Parallelausschreibung

Aufgrund der Vorgehensweise der Parallelausschreibung mussten für den Bereich Hochbau einschließlich technischer Anlagen ungefähr 500 bis 600 Angebote ausgewertet werden.

Im Rahmen der Bewertung der Angebote galt es, sowohl die Hauptangebote als auch die Nebenangebote der Generalunternehmer-Angebote mit der Summe der Einzelangebote zu vergleichen. Erschwerend kam hinzu, dass ab dem 1. Februar 2001 die neue Verdingungsordnung für Bauleistungen 2000 in Kraft getreten war und ab diesem Zeitpunkt öffentliche Auftraggeber ­ dazu zählte auch die Großmarkt Bremen ­ verpflichtet waren, nach Maßgabe des GWB §§ 102 ff. Rechtsschutz zu gewähren. Zusätzliche Probleme bereitete, dass die gesetzlichen Bestimmungen zwar erlassen worden waren, aber die entsprechenden Kommentare und gerichtlichen Entscheidungen dazu weitestgehend noch nicht zur Verfügung standen.

Viele Angebote entsprachen in ihrer Form nicht den neuen Vergabebestimmungen, so dass zahlreiche Fragen auftauchten, in welcher Weise mit dieser Problematik zu verfahren war.

Aufgrund dieser Umstände bediente sich die Großmarkt Bremen für die Phase der Vorbereitung und Durchführung der Vergaben der Dienstleistung des Rechtsanwalts- und Notarbüros Zahn & Huflaender als ausgewiesenen Experten im Vergaberecht. Die Aufgabe des Rechtsanwaltes Huflaender war es, die Großmarkt Bremen bei der Abwicklung des Bauvorhabens zu beraten und im Rahmen dieser Beratung zu bestimmten vergaberechtlichen Fragen Empfehlungen unter rein juristischen Gesichtspunkten auszusprechen.

Nach Aussagen des Geschäftsführers der Großmarkt Bremen Herrn Kluge, waren diese Empfehlungen für ihn die entscheidende Instanz. Letztendlich ist er immer dem Rat des Rechtsanwalts gefolgt.

Der Fokus im Rahmen der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses Bau und Immobilien lag auf der Vergabe der Rohbauarbeiten: VE 07 Rohbau Großmarkthalle VE 08 Rohbau Spezialitätenhalle VE 09 Rohbau Distributionshalle Hameico VE 10 Rohbau Distributionshallen I-IV VE 11 Rohbau Serviceeinrichtungen.

Die Firma Zechbau hatte zu allen fünf Vergabeeinheiten des Rohbaus, VE 07 bis VE 11, jeweils ein separates Angebot abgegeben. Jedes dieser Angebotsschreiben enthielt den Satz: Bei unserer Kalkulation sind wir davon ausgegangen, dass die Vergabeeinheiten VE 07 bis VE 11 als Gesamtpaket vergeben werden.

Auch die Bietergemeinschaft Wilbers/Neumann hatte jeweils ein Hauptangebot für die Vergabeeinheiten 07 bis 11 abgegeben sowie in Nebenangeboten Preis835 PUA 222/24 nachlässe in Abhängigkeit von der Vergabe einer oder mehrerer Vergabeeinheiten gewährt.

Die Firma Dyckerhoff & Widmann AG (DYWIDAG) hatte parallel Einzelangebote für die Vergabeeinheiten 07 bis 11 sowie Generalunternehmer-Angebote für die objektgruppenbezogenen Vergabeeinheiten 02 bis 06 abgegeben.

Zusätzlich unterbreitete sie im Rahmen eines Generalunternehmer-Nebenangebotes ein Gesamtangebot (für fast alle Vergabeeinheiten) zu einem Pauschalpreis inklusive Fabrikatsfreigabe.

Am 29. Juni 2001 fand ein Gespräch zwischen der Großmarkt Bremen Herrn Kluge, seinen Beratern, Herrn Huflaender und Herrn Behnken, sowie dem Wirtschaftsressort, Herrn Timm und Herrn Zedel, zum Stand der Prüfung und Wertung der einzelnen Angebote für die Vergabeeinheiten 02 bis 46 statt.

