Geplante Müllverbrennungsanlage in Witzenhausen

Im Papierwerk SCA Witzenhausen wird zurzeit eine Verbrennungsanlage geplant.

In der Anlage sollen pro Jahr zwischen 120.000 t und 150.000 t Trockenstabilat sowie Restmüll, Klärschlämme und Abfallstoffe aus der Papierproduktion verbrannt werden

Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Was waren die Gründe für die Standortentscheidung in Witzenhausen?

Die Firma SCA GmbH betreibt in Witzenhausen eine Anlage zur Herstellung von Papier. Zur Deckung des Energiebedarfs dieser Anlage in Form von Dampf und Strom wird als Nebeneinrichtung an diesem Standort derzeit bereits ein Heizkraftwerk betrieben.

Da die Kapazität des Heizkraftwerks zukünftig nicht mehr ausreichen wird und darüber hinaus mittelfristig eine Generalüberholung notwendig ist, hat sich die Betreiberin entschieden, das an diesem Standort bestehende Heizkraftwerk durch einen weiteren Kraftwerksblock zu ergänzen.

Frage 2. Welche Vorbelastungen bestehen in diesem Gebiet?

Gesonderte Untersuchungen zur allgemeinen Vorbelastung wurden nicht durchgeführt, da keine Hinweise für eine außergewöhnliche Belastung in diesem Gebiet vorliegen. Messungen der Vorbelastung durch Luftschadstoffe waren gemäß Ziff. 4.1 Buchst. c TA Luft nicht erforderlich, weil die entstehende Zusatzbelastung als irrelevant prognostiziert wurde.

Frage 3. Welche negativen Folgen sind mit Inbetriebnahme der Verbrennungsanlage zu erwarten, z. B. Emissionen durch die Verbrennung, Verkehrbelastung durch LKWVerkehr, Betriebsstörungen?

Die Inbetriebnahme des neuen Heizkraftwerks ist nur möglich, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 BImSchG vorliegen. Hierdurch ist die Einhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt gewährleistet.

Umwelteinwirkungen, die über die Grenzen des gesetzlich zulässigen hinausgehen, sind bei dem genehmigungskonformen Betrieb des Heizkraftwerks auszuschließen.

Nachfolgend sind die prognostizierten Umweltauswirkungen durch das Vorhaben aus den Bereichen Immissionen, Anlagenlärm und Verkehr zusammengestellt.

Immissionen an Luftschadstoffen bei bestimmungsgemäßen Betrieb

Beim Betrieb des Heizkraftwerks sind die in § 5 der 17. BImSchV festgelegten Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Aus diesen Emissionsgrenzwerten ergeben sich die in der Anlage 1 dargestellten maximalen Zusatzbelastungen an Luftschadstoffen im Einwirkungsbereich des Heizkraftwerks. Die prognostizierte Zusatzbelastung unterschreitet bei allen Parametern deutlich die Werte nach der TA Luft definierten irrelevanten Zusatzbelastung.

Anlagenlärm

Zur Bewertung des Anlagenlärms wurden in Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde Immissionsaufpunkte im Umfeld des Heizkraftwerks festgelegt. Nach der Prognose unterschreitet der zu erwartende Anlagenlärm an allen Aufpunkten die Immissionsrichtwerte der TA Lärm.

Prognostizierter Verkehr

Das Vorhaben bedingt einen zusätzlichen Verkehr von ca. 70 Lastkraftwagen pro Tag, was mit Leerfahrten ca. 140 Fahrzeugbewegungen ergibt. Das tägliche Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße 451 liegt derzeit bei 6.728 Kraftfahrzeugen, wovon 485 Fahrzeuge Lastkraftwagen über 7,5 t sind.

Frage 4. Wurde für die Trockenstabilatanlage in Ludwigsau-Mecklar die Schienenanbindung überprüft und ist eine generelle Abwicklung über die Schiene nach Witzenhausen möglich?

Wenn nicht, was sind die Gründe hierfür?

