Spätaussiedler in Hessen

Vorbemerkung der Fragesteller: Hessen hat in den vergangenen Jahren mehrere Zehntausend Spätaussiedler vor allem aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion aufgenommen. Diese Menschen gilt es als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren, damit sie bei uns eine neue Heimat finden.

Mit der Großen Anfrage soll die Situation der in Hessen lebenden Spätaussiedler im Hinblick auf ihre Integration näher beleuchtet werden, Stärken und Schwachstellen erörtert und Hinweise auf Änderungen bei der Integrationsarbeit gegeben werden.

Gleichzeitig soll aufgezeigt werden, welche Änderungen etwa infolge des von der Bundesregierung geplanten Zuwanderungsgesetzes für die in Hessen lebenden Spätaussiedler zu erwarten sind. So sieht der Gesetzentwurf etwa eine Reihe neuer Regelungen hinsichtlich des Zuzuges und der Sprachförderung vor.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Das Thema Zuwanderung und Integration beschäftigt derzeit mit hoher Priorität die politische Diskussion. Zuwanderung ist kein neues Phänomen, sondern hat in allen Epochen der Menschheitsgeschichte stattgefunden. Hessen als Region in der Mitte Europas kann hierbei auf eine lange Tradition als Zuwanderungs-, aber auch Auswanderungsland zurückblicken. So war die Aufnahme und Integration der Vertriebenen und Aussiedler nach dem Zweiten Weltkrieg eine gewaltige Aufgabe für die Bundesrepublik Deutschland und somit auch für das Land Hessen. Der Fleiß und das Engagement der Vertriebenen und Aussiedler haben zusammen mit dem Aufbauwillen der einheimischen Bevölkerung zu einer überaus positiven wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und damit einhergehenden demokratischen Entwicklung geführt, wobei in der Regel gute Deutschkenntnisse und eine gute berufliche Ausbildung förderlich waren.

Als Nachwirkung der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Benachteiligungen der deutschstämmigen Bevölkerung kommen nach wie vor Zuwanderer aus verschiedenen Herkunftsgebieten, die seit 1993 im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als "Spätaussiedler" bezeichnet werden, nach Deutschland, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. In den letzten Jahren haben sich die Integrationsvoraussetzungen für diesen Personenkreis in Folge geringerer Sprachkenntnisse, oft unzureichender beruflicher Qualifikation und der schlechteren wirtschaftlichen Situation negativ entwickelt.

Viele Spätaussiedler beziehen noch heute einen wesentlichen Anteil ihrer Identität aus ihrer deutsch-russischen Geschichte. Einem Großteil der Deutschen sind diese Geschichte und das schwere Kriegsfolgenschicksal der Russlanddeutschen jedoch unbekannt. Nur das Wissen um diese Geschichte kann aber ein besseres Verständnis für die besonderen Probleme im Hinblick auf Sprachschwierigkeiten, Kultur und den Konflikt im Aufnahmeland wecken. Wegen der besonderen Benachteiligungen und Ausgrenzungen der Russlanddeutschen im Herkunftsland als Folge des Zweiten Weltkrieges sieht die Hessische Landesregierung Integration als eine zentrale politische Aufgabe. Die erfolgreiche Integration der Spätaussiedler ist für die Zukunft und den inneren Frieden des Landes von großer Bedeutung. Grundvoraussetzung für eine Erfolg versprechende Integration sind ein vielfältiges Integrationsangebot und ein intensives Bemühen der Spätaussiedler selbst, dieses Angebot anzunehmen. Entscheidend für die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Integration ist die Beherrschung der deutschen Sprache.

Daher bilden Sprachfördermaßnahmen für Erwachsene und Kinder den Schwerpunkt der Integrationsmaßnahmen der Landesregierung. Darüber hinaus werden zahlreiche Integrationsprojekte finanziell unterstützt und es wird das ehrenamtliche Engagement gefördert. Dabei ist die Landesregierung auf die Unterstützung der Kommunen, karitativen Verbände, der Kirchen, des Bundes der Vertriebenen und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sowie der Deutschen Jugend aus Russland angewiesen. In ihrer Arbeit wird sie auch durch den Hessischen Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen unterstützt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantwortet die Sozialministerin im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt:

I. Allgemeines Frage 1. Wie viele Spätaussiedler (einschließlich nicht deutscher Ehegatten und Nachkommen) sind in den Jahren 1991 bis 2003 in Hessen aufgenommen worden und wie viele Spätaussiedler leben insgesamt zurzeit in Hessen (bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunftsland, Schulabschluss, Beruf sowie BVFG-Status)?