Insgesamt konnte festgestellt werden, dass die Ergebnisse der Generalunternehmer-Angebote deutlich über der Summe der entsprechenden Einzelangebote lagen.

Das Generalunternehmer-Nebenangebot der Firma DYWIDAG war netto 4,1 % teurer als die Summe der Einzelvergaben. Neben diesem Aspekt gab es aber noch weitere Gründe, warum dieses Generalunternehmer-Angebot nicht gewertet werden konnte:

Auch bei der Beurteilung dieses Nebenangebotes stellte sich zunächst die grundlegende Frage, ob das Angebot eines Generalunternehmers, bei dem eine so große Vielzahl von Leistungen zusammengefasst waren, grundsätzlich wirtschaftliche Vorteile gegenüber der Vergabe einer Vielzahl von Einzelbietern brachte. Die Beurteilung dieser Frage war äußerst streitig. Zum Teil wurde vertreten, dass bei einer Generalunternehmervergabe größere Terminsicherheit bestünde und das Risiko etwaiger Behinderungen der Einzelfirmen untereinander nicht mehr im Risikobereich des Auftraggebers sondern des Auftragnehmers liege. Zudem ginge auch das gesamte übrige Koordinierungsrisiko weitgehend auf den Auftragnehmer über.

Andererseits hatte der Auftraggeber mit der Ausschreibung die grundsätzliche Wertungsentscheidung getroffen, dass die Einzelvergabe sowie die Generalunternehmervergabe zusammengefasster Vergabeeinheiten gleichermaßen in Betracht kommen konnten. D. h., er hatte zu keinem Zeitpunkt in den Ausschreibungsunterlagen erkennen lassen, dass er bei Preisgleichheit oder geringen Preisunterschieden dem Gesamtangebot eines Generalunternehmers oder den zusammengefassten Angeboten von Generalunternehmern den Vorrang einräumen würde. Insbesondere wurde nirgendwo kenntlich gemacht, auf welche Weise eine etwaiger Unterschied zu bewerten wäre. Sowohl der Gleichbehandlungsgrundsatz als auch das Transparenzgebot erforderten somit, dass nicht nachträglich und für die Bieter nicht erkennbar der einen oder anderen Vergabeart ein Vorrang eingeräumt wurde.

Darüber hinaus waren bei der Wertung das DYWIDAG-Nebenangebotes auch noch die nachfolgenden Aspekte hinsichtlich des angebotenen Pauschalpreises zu bewerten:

Nach Darstellung der ausschreibenden Planer war vorhersehbar, dass die Einzelheiten der Leistungsbeschreibung aufgrund der Anforderungen der künftigen Mieter bereits während der Bauausführung in Einzelpunkten aktualisiert und detailliert werden mussten. Somit war vorhersehbar, dass ein Teil der ausgeschriebenen Teilleistungen in einem etwas abweichendem Umfang oder in anderer Gestaltung zur Ausführung kommen würden. Dieser Situation wurde die nach dem Ausschreibungsunterlagen für die Hauptangebote gewählte Ausschreibungsart der abgefragten Einheitspreise zu konkreten Leistungspositionen gerecht, bei der eine Vergütung ausschließlich anhand der tatsächlich erbrachten Massen erfolgte. Massenreduzierungen in einigen Bereichen sowie Massenerhöhungen in anderen Bereichen ließen sich dadurch einfacher handhaben. Da diese Probleme nichts Ungewöhnliches waren, hatte der Generalplaner BT Bau und Technik zweckmäßigerweise in die im Leistungsverzeichnis berechneten Massen und ausgewiesenen Lohn- und Gerätestunden eine Massenreserve in Höhe von insgesamt ca. 5 % einkalkuliert.

Das hier zu beurteilende Nebenangebot des Bieters DYWIDAG beinhaltete aber als Bedingung einen Pauschalpreis auf der Grundlage sämtlicher im Leistungsverzeichnis genannten Massen. Diese Bedingung wurde den Anforderungen des Auftraggebers für dieses Bauvorhaben in der gegebenen Situation nur bedingt gerecht. Aus baufachlicher Sicht musste der sich daraus ergebende wirtschaftliche Nachteil gegenüber einer Abrechnung nach konkretem Aufmaß mit mindesten 2,5 bis 3 % der Angebotssumme kalkuliert werden. Um mindestens diesen Wert musste also die nominale Angebotssumme der DYWIDAG zum Zwecke des Vergleiches heraufgesetzt werden.

