Zeitablaufs im Diszplinarverfahren

Ein Bedürfnis hierzu hingegen wird überwiegend bejaht und muss tatsächlich auch als vorhanden angesehen werden, weil eine auf der Grundlage des § 153a StPO erbrachte Geldzahlung oder sonstige Leistung von der oder dem Betroffenen als ein der Geldstrafe vergleichbares Übel empfunden wird und es außerdem nicht verständlich ist, warum zwar bei vorausgegangener Bestrafung auf eine Diszplinarmaßnahme verzichtet werden soll, nicht aber dann, wenn das Strafverfahren bei geringerer Schuld eingestellt wird. Durch Abs. 1 wird diesem praktischen Regelungsbedürfnis Rechnung getragen.

Das Eingreifen eines Disziplinarmaßnahmeverbots hindert den Dienstherrn nicht daran, auf ein anderweitig bereits sanktioniertes Dienstvergehen mit beamtenrechtlichen Maßnahmen, etwa mit dem Ausspruch einer Missbilligung, einer Versetzung, einer Abordnung oder einer Umsetzung, zu reagieren.

Abs. 2 behandelt die Bindungswirkung eines Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren. Das Verbot, nach einem Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren wegen derselben Tatsachen eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen, ergibt sich nach bisherigem Recht mittelbar aus § 14 Abs. 5 HDO, wonach in diesem Fall ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann. Mit der jetzigen Regelung wird das Verbot ausdrücklich in den Zusammenhang der übrigen Maßnahmeverbote der §§ 17 und 18 gestellt.

Dass sowohl im Rahmen des Abs. 1 als auch im Rahmen des Abs. 2 die im Straf- oder Bußgeldverfahren ergangenen Entscheidungen unanfechtbar, d.h. rechtskräftig oder bestandskräftig sein müssen, wird schon auf der Grundlage des bisherigen Rechts angenommen und soll aus Gründen der Klarstellung ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen werden.

Zu § 18:

Die Folgen des Zeitablaufs im Diszplinarverfahren werden bislang in § 4

HDO geregelt, was abgesehen davon, dass sich ein Sachzusammenhang zu der Thematik des ersten Abschnitts "Anwendbarkeit des Gesetzes" nicht ohne weiteres herstellen lässt, deshalb problematisch ist, weil das nach § 4

HDO an den Zeitablauf anknüpfende Verfolgungsverbot von den hypothetisch auszusprechenden Disziplinarmaßnahmen abhängt, obwohl die Disziplinarmaßnahmen als solche erst in den folgenden §§ 5 bis 11 HDO dargestellt werden. Nunmehr wird die Materie erst im Anschluss an die Vorschriften über die einzelnen Disziplinarmaßnahmen geregelt, was zugleich auch die Herstellung eines Sachzusammenhangs zu dem Maßnahmeverbot des § 17 ermöglicht.

Auf den Begriff der "Verjährung" wird bewusst verzichtet, weil der strafrechtliche Verjährungsgedanke dem Disziplinarrecht fremd ist. Die Verjährung des Strafrechts setzt begrifflich fest umrissene Tatbestände voraus, die es im Disziplinarrecht nicht gibt und auch nicht geben kann. Der disziplinarrechtliche Zeitablauf knüpft an hypothetische Disziplinarmaßnahmen an, die als solche nicht verjähren können. Anders als bei der strafrechtlichen Verjährung, die ein absolutes und endgültiges Verfahrenshindernis darstellt, sind die disziplinarrechtlichen Folgen des Zeitablaufs zudem, vor allem wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens, nur relativer Natur, weshalb eine infolge Zeitablaufs zunächst unzulässige disziplinarrechtliche Sanktionierung infolge des Hinzutretens weiterer Pflichtverletzungen wieder zulässig werden kann.

In weiterer Abweichung zu § 4 HDO ist § 18 als ein Maßnahmeverbot und nicht als ein Verfolgungsverbot konzipiert. Das derzeitige Verfolgungsverbot schafft vor allem im Verhältnis zu dem Verfolgungsgebot des § 22 Abs. 1 HDO und jetzigen § 20 Abs. 1 Unklarheit.

Durch das neu geregelte Maßnahmeverbot wird klargestellt, dass - was auch der bisher herrschenden Auffassung entspricht - die Annahme eines Zeitablaufs der Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht von vornherein entgegensteht, was schon dadurch bedingt ist, dass sich der Zeitablauf meist erst im Rahmen des Disziplinarverfahrens bestimmen lässt, nicht aber bereits vor dessen Einleitung. Sofern allerdings von Anfang an feststeht, dass ein Maßnahmeverbot nach § 18 besteht, ist nach § 20 Abs. 2 von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abzusehen. Stellt sich hingegen erst in dem Disziplinarverfahren heraus, dass die Voraussetzungen des § 18 erfüllt sind und eine Disziplinarmaßnahme nicht verhängt werden darf, sieht § 36 Abs. 1 Nr. 3 die Einstellung des Verfahrens vor. Die Bestimmungen sollen gewährleisten, dass ein zeitliches Näheverhältnis zwischen Verhalten und Ahndung besteht; nur dann hat das Disziplinarverfahren als Erziehungsmittel seinen Sinn.

