Veräußerung des forstfiskalischen Grundstücks der so genannten "Tri"-Halde Stadtallendorf hier: Zustimmung zur Veräußerung durch den Hessischen Landtag nach § 64 Abs. 2 LHO

Dem Landtag wird der Antrag unterbreitet, der Veräußerung des forstfiskalischen Grundstücks der so genannten "Tri"-Halde Stadtallendorf, Flur 44, Nr. 45/191, teilweise (Grundstücksgröße ca. 25.000 m²), zum symbolischen Preis von 1 an den Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke zuzustimmen.

Begründung:

I. Sachverhalt:

Das Verkaufsgrundstück gehört historisch bedingt zum forstfiskalischen Grundbesitz. Die Landesforstverwaltung bzw. der Landesbetrieb HESSENFORST hatte seit Übertragung der Eigentümerverwaltung aufgrund der bestehenden Altlast keine Verfügungsgewalt über das Grundstück. Auch nach Abschluss der umfangreichen Altlastensanierung ist eine forstliche Nutzung für die nächsten mind. 20 bis 25 Jahre ausgeschlossen, da eine abschließende Rekultivierung wegen der laufenden hydraulischen Maßnahmen nicht möglich ist. Gemäß geltendem Sanierungsplan ist lediglich eine Begrünung durch Sukzession vorgesehen. Gleichzeitig werden eine ständige Kontrolle und Aufbereitung des Grundwassers erfolgen und eine umfassende Zugänglichkeit der vorhandenen technischen Mess- und Kontrolleinrichtungen gewährleistet werden müssen. Das Grundstück ist daher für das Land bzw. für den Landesbetrieb HESSEN-FORST entbehrlich.

Der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke ZMW, der mit eigenen Grundstücken seiner Wassergewinnungsanlagen angrenzt, benötigt diese Fläche für eine künftige Erweiterung seines Betriebsgeländes und kann Teile der technischen Einrichtungen am Standort nutzen. Künftige Überwachungsaufgaben sollen dann gemeinsam mit der HIM GmbH als Sanierungsträger getätigt werden. Anlässlich der umfangreichen Abstimmungen vor Ort hatte der ZMW die Frage des Eigentumsübergangs angestoßen. Von den beteiligten Vertretern des Landes (Regierungspräsidium Gießen, Landesbetrieb HESSEN-FORST) und der HIM GmbH wird eine Veräußerung befürwortet, da damit auch für das Land wesentliche Vorteile und erhebliche Kostenersparnisse einhergehen.

Für das Regierungspräsidium Gießen, Abt. Umwelt Marburg, wird sich bei einer Übertragung des Eigentums auf den ZMW die künftige Aufgabenwahrnehmung der Überwachung wesentlich vereinfachen, da für Fragen der behördlichen Altlastensicherung, der Grundstücksnutzung und der Grundwasserförderung und -aufbereitung allein der ZMW (mit der HIM GmbH) eingeschaltet werden muss und weitere Abstimmungen mit dem Landesbetrieb HESSEN-FORST als Vertreter des Eigentümers entbehrlich werden.

Für den Landesbetrieb HESSEN-FORST, Forstamt Kirchhain, wird ein Wegfall der vielfältigen Abstimmungen, behördlichen Beteiligungen, Zustimmungen und Erlaubnisse eine wesentliche Entlastung in der Verwaltungstätigkeit zugunsten der betrieblichen Arbeiten bedeuten. Aus diesem Eingegangen am 30. August 2005 · Ausgegeben am 8. September 2005

Dem Haushaltsausschuss überwiesen besonderen Grund und weil die Fläche im Hinblick auf die längerfristig durchzuführenden hydraulischen Sanierungsmaßnahmen für die forstliche Bewirtschaftung untauglich ist, ist eine Veräußerung zum symbolischen Kaufpreis von 1 vorgesehen. Dies ist nach den Regelungen im Kaufvertrag und in Anbetracht der Umstände vertretbar und angemessen.

II. Geschichtlicher Hintergrund:

Auf Waldflächen des ehemaligen preußischen Staates, die durch das Deutsche Reich in Besitz genommen waren, wurden während des Zweiten Weltkriegs in Stadtallendorf Munitionsfabriken errichtet. Aus Gründen der Geheimhaltung blieben die Strukturen und der Bewuchs erhalten. Nach dem Krieg wurde das Gelände der früheren Montanwerke (Dynamit Nobel AG = DAG) zum 1. Oktober 1951 der bundeseigenen Montan-Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) übergeben. Mit Kaufvertrag vom 9. März 1954 kaufte das Land Hessen, vertreten durch HMdF, das DAG-Gelände über 506 ha Größe mit Wirkung vom 1. Oktober 1953 zurück. Als Organ des Finanzministeriums fungierte die zu diesem Zweck neu gegründete Aufbaugesellschaft Allendorf GmbH. Neben intakten Waldflächen und rein industriemäßig bebauten Bereichen waren alle früheren Ver- und Entsorgungseinrichtungen vom Land mit erworben worden. Eine Teilfläche im nördlichen Werksbereich, auf dem schon vor Kriegsende Wassergewinnung erfolgte, hatte die IVG zuvor bereits dem Zweckverband Wasserwerke Allendorf übereignet.

