Überstellung Verurteilter zur weiteren Strafvollstreckung in ihrem Heimatland

Die Stärkung der inneren Sicherheit und die konsequente Rückendeckung für Polizei und Justiz sind ein Kernanliegen der Landesregierung.

Das derzeit gültige Überstellungsübereinkommen vom 21. März 1983 lässt die Überstellung Verurteilter zur weiteren Strafvollstreckung in ihrem Heimatland nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung zu. Demgegenüber verzichtet das von Deutschland und fast 30 anderen Staaten unterzeichnete Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 bei bestandskräftig ausreisepflichtigen Ausländern und in Fluchtfällen auf deren Zustimmung.

Um diese Regelung auch in Deutschland in Kraft zu setzen, müsste die Bundesregierung lediglich das Zusatzprotokoll ratifizieren und beim Europarat hinterlegen.

Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die jetzige Praxis der Bundesregierung hinsichtlich der Überstellung Verurteilter zur weiteren Strafvollstreckung in ihrem Heimatland?

Durch das Verhalten der Bundesregierung wird die mit dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen eröffnete Möglichkeit der Intensivierung des Vollstreckungshilfeverkehrs mit dem Ausland verhindert. Damit wird den Landesregierungen die dringend notwendige Entlastung des Strafvollzugs unmöglich gemacht.

Zugleich wird dadurch den ausländischen Verurteilten die Möglichkeit der Teilnahme an Resozialisierungsmaßnahmen in demjenigen Land genommen, in welches sie nach vollständiger Strafverbüßung aufgrund der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung ohnehin abgeschoben werden.

Frage 2. Sind der Landesregierung Gründe bekannt, warum die Bundesregierung seit dem 18. Dezember 1997 nicht das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen ratifiziert und beim Europarat hinterlegt hat, sodass auch entsprechend Verurteilte ohne ausdrückliche Zustimmung zur weiteren Strafvollstreckung in ihr Heimatland ausgewiesen werden können?

Die Bundesregierung vertritt im Gegensatz zur Hessischen Landesregierung die Rechtsauffassung, dass eine Ratifizierung des Vertragsgesetzes zum Zusatzprotokoll ohne vorherige Verabschiedung eines Ausführungsgesetzes zu erheblichen rechtlichen Problemen führen würde. Ein entsprechender Entwurf der Bundesregierung für ein Ausführungsgesetz zum Zusatzprotokoll ist in der letzten Legislaturperiode zwar vorgelegt worden. Der Bundesrat hat dagegen aber Einspruch eingelegt, weil in dem Entwurf die Möglichkeiten der Überstellung nur unzureichend ausgenutzt worden sind. Der Gesetzentwurf unterfiel der Diskontinuität. Seither ist kein neuer Gesetzentwurf von der Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Grund dafür dürften Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Koalitionspartner hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Gesetzes sein.

Frage 3. Wie hoch ist die Zahl der Verurteilten, die mit ausdrücklicher Zustimmung zur weiteren Strafvollstreckung in ihr jeweiliges Heimatland ausgewiesen wurden?

Im Jahr 2002 wurden sieben ausländische Verurteilte, im Jahr 2003 wurden zehn ausländische Verurteilte in ihren Heimatstaat zur weiteren Strafvollstreckung überstellt.

Frage 4. Wie viele Verurteilte hätten in den Jahren 2002 und 2003 allein in Hessen bei Ratifizierung und Hinterlegen des Zusatzprotokolls beim Europarat zur weiteren Strafvollstreckung in ihr Heimatland ausgewiesen werden können?

Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, weil hierzu für die genannten Jahre und unter Berücksichtigung des jeweils aktuellen Ratifizierungsstandes der einzelnen Signatarstaaten Erhebungen zu der Nationalität eines jeden Gefangenen, dem Vorhandensein einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung sowie der Strafhöhe erforderlich wären, die nur durch eine Sichtung jeder einzelnen Personalakte sowie unter Beteiligung der jeweils zuständigen Ausländerbehörden über das Hessische Ministerium des Innern und für Sport erfolgen könnten. Dies ist in einem vertretbaren Arbeits- und Zeitaufwand nicht zu leisten.