Die Begriffe "Spätaussiedler" (§ 4 BVFG) und "nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge" (§ 7 Abs. 2 BVFG) existieren erst seit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (KfbG) zum 1. Januar 1993. In den Jahren 1991 und 1992 wurde der im Rahmen des Aussiedleraufnahmeverfahrens einreisende Personenkreis noch in Aussiedler (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) und deren Ehegatten (§ 1 Abs. 3 BVFG) unterteilt. Das Vertriebenenrecht kannte vor dem Jahr 1993 noch keinen abgeleiteten Anspruch als "nichtdeutscher Abkömmling".

Die Aufnahme von Aus- und Spätaussiedlern in Hessen, aufgeschlüsselt nach Herkunftsländern, hat sich seit 1991 wie folgt entwickelt:

Die Frage, wie viele Spätaussiedler insgesamt zurzeit in Hessen leben, kann nicht beantwortet werden. Da Spätaussiedler Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (GG) sind, findet in fast allen Bereichen keine gesonderte statistische Erfassung statt. Hinzu kommt, dass sie Freizügigkeit nach Artikel 11 GG, seit 1996 für Neuankommende zeitlich befristet eingeschränkt, genießen und somit Wanderungsbewegungen mit einer Veränderung der Wohnsitznahme innerhalb Deutschlands stattfinden. Auch diese Wanderungsbewegungen werden statistisch nicht erfasst. Insoweit beziehen sich die Aufschlüsselungen nach Alter und Geschlecht (siehe Anlage 1), Herkunftsland, Beruf sowie BVFG-Status auf die Zahl der seit 1991 aufgenommenen Aussiedler bzw. Spätaussiedler. Das Bundesverwaltungsamt nimmt keine separate statistische Erfassung zu den Schulabschlüssen vor. Aus diesem Grund können auch hierzu keine Angaben gemacht werden.

Die Aufschlüsselung nach Berufsgruppen ist als Anlage 2 beigefügt. Es handelt sich hierbei um Bundeszahlen, da eine separate Erfassung für die Länder nicht vorgenommen wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die vorliegende Berufsstruktur sich nicht wesentlich von der der von Hessen aufgenommenen Aus- und Spätaussiedler unterscheidet.

Die Aufschlüsselung nach dem BVFG-Status ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle. Es handelt sich dabei um die Entwicklung für die Bundeszugänge, weil eine separate statistische Erfassung für die Länder nicht vorgenommen wird. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Statusstruktur der Bundeszugänge der Statusstruktur für die nach Hessen verteilten Spätaussiedler entspricht.

Spätaussiedler nach § 4 BVFG ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger.

Deutscher Volkszugehöriger im Sinne des BVFG ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.

Bei Personen nach § 7.2 BVFG handelt es sich um Ehegatten und Abkömmlinge des Spätaussiedlers, die die Voraussetzungen des § 4 BVFG nicht erfüllen, aber die Aussiedlungsgebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen haben.

Bei Personen nach § 8.2 BVFG handelt es sich um Familienangehörige des Spätaussiedlers, die gemeinsam mit dem Spätaussiedler eintreffen und in das Verteilungsverfahren einbezogen werden können.

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Teil der Fälle nach § 7 Abs. 2 BVFG durchaus auch die Voraussetzungen des § 4 BVFG erfüllt. Von diesen Personen konnte ein Teil im späteren Verfahren nach § 4 BVFG höher gestuft werden. Eine separate statistische Erfassung hierzu liegt nicht vor.

Frage 2. Wie verteilen sich derzeit die aufgenommenen Spätaussiedler auf Städte und Gemeinden?

Gibt es Siedlungsschwerpunkte an bestimmten Orten bzw. in bestimmten Stadtteilen - und wenn ja, weshalb?

Hat sich das neu eingeführte Aufteilungsverfahren auf die Städte und Landkreise bewährt?

Die Anzahl der im Jahr 2003 und im ersten und zweiten Quartal 2004 in den Hessischen Gebietskörperschaften aufgenommenen bzw. dorthin zugewiesenen Spätaussiedler beträgt.