Betreutes Wohnen in Hessen

Der Landtag wolle beschließen:

1. Der Landtag begrüßt das entschiedene Bekenntnis des Hessischen Landkreistages und des Hessischen Städtetages, die Behindertenhilfe zum Wohle der Menschen mit Behinderung weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen.

2. Der Landtag begrüßt die Erfolge im Ausbau des Betreuten Wohnens, die in den letzten Jahren auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung und der daraus folgenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit des überörtlichen mit den örtlichen Sozialhilfeträgern erreicht wurden.

Unter Berücksichtigung einer Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) soll die Rahmenvereinbarung um ein Jahr verlängert werden.

3. Der Landtag schätzt die Arbeit der vertraglich bis Ende 2008 tätigen Fachkommission der beiden Kommunalen Spitzenverbände, des LWV Hessen, des Hessischen Sozialministeriums und der Liga der freien Wohlfahrtspflege und schlägt vor, diese unter Federführung des Landes über 2008 hinaus fortzuführen.

4. Die Landesregierung soll dafür Sorge tragen, dass das für die Sozialhilfe zuständige Fachressort den weiteren Umsetzungsprozess im Sinne einer Moderation und Mediation konsequent begleitet.

5. Um die weitere Entwicklung der Behindertenhilfe analysieren zu können, soll auch die halbjährliche Berichterstattung der Kreise und kreisfreien Städte sowie des LWV Hessen an die Fachkommission zur Umsetzung des Betreuten Wohnens nach 2008 auf der Grundlage abgestimmter Erhebungsmerkmale fortgeführt werden. Dabei sollen insbesondere auch die Herkunft und der Zugang zum Betreuten Wohnen genauer analysiert werden. Das Hessische Statistische Landesamt soll bei der Berichterstattung und der Evaluation miteinbezogen werden.

6. Der Landtag regt weiterhin an, die gemeinsame Besetzung und Beratungen der örtlichen Belegungs- und Hilfeplankonferenzen - wie dies in der Rahmenvereinbarung Betreutes Wohnen bis Ende 2008 vorgesehen ist - in allen 26 kommunalen Gebietskörperschaften mit einem Vertreter des LWV Hessen über 2008 hinaus vorzusehen.

7. Die für eine zukunftsorientierte individuelle Hilfegewährung bewährten Mittel der Gesamtplanung, Hilfeplanung und kommunalen Sozialplanung sollen bei der Umsetzung vor Ort besondere Berücksichtigung finden.

8. Der Landtag bittet die Landesregierung, über die Ergebnisse der in Kürze beginnenden Beratungen des Verfahrens zur Überleitung und Organisation der Aufgabe auf Verwaltungsebene zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem LWV Hessen Ende 2008 zu berichten.

9. Auf dieser Basis können alle in der Behindertenhilfe hoch engagierten beteiligten Spitzenverbände eine für die einzelnen behinderten Menschen zukunftsorientierte und qualitativ hochwertige Hilfe sicherstellen.

Zur Behandlung im Plenum vorgesehen

Begründung:

Nach § 14 Abs. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) des am 1. Januar 2009 in Kraft tretenden § 2 Abs. 1 Nr. 4 sind in Hessen die örtlichen Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig für die Gewährung der Eingliederungshilfe, der Unterbringung und Versorgung von behinderten Menschen in betreuten Wohnmöglichkeiten. Dies entspricht auch der Zuständigkeitssystematik des SGB XII für den Bereich der ambulanten Leistungen.

Die originäre Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte für das Betreute Wohnen ab 1. Januar 2009 ergibt sich jedoch neben dieser landesrechtlichen Regelung zusätzlich vertraglich aus der am 17. Dezember 2003 paraphierten und von allen 26 kommunalen Gebietskörperschaften durch Beitrittserklärung mit unterzeichneten "Vereinbarung zwischen dem Hessischen Sozialministerium, dem Hessischen Landkreistag, dem Hessischen Städtetag und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen über die Zuständigkeit, die Finanzierung und den landesweit gleichmäßigen Ausbau von Angeboten im Bereich des Betreuten Wohnens für behinderte Menschen im Lande Hessen bis zum 31. Dezember 2008". In § 5 dieser Vereinbarung haben sich die Vertragspartner verpflichtet, gemeinsam auf eine Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes mit der Maßgabe hinzuwirken, wonach die Zuständigkeit für die von dieser Vereinbarung betroffenen Maßnahmen ab dem 1. Januar 2009 bei den örtlichen Trägern der Sozialhilfe auch landesgesetzlich begründet wird. Dies ist in § 2 Abs. 1 Nr. 4 und § 14 Abs. 1 HAG/SGB XII geschehen.

Entgegen der Darstellung in der Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktion der SPD konnten landeseinheitliche Standards durch den LWV im Bereich der Eingliederungshilfe insgesamt nie erreicht werden. Für vergleichbare Leistungen werden (ohne Investitionskosten) flächendeckend seit Jahren unterschiedlich hohe Entgelte vom LWV entrichtet.

Die Rahmenvereinbarung zum Betreuten Wohnen enthält weder die Möglichkeit der Kündigung noch Kündigungsfristen. Nach dem wichtigsten Grundsatz des öffentlichen ebenso wie des privaten Vertragsrechts, "pacta sunt servanda" ("Verträge sind einzuhalten"), welcher das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und privaten Recht beschreibt, haben sich mithin die Vertragspartner besagter Rahmenvereinbarung an diese zu halten. Allenfalls sind einvernehmliche Änderungen möglich; dies jedoch nur mit unmittelbarer Zustimmung aller 26 kommunalen Gebietskörperschaften, welche der Rahmenvereinbarung zum Betreuten Wohnen per Unterschrift einzeln beigetreten sind, dem LWV Hessen und dem Land. Der Hessische Landkreistag spricht sich in seiner Stellungnahme klar und unmissverständlich gegen jegliche Änderung an der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung aus. Darüber hinaus greift der Gesetzentwurf sowohl in die Systematik des SGB XII als auch in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung ein. Sachliche Gründe, eine derartige gesetzliche Neuregelung entgegen einem einstimmig getroffenen Votum aller Vertragspartner durch das Land vorzunehmen, sind nicht erkennbar.

Eine Verlängerung der Zuständigkeit des LWV für das Betreute Wohnen über das Jahr 2009 hinaus erscheint auch unter den oben aufgeführten Rahmenbedingungen nicht sinnvoll und zukunftsweisend. Die Verwirklichung des Prinzips des SGB XII "Leistungen aus einer Hand" ist weiterhin anzustreben.

Abgesehen von inhaltlichen Fragen ist der Gesetzesentwurf auch in gesetzestechnischer Hinsicht nicht zustimmungsfähig. So müssten - folgt man der Intention der Antragsteller - neben den § 2 Abs. Satz 1 und § 14 Abs. 2 HAG/SGB XII ebenso § 14 Abs. 1 HAG/SGB XII und weitere notwendige Vorschriften bezüglich ergänzender Leistungen nach dem SGB XII geändert werden. Aufzunehmen wäre auch, dass das Hessische Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) bereits durch das Gesetz vom 14. Dezember 2006 (GVBl. I S. 666, 668) geändert wurde.