Für das neue interkommunale Industriegebiet Mecklar-Meckbach existiert kein Gleisanschluss für Güterverkehr. Die Erschließung dieses Gebietes erfolgt über eine im Bau befindliche neue Kreisstraße. Vor diesem Hintergrund hat im immissionschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Trockenstabilatanlage eine Prüfung einer Schienenanbindung nicht stattgefunden. Darüber hinaus war die beantragte Andienung der Anlage über Lastkraftwagen genehmigungsfähig.

Die Abwicklung des Trockenstabilattransportes von der Anlage in MecklarMeckbach zum Heizkraftwerk nach Witzenhausen auf dem Schienenweg ist daher gegenwärtig nicht möglich.

Frage 5. Welche Alternativen wären für eine ordnungsgemäße Entsorgung auch ohne den Bau der Verbrennungsanlage möglich?

Das in der Trockenstabilatanlage Mecklar-Meckbach erzeugte Trockenstabilat kann in jeder dafür zugelassenen industriellen Feuerungsanlage wie Heizkraftwerken, Kraftwerken, Zementwerken etc. als Sekundärbrennstoff eingesetzt und damit energetisch verwertet werden. Trockenstabilat wird gegenwärtig z. B. in der Zementherstellung im Zementwerk Rüdersdorf und bei der Methanolherstellung in der "Schwarzen Pumpe" eingesetzt.

Frage 6. Aus welchen Gründen wurde der Erörterungstermin zur Verbrennungsanlage unterbrochen?

Obwohl für den Erörterungstermin aufgrund des großen Interesses der vielen Fragen und Einwendungen der Bevölkerung bereits drei Tage anberaumt worden waren, konnten nicht alle Einwendungstatbestände und Anträge aus dem Kreis der Einwender abschließend erörtert werden. Da die erforderlichen Räumlichkeiten für eine Verlängerung des Termins nicht zur Verfügung standen, musste die Erörterung der noch offenen Fragen zunächst unterbrochen werden.

Frage 7. Welche Stellungnahmen bzw. Gutachten haben die Betreiber noch zu erbringen?

Nachdem im Erörterungstermin die Richtigkeit einzelner Angaben in den Antragsunterlagen angezweifelt worden ist, wurde die Antragstellerin gebeten, folgende Unterlagen ergänzend nachzureichen:

- Überprüfung des verwendeten diagnostischen Windfeldmodells bezüglich seiner Eignung durch ein geeignetes Windfeldmodell, z. B. FITNAH sowie Überarbeitungen der vorliegenden Ausbreitungsrechnungen - bestehender Kamin und neuer Kamin - in Abhängigkeit von der Windfeldeignung.

- Ausbreitungsrechnung für den 140 m hohen Kamin des neuen Kraftwerkblocks unter Ansatz der nach Nomogramm der TA Luft ermittelten Mindesthöhe. Die Ergebnisse der Windfeldmodellprüfung sind entsprechend zu berücksichtigen.

- Angaben über die Gesamtbelastungen für die Aufpunktbereiche, an denen nach den Immissionsprognosen - Ansatz der nach TA Luft ermittelten Mindestkaminhöhen und Berücksichtigung der Ergebnisse der Windfeldmodellüberprüfung - die Irrelevanzkriterien für Einzelschadstoffe überschritten werden, sowohl für den alten als auch den neuen Kraftwerksblock.

- Geruchsimmissionsprognose unter Berücksichtigung der Klärschlammanlieferung, des Geruchstoffstroms der Rauchgase aus der Feuerung und den Ergebnissen der Windfeldüberprüfung.

- Ergänzung der vorgelegten Baumassenzahlberechnung durch eine Auflistung der Flurstücke als Buchgrundstücke mit detaillierter Berechnung der bestehenden Einzelbaukörper in m3 umbauter Raum.

- Konkretisierung der Angaben über die eingesetzten Ersatzbrennstoffe entsprechend den Anforderungen des § 4 a Abs. 3 9. BImSchV.

Frage 8. Aus welchen Gründen wurde der Erörterungstermin durchgeführt, obwohl den Behörden bekannt war, dass wichtige Unterlagen vom Betreiber fehlerhaft waren?