Im Oktober 1954 begannen die Grenzverhandlungen über die Aufteilung der Landesflächen, wobei im Hinblick auf spätere Nutzungen zwischen baulich nutzbaren Bereichen (mit Zuordnung zum Allgemeinen Grundvermögen = Staatsvermögensverwaltung) und forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen (Zuordnung = Hessische Landesforstverwaltung) unterschieden wurde. Nach damaliger Zielsetzung wurde vorrangig die Ausweisung von verwertbaren Industrieflächen betrieben, bis zum Zeitpunkt der abschließenden Übergabe an die Ressorts fanden verschiedene Neuabgrenzungen und Grenzkorrekturen statt. Unter maßgeblichem Einfluss der Wasserwirtschaft wurde die so genannte Tri-Halde ("Tri" von TNT-Rückständen der Rüstungsproduktion), die zunächst als Industriefläche bewertet war, für eine spätere forstliche Bewirtschaftung der Forstverwaltung übertragen. Die endgültige Übergabe der Flächen erfolgte am 16. September 1955. Die gesamte auf den Forst übertragene Waldfläche betrug 204,7905 ha. Infolge der Zuteilung der TriHalde zur Forstverwaltung beabsichtigte diese, die Fläche zu nutzen. Nach Mitteilung des Wasserverbandes, dass in der Halde giftige Stoffe lagerten und das Grundstück ausschließlich nach wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu behandeln sei, wurde eine solche Nutzung aber untersagt. Daraufhin bot der Forst das Gelände den Wasserwerken Ende 1955 zum Kauf an. Nach langen Verhandlungen zwischen Forstverwaltung und den Wasserwerken kam es dann zum 1. April 1959 zum Abschluss eines auf 30 Jahre befristeten, unkündbaren Pachtvertrages über die unentgeltliche Überlassung der Tri-Halde. Dieser Vertrag sicherte dem Wassergewinnungsunternehmen den Besitz und die Überwachung der Tri-Halde zu. Die Trinkwasserförderung wurde gemäß Verleihung der oberen Wasserbehörde vom 17. November 1959 und nach Maßgabe der in 1966 festgelegten Wasserschutzzonen verstärkt aufgenommen, in Kenntnis der abgelagerten Stoffe.

Nach ordnungsbehördlichen Verfügungen zur Gefahrenabwehr wurde die Halde Ende 1955 mit Erdmaterial, danach 1971/1972 zusätzlich mit Folie und Erdaushub abgedeckt, seither folgten Maßnahmen der Grundwassersicherung (Betrieb von Abschöpfbrunnen). Für die Ablösung von Betriebs-, Wartungs- und Unterhaltungskosten zur Sicherung der Trinkwasserförderung verlangte der Wasserverband infolge eine Kostenerstattung vom Land Hessen als Grundeigentümer. In den Folgejahren ab 1981 wurden von der Forstverwaltung Zuschüsse für Investitionen zur Sicherstellung der Entnahme von Trinkwasser im Staatswald Stadtallendorf geleistet, die bis Ende der 90er-Jahre andauerten. Bis 1994 wurden alleine etwa 1,3 Mio. DM durch die Landesforstverwaltung an hydraulischen Maßnahmen zur Sicherung, Ableitung und Reinigung kontaminierten Grundwassers erbracht. Eine Beteiligung des Verursachers der Verunreinigungen nach den Bestimmungen des § 74 HWG wurde von den zuständigen Landesbehörden als aussichtslos erachtet.

Mit verschiedenen Verwaltungsakten in den Jahren 1987 bis 1990 wurden seitens des Landes gegen die IVG als Rechtsnachfolgerin der Montanwerke

Forderungen zur Sanierung der altlastenbehafteten Flächen in Millionenhöhe erhoben; betroffen waren neben dem Bereich Stadtallendorf auch Grundstücke in Hess. Lichtenau-Hirschhagen, Lippoldsberg, Kassel-Lohfelden und Kassel-Waldau. Da nach eingelegten Widersprüchen jahrelange Rechtsstreitigkeiten befürchtet wurden und der Ausgang der Verwaltungsverfahren ungewiss schien, kam es nach Verhandlungen zwischen der IVG und dem Land Hessen, vertreten durch HMdF und das Hessische Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit (HMUR), unter dem 5./16. Oktober 1990 zum Abschluss eines Vergleichs. Danach verzichtete das Land gegen Erstattung von 25 Mio. DM auf sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Landes, die sich auf die genannten Rüstungsaltstandorte beziehen. Gleichsam stellte das Land die IVG von allen öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Ansprüchen Dritter, gleich aus welchem Rechtsgrund, frei.

