Veräußerung der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei an die Stadt Schlitz

Antrag der Landesregierung betreffend Veräußerung der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei an die Stadt Schlitz hier: Zustimmung zur Veräußerung durch den Hessischen Landtag nach § 64 Abs. 2 LHO

Dem Landtag wird der Antrag unterbreitet, der Veräußerung der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei an die Stadt Schlitz zum Kaufpreis von 225.000 zuzustimmen.

Begründung:

1. Vorbemerkung:

Die Schlitzer Kornbrennerei bildet seit Jahrzehnten einen Teilbetrieb der selbst bewirtschafteten Staatsdomäne Karlshof, die als kaufmännisch eingerichteter Landesbetrieb nach § 26 LHO geführt wird. Die Kornbrennerei wurde in 1993 um den Betriebszweig einer Edelobstbrennerei erweitert. Kornbrennerei und Edelobstbrennerei, mit einer breiten Produktpalette von Korn, Bränden und Likören sowie einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 2 Mio., stellen heute einen Betrieb dar, der die Tradition des Brennereistandortes Schlitz fortführt.

Die Grundstücke der Domäne Karlshof sind für das Land entbehrlich und sollen verkauft werden. In einem ersten Schritt sollen zunächst die Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei veräußert werden.

2. Wesentliche Verkaufsbedingungen

Von den Bietern wird die dauerhafte Fortführung des Betriebes am jetzigen Standort erwartet. Es soll verhindert werden, dass potenzielle Kaufbewerber des Betriebes nur an der Marke "Schlitz" interessiert sind und die Betriebsstätte schließen.

Im Rahmen der Veräußerung des Betriebes ist die Übernahme des Personals zu sichern. Betriebsbedingte Kündigungen sollen ebenso wie Änderungen der bestehenden tariflichen und außertariflichen Leistungen zum Nachteil der Beschäftigten bis zum 31. Dezember 2011 ausgeschlossen sein.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes (elf Arbeiter und Angestellte), die sämtlich Landesbedienstete sind, gelten die Tarifwerke für die Arbeiter und Angestellten der Landwirtschaft in Hessen. In Abweichung von diesen tariflichen Regelungen bzw. als außertarifliche Leistungen erhalten die Beschäftigten des Betriebes die nachstehenden für die Arbeiter und Angestellten des Landes Hessen im öffentlichen Dienst geltenden Leistungen:

- zusätzliche Altersversorgung (VBL),

- vermögenswirksame Leistungen,

- jährliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld),

- Erholungsurlaub nach beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Hessen,

- Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen.

3. Bewertung des Betriebes

Die die Jahresabschlüsse der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei prüfende Steuerberatungsgesellschaft Dr. Gemmeke GmbH, Hannover, hat am 26. Juli 2005 eine Bewertung des Betriebes erstellt.

Nach den Ausführungen der Dr. Gemmeke GmbH gibt es für die Ermittlung des Unternehmenswertes kein allgemein verbindliches Verfahren. Anwendbar sind Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren und Substanzwertverfahren. Die Aussagekraft eines vergleichenden Verfahrens entfällt wegen fehlender Übertragungen vergleichbarer Betriebe. Die Dr. Gemmeke GmbH hat den Unternehmenswert deshalb aus einer Kombination von Ertragswert- und Substanzwertverfahren ermittelt. Durch diese Kombination werden einerseits der Ertragswert, der den Hauptwert des Unternehmenswertes darstellt, sowie die vorhandene Unternehmenssubstanz in die Bewertung einbezogen.

Danach hat die Dr. Gemmeke GmbH einen Unternehmenswert von 1.000.000 ermittelt. In diesem Wert sind allerdings die Guthaben des Betriebes bei Kreditinstituten sowie auf dem Betriebsmittelkonto, das beim Ministerium der Finanzen (HCC) geführt wird, enthalten. Diese Guthaben betrugen zum der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Zeitpunkt 317.555. Da die Guthaben nicht auf den Käufer des Betriebes mit übertragen werden, ist der Unternehmenswert entsprechend zu bereinigen, sodass sich schließlich ein Gesamtunternehmenswert von 682.445 ergibt.

4. Öffentliche Ausbietung

Die für die Verwaltung der hessischen Staatsdomänen zuständige Hessische Landgesellschaft mbH (HLG) hat die Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei in der regionalen und überregionalen Presse sowie in Fachzeitschriften und im Internet zur Veräußerung öffentlich ausgeboten. An der Ausbietung haben sich 18 Interessenten beteiligt. Davon haben sieben Bewerber die konkreten Ausbietungsunterlagen angefordert und auch den Betrieb besichtigt. Schließlich wurden von drei Bewerbern konkrete Gebote abgegeben:

- Bieter 1: 300.000

- Bieter 2: 650.000

- Stadt Schlitz: 225.000.

Die Bewerber sind bereit, die Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei am jetzigen Standort mit den beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterzuführen.