Die Antragsunterlagen wurden bereits vor Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung, gemeinsam mit den nach § 11 der 9. BImSchV zu beteiligenden Behörden, auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft und von der Antragstellerin entsprechend ergänzt. Die im Rahmen der Einwendungen vorgetragenen Zweifel an der Fehlerfreiheit der Antragsunterlagen wurden im Vorfeld des Erörterungstermins von den Fachbehörden geprüft. Diese Prüfung ergab, dass die geäußerten Zweifel einer ordnungsgemäßen Durchführung des anberaumten Erörterungstermins nicht entgegenstanden. Ob Zweifel tatsächlich begründet sind, wird überdies im laufenden Genehmigungsverfahren geprüft.

Frage 9. Aus welchen Gründen wurde vom Staatlichen Umweltamt die Auslegungszeit in die Osterferien gelegt?

Nach § 8 Abs. 1 der 9. BImSchV hat die Genehmigungsbehörde ein Vorhaben öffentlich bekannt zu machen, wenn die zur Auslegung erforderlichen Unterlagen nach § 10 der 9. BImSchV vollständig sind.

Zwischen Bekanntmachung und Beginn der Auslegung soll eine Woche liegen, woran sich dann die Fristen für Auslegung und die Einwendung anschließen.

Durch diesen Zeitablauf lag der Auslegungszeitraum zum Teil, nämlich vom 5. April 2004 bis zum 14. April 2004, in den Osterferien des Bundeslandes Hessen. Eine Verlegung der Auslegungszeit, um eine Überschneidung mit den Osterferien auszuschließen, hätte eine unverhältnismäßige Verfahrensverzögerung bedeutet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Ferienzeiten nicht als Schutz- oder Sperrfristen für derartige Verfahrensschritte gelten.

Frage 10. Ist es richtig, dass trotz des Umweltinformationsgesetzes den Bürgerinnen und Bürgern ein Kopierverbot erteilt wurde?

Was ist die rechtliche Grundlage hierfür?

Es ist nicht richtig, dass den Bürgerinnen und Bürgern aus dem Umweltinformationsgesetz (UIG) resultierende Kopierrechte verweigert wurden. Alle Anträge nach § 5 UIG - Informationen über die Umwelt - oder nach § 10a der 9. BImSchV - Akteneinsicht - wurden positiv entschieden. Den Antragstellern wurden die Informationen entsprechend der gesetzlichen Regelungen zur Verfügung gestellt.

Nach § 10 Abs. 2 der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes lagen für Interessierte an jedem Auslegungsort Kopien der ausführlichen Kurzbeschreibung zur Mitnahme aus.

Frage 11. Sind aufgrund der klimatischen Situation von den Genehmigungsbehörden Forderungen an die Filtertechnik erhoben worden, die über die 17. BImSchV hinausgehen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie verhält sich der Betreiber dazu?

Anforderungen zur Emissionsminderung, die über diejenigen der 17. BImSchV hinausgehen, können nur dann gestellt werden, wenn die Immis4sionssituation im Einwirkungsbereich des Heizkraftwerks dies erfordert. Da die notwendigen Prüfungen, insbesondere die Überprüfung der Immissionssituation unter Berücksichtigung der besonderen klimatischen Bedingungen, noch nicht abgeschlossen sind, können zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden.

Frage 12. Welche Maßnahmen wurden vonseiten der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die Schmiergeldaffären beim Bau von Müllbehandlungsanlagen in NRW (Urteil des Kölner Landgerichts zum Bestechungsskandal) getroffen, um eine objektive Entscheidungsfindung nicht durch Korruption und Begünstigung zu behindern?

Zur Klarstellung der unterschiedlichen Sachverhalte ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Bau der Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein Westfalen von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausgeschrieben worden ist. Die in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Korruptionsfälle betreffen unter anderem die Vorteilsnahme von politischen Mandatsund Amtsträgern, die mehr oder weniger Einfluss auf die Auftragsvergabe ausgeübt haben.

Im Gegensatz hierzu fallen die Planung und der Bau der neuen Kraftwerksanlage in Witzenhausen in die ausschließliche Zuständigkeit der SCA Witzenhausen, die ihre unternehmerischen Entscheidungen in eigener Verantwortlichkeit trifft. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anlass, besondere Maßnahmen zur Korruptionsvermeidung bzw. -bekämpfung zu ergreifen.