Darüber hinaus besteht aus Datenschutzgründen innerhalb des VollzugsEDV-Systems BASIS kein Zugang mehr zu Daten aus dem Jahr 2002.

Unter Berücksichtigung dieser Vorbemerkung kann die Frage wie folgt beantwortet werden:

Im Jahre 2003 hätten maximal 229 Gefangene in ihren Heimatstaat überstellt werden können, sofern auch die weiteren, nach dem Zusatzprotokoll verlangten Voraussetzungen (insbesondere Bestandskraft der Ausweisungsverfügung) erfüllt gewesen wären.

Frage 5. Liegen der Landesregierung Zahlen vor, inwieweit der Steuerzahler finanziell entlastet worden wäre, sofern die betroffenen Verurteilen in ihr jeweiliges Heimatland ausgewiesen worden wären und ihre Haftstrafe nicht in hessischen Gefängnissen verbüßt hätten?

Auch diese Frage kann aus den in der Antwort zu Frage 4 genannten Gründen nicht verlässlich beantwortet werden. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Mehrzahl der Betroffenen ohnehin nach Verbüßung der Hälfte oder 2/3 der ausgeurteilten Strafe unter Absehung von der weiteren Strafvollstreckung nach § 456a Strafprozessordnung in ihren Heimatstaat abgeschoben wird bzw. abgeschoben worden wäre, sodass für die Berechnung ohnehin nur der Zeitraum zwischen möglicher Überstellung und dem Zeitpunkt eines Absehens von der weiteren Vollstreckung in Ansatz gebracht werden könnte.

Unter Zugrundelegung eines Haftkostenbetrages von ca. 105 pro Hafttag könnten bei 229 möglicherweise zu überstellenden Gefangenen bis zum Zeitpunkt der nach § 456a Strafprozessordnung möglichen Abschiebung täglich 24.045 eingespart werden.

Frage 6. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, wann die Bundesregierung das Zusatzprotokoll ratifizieren und beim Europarat hinterlegen wird?

Die Bundesregierung wird das Zusatzprotokoll erst ratifizieren, wenn ein Ausführungsgesetz zum Zusatzprotokoll verabschiedet ist.

Frage 7. Gibt es Bemühungen der Landesregierung oder anderer Landesregierungen, eine Entscheidung in der Problematik von verurteilten Ausländern und deren weiteren Strafvollstreckung im jeweiligen Heimatland herbeizuführen?

Die Landesregierung setzt sich bereits seit Jahren dafür ein, den Vollstreckungshilfeverkehr mit dem Ausland zu intensivieren und die Möglichkeiten der Überstellung ausländischer Strafgefangener zu erweitern.

So werden regelmäßig - auch auf Betreiben der Landesregierung - Beschlüsse der Justizministerkonferenz herbeigeführt, mit welchen die Bundesministerin der Justiz zu einem raschen Handeln aufgefordert wird. Zuletzt ist dies durch die Beschlüsse vom 14. November 2002 sowie vom 6. November 2003 geschehen. Darüber hinaus haben sowohl der Hessische Minister der Justiz im Januar des vergangenen Jahres als auch die Niedersächsische Ministerin der Justiz im März letzten Jahres die Bundesministerin durch ein persönliches Schreiben dringend um eilige Ratifizierung des Zusatzprotokolls gebeten. Die Landesregierung wird sich auch zukünftig dafür einsetzen, dass die Bundesministerin die erforderlichen Maßnahmen veranlasst, damit das Zusatzprotokoll nunmehr endlich angewendet werden kann.

Der Bundesrat hat bereits am 8. November 2002 eine Entschließung gefasst, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, das Vertragsgesetz zügig zu ratifizieren, insbesondere kein Junktim zwischen dem Gesetz zu dem Zusatzprotokoll und einem noch zu verabschiedenden Ausführungsgesetz herzustellen.