Erklärtes politisches Ziel dieser Vereinbarung war, im Falle der Sanierung keinen Rückgriff auf die derzeitigen Grundstückseigentümer in Stadtallendorf auszuüben. Im Übrigen war davon auszugehen, dass die Sanierungskosten die Leistungsfähigkeit der betroffenen Grundstückseigentümer überschreiten.

Parallel zu den wasserwirtschaftlichen Maßnahmen wurden die Erkundungen auf den Altlastenverdachtsflächen in Stadtallendorf fortgeführt. Im Auftrag des Landes wurde die HIM GmbH, damals HIM-Altlastensanierungsgesellschaft, mit der Erstellung und Durchführung der Sanierungskonzeption beschäftigt. Die Tri-Halde wurde mit Bescheid vom 11. Januar 1993 der oberen Abfallbehörde beim Regierungspräsidium Gießen förmlich als Altlast festgestellt. Mit der Verfügung des Regierungspräsidiums Gießen vom 11. Januar 1995 wurde das Hessische Forstamt Kirchhain zu Maßnahmen der Sicherung und Sanierung der Tri-Halde aufgefordert.

Im Zeitraum 1995 bis 1999 verausgabte die HIM GmbH hierfür ihr aus dem EPl. 09 zugewiesene Mittel in Höhe von rund 6,29 Mio. DM. Da zu diesem Zeitpunkt allerdings die technischen Bedingungen zu einer kompletten Sanierung der Halde nicht gegeben waren, beschränkten sich die Maßnahmen zunächst auf die Ausführung von Sicherungsmaßnahmen des Untergrunds, womit eine dauerhafte Beseitigung der Schadstoffe nicht gewährleistet werden konnte. Im Jahr 1997 wurde die Tri-Halde durch die damalige HLfU als größter Belastungsschwerpunkt und in einer vergleichenden Bewertung aller Altablagerungen in Hessen als die mit dem mit Abstand höchsten Gefährdungspotenzial ermittelt, deren Schadstoffeintrag im Boden zu erheblichen Verunreinigungen und Beeinträchtigungen der Trinkwassergewinnung geführt hat und noch weiter führt.

III. Sanierung der Altlast:

In 1998 entschied die Landesregierung per Kabinettsbeschluss aus wirtschaftlichen Gründen, der Sanierung durch Abtrag des kontaminierten Materials den Vorzug zu gegeben und eine Studie zur Prüfung der Machbarkeit dieser Variante zu veranlassen. Mit der Machbarkeitsstudie gelang schließlich nach zweijährigen Untersuchungen und technischen Versuchen im Jahre 2000 der Nachweis, dass eine Sanierung durch Abtrag und externer Dekontamination der Haldeninhaltsstoffe technisch machbar, aus rechtlicher Sicht genehmigungsfähig und wirtschaftlich vertretbar sei. Letzteres vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorhandenen Sicherungseinrichtungen ohnehin hätten erneuert werden müssen.

Nach entsprechendem Planungsvorlauf konnte schließlich im Januar 2003 mit der Sanierung der Tri-Halde begonnen werden. Bis zum 15. Oktober 2004 wurden etwa 85.000 t Haldenmaterial nach nur 18-monatiger Bautätigkeit vollständig abgetragen. Dazu mussten in einer speziell dafür geplanten Konditionierungsanlage ca. 54.000 t hoch kontaminierter Neutralisationsschlamm durch Zusatz von Additiven stabilisiert und transportfähig gemacht werden. Über die Betriebszeit des Abtrags der Tri-Halde verhinderten umfangreiche technische Vorkehrungen, dass diffuse Emissionen in die Umwelt, insbesondere in das unmittelbar angrenzende Wohngebiet, gelangten.

Der Aushub fand innerhalb einer 248 Meter langen, 65 Meter breiten und 14 m hohen Halle statt, die mit Unterdruck betrieben und deren Abluft über Filter gereinigt wurde. Der hoch kontaminierte Boden sowie der stark wasserhaltige Neutralisationsschlamm wurden abschließend in gasdichten Containern nach Deutzen zu einer thermischen Behandlungsanlage transportiert, dort thermisch gereinigt. Die dabei angefallenen Reststoffe wurden auf einer Deponie südlich von Leipzig abgelagert.