5. Vergabe

Nach Auswertung der Gebote, weiterer Gespräche mit den Bewerbern und unter Berücksichtigung sowohl betrieblicher Belange als auch der für die Veräußerung maßgeblichen Bedingungen soll die Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei an die Stadt Schlitz zu dem von ihr abgegebenen Gebot veräußert werden. Der Betrieb soll zum 1. Oktober 2006 auf die Stadt übertragen werden. Im Einzelnen wird dazu ausgeführt:

Für die Stadt Schlitz hat die Kornbrennerei, die als älteste Brennerei Deutschlands, wenn nicht gar des Kontinents gilt, besondere Bedeutung. Seit 1585 wird in Schlitz Korn gebrannt. Die Brennerei gehört zur Jahrhunderte langen Schlitzer Geschichte und ist mit dem Schlitzerland und seinen Bewohnern fest verbunden. Sie ist ein Stück Heimat und Schlitzerländer Identität. Diese will die Stadt im geschichtlichen und kulturellen Bewusstsein und in der Verantwortung gegenüber vergangener Generationen erhalten wissen, zum Nutzen künftiger Generationen. Die Aufrechterhaltung der Brennerei bedeutet eine wichtige Komponente für das Ansehen der Region und der Stadt Schlitz. Die Stadt will deshalb den Weiterbestand des Betriebes und den Erhalt der bestehenden Arbeitsplätze sichern.

Die Stadt hat bestätigt, dass ihre kommunalen Bediensteten bei einer Zusatzversorgungskasse (ZVK) versichert sind, die Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen und kirchlichen Altersversorgung (AKA) e.V. ist. Der Erwerb der Kornbrennerei und Edelobstbrennerei durch die Stadt Schlitz hat nach einem zwischen AKA und VBL geschlossenen Überleitungsabkommen zur Folge, dass die Beschäftig ten des Betriebes durch die dort hinsichtlich der Erfüllung der Wartezeiten vereinbarte gegenseitige Anerkennung von Versicherungszeiten im Ergebnis so gestellt werden, als ob die Versicherung übergeleitet worden wäre. Nach Eintritt des Versicherungsfalles berechnet und zahlt dann jede Zusatzversorgungskasse die Betriebsrente aufgrund der bei ihr erworbenen Versorgungsanwartschaft eigenständig.

Für einen privaten Erwerber bestehen dagegen erhebliche Probleme bei der Fortführung der VBL-Zusatzversorgung:

Die VBL kann eine besondere Beteiligung eines privaten Betriebsinhabers an ihrem Zusatzversorgungssystem zulassen. Dies setzt den Abschluss einer besonderen Beteiligungsvereinbarung zwischen neuem Arbeitgeber und der VBL voraus. Eine besondere Beteiligungsvereinbarung ist allerdings nur möglich, wenn der VBL zur Absicherung etwaiger Insolvenzfolgen Sicherheit geleistet wird. Die Sicherheitsleistung kann u.a. durch eine Bürgschaft zur Absicherung eines (von der VBL im vorliegenden Fall geschätzten) Betrages von 921.000 erfolgen. Ferner ist ein Ausgleichsbetrag von (geschätzt) 591.000 zur anteiligen Finanzierung der Altlasten zu erbringen, falls nur der vom Land Hessen übernommene Personalbestand weiter in der Zusatzversorgung der VBL geführt wird. Hinzu kommen die Finanzierung von Fehlbeträgen aufgrund abnehmenden Versicherungsbestandes und der Gegenwert zur Deckung der bei Ausscheiden des letzten Arbeitnehmers aus der Zusatzversorgung noch zu zahlenden Renten/-anwartschaften.

Derzeit wird dieser Betrag bereits mit 215.000 geschätzt.

Mit den beiden privaten Bietern wurde diese Gesamtproblematik in einem besonderen Gespräch erörtert. Beide Bieter sehen sich zur Erfüllung der dargelegten Verpflichtungen aus der VBL-Zusatzversorgung nicht in der Lage und nahmen aus diesem Grund von ihrem Angebot Abstand.

Das Kaufangebot der Stadt Schlitz ist deshalb als einziges Gebot zu bewerten, das einen erfolgreichen und dauerhaften Fortbestand der Kornbrennerei und Edelobstbrennerei mit dem vorhandenen Personal gewährleisten kann. Es stellt mithin das Höchstgebot dar.

Für die Übertragung des Betriebes an die Stadt Schlitz spricht im Übrigen auch folgende Überlegung:

Die Veräußerung der Kornbrennerei und Edelobstbrennerei stellt einen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar mit der Folge, dass der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes, die sämtlich der Personalvermittlungsstelle (PVS) zur Vermittlung gemeldet sind, können jedoch dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen, sodass die bisherigen Arbeitsverhältnisse zum Land Hessen bestehen bleiben.

Hierzu haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes in einer Dienstversammlung mündlich erklärt, einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Stadt Schlitz zustimmen, auf einen privaten Erwerber dagegen widersprechen zu wollen. Im letzten Fall haben sie Zweifel an dem Erhalt ihrer Arbeitsplätze.

