslegung erfolgte in der Zeit vom 18. März bis 29. April 1999 (Verlängerung wegen der dreiwöchigen Osterferien).

Der Beirat Huchting wurde in der öffentlichen Sitzung am 15. Februar 1999 beteiligt. Er hat die Änderung des Landschaftsprogramms mehrheitlich abgelehnt und die zuständige Deputation aufgefordert, den Beirat bei der Beratung des Themas zu beteiligen. Er hat auf eine erneute Beteiligung nach der öffentlichen Auslegung verzichtet. Die gewünschte Beteiligung des Beirats bei der Beratung der Deputation erfolgte auf der Sondersitzung am 3. Juni 1999. Die Deputation für Umweltschutz und Gesundheit (L) hat nach Abwägung auch der ablehnenden Haltung des Beirats der 4. Änderung des Landschaftsprogramms zugestimmt.

Der Naturschutzbeirat der obersten Naturschutzbehörde hat das grundsätzliche Erfordernis einer stadtökologisch verträglichen Wohnbautätigkeit in Bremen anerkannt, es ungeachtet dessen jedoch nachdrücklich abgelehnt, für den Vorhaben- und Erschließungsplan 8 im Bereich Brokhuchting das Landschaftsprogramm zu ändern und den Landschaftsschutz aufzuheben. Er hat das damit begründet, dass das geplante Eingriffsgebiet in einem gegenüber jeglicher weiterer Bebauung besonders empfindlichen und somit sehr problematischen Umfeld liege.

Dort seien für Eingriffe an anderer Stelle umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen realisiert worden. Durch die Bebauung sei ein Verlust der Ausgleichsfunktion zu erwarten. Darüber hinaus habe die zur Bebauung vorgesehene Fläche eine wesentliche Funktion als Pufferfläche für die obengenannten Schutzgebiete.

Aus diesen Gründen halte der Naturschutzbeirat die Aufhebung des Landschaftsschutzes und die Änderung des Landschaftsprogrammes mit den Zielen des Naturschutzes für nicht vereinbar.

Es wurden weiterhin von seiten der Bezirksregierung Weser-Ems, der Stadt Delmenhorst, der Architektenkammer Bremen und des Gesamtverbandes Naturund Umweltschutz Unterweser (GNUU) e. V. Anregungen und Bedenken vorgetragen. Außerdem wurden im Rahmen der öffentlichen Auslegung vier Einwendungen von privater Seite erhoben.

Die einzelnen Anregungen und Bedenken werden in Hauptthemen zusammengefasst:

1. Notwendigkeit der Erhaltung des wertvollen Lebensraumkomplexes (Landschaftsbild, Landwirtschaft) und Beibehaltung der Darstellungen des Landschaftsprogramms

Es sei darauf hinzuweisen, dass es Ziel der Darstellungen im rechtsgültigen Landschaftsprogramm sei, den Landschaftsraum Huchtinger Geest zu erhalten und zu entwickeln. Der vorgesehene Änderungsbereich besitze Bedeutung hinsichtlich einer besonderen Eignung für Erholungsnutzungen wie Reiten und Spazierengehen und als Teil eines Freiraumkeils und der Frischluftschneise Ochtumniederung bei Brokhuchting. Das Bauvorhaben sei so bemessen, dass wesentliche Erhaltungs- und Entwicklungsziele des Landschaftsprogramms in diesem letzten noch nicht überbauten Teil der Huchtinger Vorgeest nicht mehr aufrechterhalten werden könnten. Eine Umsetzung dieser Ziele an anderer Stelle oder ein Ausgleich verlorengehender Funktionen sei nicht möglich, so dass das Änderungsverfahren mit einer nachhaltigen Verschlechterung bzw. Schädigung des betroffenen Landschaftsraumes verbunden sei. Die Entwertung des Landschaftsbildes würde noch weit über den Änderungsbereich hinaus in die Ochtumniederung wirken.

Die Ochtumniederung bilde einschließlich ihrer Zuflüsse einen zusammenhängenden wertvollen Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, insbesondere für Wiesen-, Wat- und Wasservögel als Brut und Rastgebiet.

Dies sei auch die Zielrichtung umfangreicher Kompensationsmaßnahmen gewesen, die seit 15 Jahren dort durchgeführt worden seien. Es habe insbesondere die Anlage großer winterlicher Überflutungsflächen bewirkt, dass sich seit Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts ein überregional bedeutsamer Vogelrast- und Brutplatz herausgebildet habe. Der Bereich unterliege der europäischen Vogelschutzrichtlinie und der unmittelbar angrenzende Bereich seit 15. Dezember 1998 der Naturschutzgebietsverordnung Ochtumniederung bei Brokhuchting. Dies alles seien Schritte, den mit Millionenaufwand in Brokhuchting entwickelten Naturschutzschwerpunkt dauerhaft zu erhalten.

Es sei zu befürchten, dass die geplante Bebauung zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieser Schutzgüter führen werde, wie dies der Gutachter Prof. Dr. Schreiber auch entsprechend zutreffend eingeschätzt habe.

Zudem stehe die geplante Siedlungsfläche nicht im Einklang mit niedersächsischen Planungen, nämlich dem Landschaftsrahmenplan der Stadt Delmenhorst, der die Freihaltung der Niederung und die Ausweisung von Schutzgebieten vorsehe.

In Folge seien weitere Wohnungsbauplanungen entlang der Bahnlinie zu befürchten.

Die Varreler Bäke sei Bestandteil des niedersächsischen Fließgewässerschutzsystems. Diese Gewässer seien so zu schützen und zu renaturieren, dass sich die unter naturnahen Bedingungen typische Arten- und Biotopvielfalt auf ihrer gesamten Fließstrecke wieder einstellen könne. Aufgrund der geplanten Wohnbebauung sei zu befürchten, dass einerseits die gewünschte Renaturierung verhindert werde, und zudem andererseits der sich zurzeit bereits naturfern darstellende strukturelle Fließgewässerzustand aufgrund der Erfordernisse des Hochwasserschutzes noch weiter ausgebaut werde. Die Umsetzung des niedersächsischen Fließgewässersystems werde somit an der Varreler Bäke empfindlich in Frage gestellt.

Der Grüngürtel Brokhuchting stelle ein Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet dar und besitze somit eine Ausgleichsfunktion zu den Siedlungsgebieten.