Als weitere Bedingung war an dieses Nebenangebot die Fabrikatsfreigabe geknüpft.

Dabei ging der Auftraggeber davon aus, dass seitens DYWIDAG nicht eine völlige Fabrikatsfreigabe gemeint sein konnte, weil eine solche Forderung zur Nichtwertung des Angebots führen würde. Vielmehr interpretierte der Auftraggeber diese Bedingung in dem Sinne, dass gleichwertige Fabrikate angeboten wurden, ohne dass sich jedoch der Bieter bereits bei Angebotsabgabe auf ein Fabrikat festlegen wollte. In dem Nebenangebot bestand jedoch keinerlei Festlegung, bis zu welchem Zeitpunkt sich der Bieter auf ein bestimmtes Fabrikat festlegen würde.

Eine Festlegung auf ein Fabrikat müsste allerdings so rechtzeitig erfolgen, dass dem Auftraggeber durch die von ihm beauftragten Fachleute eine Prüfung der Gleichwertigkeit der Fabrikate bis zur endgültigen Einbauentscheidung ermöglicht würde. Während die DYWIDAG diese Bedingung vermutlich gewählt hatte, um sich gegenüber einer Festlegung auf bestimmte Fabrikate einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, barg eine solche Handhabung jedoch erhebliche Risiken für den Auftraggeber. Aus diesem Grund war dieser Nachteil für den Auftraggeber mit einem Risikozuschlag zu bewerten. Insgesamt war ca. ein Auftragsvolumen von ca. 16,7 Millionen DM netto (1/3 der Angebotssumme) von der Fabrikatsfreigabe betroffen. Der sich aus der Fabrikatsfreigabe ergebende Nachteil für den Auftraggeber musste wirtschaftlich mit mindestens 5 % auf das vorbezeichnete Auftragsvolumen bewertet werden. Damit ergab sich auf die von diesem Nebenangebot insgesamt erfasste Auftragssumme ein umgerechneter weiterer Risikoaufschlag in Höhe von ca. 1,7 %.

Unter Berücksichtigung aller zuvor genannten Bedingungen erwies sich das Nebenangebot der Firma DYWIDAG gegenüber einer Vergabe an die Bieter der Einzelvergabeeinheiten als eindeutig unwirtschaftlicher.

Hinsichtlich der Angebote der Firma Zechbau stellte sich die Frage, ob diese als Einzelangebote für die Vergabeeinheiten 07 bis 11 zu werten waren oder ob die Firma Zechbau nur unter der Bedingung angeboten hatte, dass sie gleichzeitig den Zuschlag für alle Rohbauarbeiten erhielt. Nach langer Diskussion entschied man sich dafür, das Zechbau-Angebot als Gesamtpaket zu werten. Da es in dieser Form von der Ausschreibung abwich, konnte es nur als Nebenangebot in die Wertung genommen werden. Nach dem derzeitigen Stand der Auswertungen der Einzelangebote Rohbau durch die BT Bau und Technik war die Firma Zechbau jedoch in der Summe aller Vergabeeinheiten nicht der günstigste Bieter. Weiterhin waren nicht alle Vergabeeinheiten der Firma Zechbau die kostengünstigsten, sondern nur die Großmarkthalle (VE 07) und die Spezialitätenhalle (VE 08). Im Bereich der Vergabeeinheiten Rohbau Distributionshalle Hameico (VE 08) und Distributionshallen I-IV (VE 09) war die Bietergemeinschaft Wilbers/Neumann günstiger, und für die Vergabeeinheit Rohbau Serviceeinrichtungen (VE 11) war die Firma Alfred Döpker & Co. KG der günstigste Bieter. Insofern sollte das Angebot der Firma Zechbau zwar als Nebenangebot gewertet werden. Eine Vergabe war jedoch hieraus weder im Hinblick auf die einzelnen Vergabeeinheiten noch als Gesamtvergabe Rohbau möglich.