Ein Verkauf des Betriebes an einen privaten Bieter hätte zur Folge, dass das Land Hessen die Personalkosten für die bisher bei dem Betrieb Beschäftigten tragen müsste. Diese betragen zurzeit jährlich 271.652. Darin sind die Ausgaben für den derzeitigen Betriebsleiter wegen Erreichens seiner beruflichen Altersgrenze nicht eingeschlossen. Diese Personalausgaben wären bis zu einer anderweitigen Verwendung der Arbeiter und Angestellten im Landesdienst bzw. bis zu einer eventuell erfolgten betriebsbedingten Kündigung als zusätzliche Ausgaben aus dem Landeshaushalt zu bestreiten.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die erfolgreiche Fortführung der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei mindestens gefährden, wenn nicht sogar ausschließen würde.

Das in § 613a BGB vorgesehene Verfahren zur Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes wird durch das HMULV nach Zustimmung durch das Kabinett durchgeführt.

6. Wirtschaftliche Betätigung der Stadt Schlitz

Die Stadt will die Kornbrennerei und Edelobstbrennerei in der Rechtsform einer GmbH führen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes sollen Kommunalbedienstete und mittels Personalgestellungsvertrag der GmbH zur Dienstleistung überlassen werden.

Die Stadt Schlitz will bei der Betriebsführung mit der Stadt Hünfeld kooperieren. Beide Städte haben hierzu einen Vertrag geschlossen.

Gegenstand des Vertrages sind die von der Schlitzer Kornbrennerei in 1993 übernommenen Produkte der Spirituosenfirma F.C. Aha, Hünfeld. Die Stadt Hünfeld möchte die Aha-Produktrechte im Rahmen des Hünfelder Stadtmarketings nutzen.

Um auszuschließen, dass hierdurch von Bediensteten der Kornbrennerei und Edelobstbrennerei befürchtete negative Auswirkungen für den Betrieb eintreten, haben die Bürgermeister beider Städte ausdrücklich versichert, durch eine Modifizierung des Vertrages ihre uneingeschränkte Bereitschaft zu einer interkommunalen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer erfolgreichen und dauerhaften Fortführung und Weiterentwicklung des Schlitzer Unternehmens klarzustellen und zu verdeutlichen.

Für die wirtschaftliche Betätigung der Stadt müssen die rechtlichen Anforderungen des § 121 HGO erfüllt sein. Es muss begründet sein, weshalb die wirtschaftliche Betätigung nicht ebenso gut und wirtschaftlich von einem privaten Dritten erfüllt werden kann. Hierzu hat sich die Stadt Schlitz durch ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigen lassen, dass die wirtschaftliche Betätigung der Stadt mit der HGO vereinbar ist. Auch haben die zuständigen Industrie- und Handelskammern Gießen-Friedberg und Fulda am 5. Mai 2006 die nach § 121 HGO geforderte Stellungnahme mit einem positiven Ergebnis abgegeben. Schließlich hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Schlitz am 22. Mai 2006 dem Vorhaben einstimmig zugestimmt.

7. Die landwirtschaftliche Kornbrennerei der Domäne Karlshof ist mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 aus dem Branntweinmonopol ausgeschieden und in die Klasse der gewerblichen Brennereien übergetreten. Diese Maßnahme war zweckmäßig, weil die EU die Gewährung nationaler Beihilfen im Rahmen der landwirtschaftlichen Alkoholerzeugung seit langen kritisch bewertet und voraussichtlich nach dem Jahr 2010 nicht mehr zulassen wird. Aufgrund des Ausscheidens aus dem Branntweinmonopol erhält die Brennerei für fünf Betriebsjahre (von 2005/2006 bis 2009/2010) einen betriebsgebundenen Ausgleichsbetrag. Dieser beträgt jährlich 46.483,90 (902,6 hl Brennrecht x 51,50 /hl). Der Ausgleichsbetrag steht dem Betrieb zu, da ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Branntweinmonopol sämtliche bisher von der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Alkoholerzeugung gewährten Beihilfen entfallen.

Diese veränderte Situation beim Branntweinmonopol erfordert künftig für den Betrieb noch größere und zusätzliche Anstrengungen, um sich am Spirituosenmarkt zu behaupten.

8. Der in der öffentlichen Ausbietung geforderte Weiterbestand der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei und der Erhalt der Arbeitsplätze werden gesichert. Bei der Kaufpreisbemessung haben auch die von der Stadt vorgetragenen Unwägbarkeiten am Spirituosenmarkt mit der Tendenz rückläufiger Umsatzzahlen sowie der Wegfall der bisherigen Beihilfen der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ihren angemessenen Niederschlag gefunden. Insgesamt ist das Ergebnis sachgerecht.

9. Da es sich angesichts der in Nr. 5.1 geschilderten Umstände bei der Schlitzer Kornbrennerei und Edelobstbrennerei um eine Einrichtung von besonderer Bedeutung im Sinne der Nr. 5.8 VV zu § 64 LHO handelt, ist die Zustimmung des Landtags zum Verkauf erforderlich.