Überkapazität im offenen Vollzug

Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt:

Frage 1. Laut Belegungsstatistik Januar 2006 standen im offenen Vollzug insgesamt 681

Haftplätze zur Verfügung, die durchschnittlich mit 317 Häftlingen belegt waren.

Wie haben sich diese Daten seit 1998 entwickelt? Durch die zum Abbau der Überbelegung geschaffenen Programme, nämlich

- das Direkteinweisungsverfahren (d.h. Gefangene die sich nach der Urteilsverkündung auf freiem Fuß befunden haben, wurden unabhängig von ihrer Straftat direkt in den offenen Vollzug geladen) und

- das Kurzstrafenprogramm (d.h., dass wegen der Überbelegung der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I und der Nichtauslastung der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV - Gustav-Radbruch-Haus - die Regelung getroffen wurde, Gefangene mit kurzen Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen bei einer Vollzugsdauer bis zu 3 Monaten in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV unterzubringen), wurde vorübergehend eine noch höhere Überbelegungsquote vermieden.

Zeitgleich stieg jedoch die Zahl der Missbräuche im offenen Vollzug an.

Diese außerordentlich unerfreuliche Tendenz führte 1999 nach Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die neue Landesregierung dazu, dass umgehend die Bemühungen zur Schaffung neuer, bedarfsorientierter Haftplätze im geschlossenen Vollzug zum Abbau der dortigen Überbelegung deutlich verstärkt wurden.

Angesichts der nach der Öffnung der Grenzen in Richtung Osten veränderten Klientel der Gefangenen mit u.a. höherer Gewaltbereitschaft bestand nämlich ein deutlich höherer Bedarf an Haftplätzen vor allem im geschlossenen Erwachsenenvollzug. Dagegen war bei einer großen Zahl von Gefangenen eine Eignung für den offenen Vollzug nicht mehr festzustellen.

Frage 2. Bis zu welchem Zeitpunkt möchte die Landesregierung die Überkapazität im offenen Vollzug vollständig abbauen?

Nach Abschluss der Föderalismusreform liegt die Gesetzgebungskompetenz für den Erwachsenen- und den Jugendstrafvollzug bei den Ländern. Im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten des Hessischen Ministeriums der Justiz in diesen Bereichen wird zu prüfen sein, inwieweit und in welcher konkreten Ausgestaltung der offene Vollzug in das Gesamtkonzept einer modernen, die Resozialisierung der Straftäter und die Sicherheit der Bevölkerung gleichrangig verfolgenden Strafvollzugsgesetzgebung zu integrieren ist. Erst nach Klärung dieser Frage wird eine Entscheidung zum weiteren Umgang mit den Kapazitäten des offenen Vollzuges fallen.

Frage 3. Welche konkreten Maßnahmen sind kurz- und mittelfristig geplant, um die Überkapazität im offenen Vollzug weiter abzubauen?

Der offene Vollzug in Nordhessen verfügte bis zum Jahr 2003 über 5 Standorte (Hafenstraße, Baunatal, Aspenstraße, Vollmarshausen sowie Schwalmstadt). Als kurzfristige Maßnahme wurde der offene Vollzug in Nordhessen

- beginnend ab 1.1.2004 - auf 2 Standorte (die Einrichtungen Baunatal und Vollmarshausen) konzentriert. Die Standorte Hafenstraße, Aspenstraße und Schwalmstadt (Alte Apotheke) wurden zum Jahresende 2003 geschlossen.

Die Schließung von Vollmarshausen erfolgt noch in diesem Jahr (nach Abschluss der Umbauarbeiten in Baunatal).

Mit dem Ausbau in Baunatal stehen dann in Kassel 120 Haftplätze im offenen Vollzug zur Verfügung.

Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung das "Programm für eine bedarfsorientierte Konzentration des offenen Vollzuges in Hessen", ist eine Weiterführung Neuauflage des Programms geplant?

Der Bedarf an Haftplätzen des offenen Vollzuges ist seit Jahren zurückgegangen. Deshalb wurden die Veränderungen, wie in der Antwort zu Frage 3 dargestellt, vorgenommen. Für die weitere Zukunft gilt das zu Frage 2 Ausgeführte.