Abweichend von § 4 Abs. 2 HDO wird entsprechend der bundesrechtlichen Regelung der Zeitraum, nach dessen Ablauf ein fortwährendes Erziehungsbedürfnis zu verneinen ist, von der vorauszusetzenden Schwere der begangenen Dienstvergehen abhängig gemacht. So wurde der Zeitraum in Abs. 3 angesichts der hier vorauszusetzenden Schwere der begangenen Dienstvergehen deutlich länger als in Abs. 1 oder 2 festgesetzt und erscheint mit sieben Jahren als angemessen. Diese Dauer entspricht im Übrigen auch dem Durchschnitt der von den Ländern festgelegten Zeiträume.

Durch Abs. 4 und 5 sollen der Neubeginn der Verjährung und die Hemmung der Fristen umfassend neu geregelt und zugleich hiermit zusammenhängende Streitfragen, die die Rechtsprechung und Lehre bislang beschäftigt haben, ausgeräumt werden.

Zu § 19:

Die Vorschrift tritt an die Stelle der bisherigen Tilgungsregelung des § 110

HDO und gestaltet diese weitgehend um. Die neue Regelung stellt in Abs. 1 zunächst nicht die Tilgung der Eintragungen aus den Personalakten in den Vordergrund, sondern das Verwertungsverbot, wonach eine verhängte Disziplinarmaßnahme nach dem Ablauf einer bestimmten Frist weder bei weiteren Disziplinarmaßnahmen noch bei Personalmaßnahmen Berücksichtigung finden darf. Die Fristen für das Verwertungsverbot entsprechen dabei denen für das Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 18.

Die Tatbestände, nach denen die Frist für das Verwertungsverbot nicht endet, werden in Abs. 2 Satz 2 auf das Verfahren zur Beendigung des Beamtenverhältnisses sowie das Verfahren nach § 91 HBG erweitert, wodurch eine bisherige Gesetzeslücke geschlossen wird.

Nach Abs. 3 müssen alle Disziplinarvorgänge nach Eintritt des Verwertungsverbotes aus der Personalakte entfernt, vernichtet oder mit einem Tilgungsvermerk versehen werden. Im Falle der Zurückstufung ist dies problematisch, da der statusrechtliche Akt selbst nicht mehr aktenkundig nachweisbar wäre, wodurch die spätere besoldungs- und versorgungsrechtliche Behandlung sehr erschwert oder unmöglich würde. Daher soll der statusrechtliche Akt, also das Rubrum und der Tenor des Urteils, das die Zurückstufung ausspricht, in der Personalakte verbleiben. Die übrigen Unterlagen sind jedoch zu entfernen bzw. mit Tilgungsvermerk zu versehen.

Abs. 4 erfasst diejenigen Disziplinarvorgänge, die nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme geführt haben, und legt die Frist für den Eintritt des Verwertungsverbots grundsätzlich auf zwei Jahre fest. Eine Abweichung gilt jedoch für den Fall, dass ein Dienstvergehen nicht erwiesen ist. Hier wird die Frist auf drei Monate und damit auf den Zeitraum verkürzt, bis zu dem der höhere Dienstvorgesetzte oder die oberste Dienstbehörde ihre Disziplinarbefugnisse abweichend ausüben können. Nach diesem Zeitpunkt ist ein berechtigtes Interesse an der Aufbewahrung nicht mehr gegeben.

Mit der neuen Regelung des Abs. 5 wird sichergestellt, dass die aufgrund eines Disziplinarvorgangs in die Personalakte aufgenommenen missbilligenden Äußerungen unter den gleichen Voraussetzungen entfernt und vernichtet werden, wie diejenigen, die ohne einen vorherigen Disziplinarvorgang aufgenommen wurden.

Zu § 20:

In Abs. 1 wird für die Einleitung des Disziplinarverfahrens am Legalitätsprinzip festgehalten. Die neue Formulierung "liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor" stellt gegenüber der alten Formulierung des § 22 Abs. 1 Satz 1 HDO, "werden Tatsachen bekannt", keine inhaltliche, sondern nur eine sprachliche Änderung dar, die deutlich machen soll, dass der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein muss und bloße Vermutungen nicht ausreichend sind. Um letztere eventuell konkretisieren zu können, sind nach wie vor so genannte "Verwaltungsermittlungen" zulässig, bevor man sich entschließt, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.

Nach § 4 Abs. 2 HBG ist Dienstvorgesetzter, wer für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm nachgeordneten Beamten zuständig ist.

Das ausdrücklich normierte Recht des Dienstvorgesetzten und der obersten Dienstbehörde, das Verfahren - ohne strenge Bindung an die Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts - an sich zu ziehen, verdeutlicht das im Verhältnis zu ihnen bestehende Weisungs- und Aufsichtsverhältnis. Die Wahrnehmung dieses Rechts kann vor allem im Hinblick auf die notwendige Einheitlichkeit und

Gleichbehandlung bei der Ausübung der Disziplinarbefugnisse angezeigt sein.

Da die Beamtin oder der Beamte von der Einleitung, wie sich aus § 23 Abs. 1 ergibt, nicht in jedem Fall sofort zu unterrichten ist, ist die Einleitung im Interesse der Rechtsklarheit und der späteren Nachvollziehbarkeit der Disziplinarvorgänge, vor allem aber im Hinblick auf § 67 aktenkundig zu machen.

In Abs. 2 wird erstmals bestimmt, dass ein Disziplinarverfahren nicht einzuleiten ist, wenn feststeht, dass ein Maßnahmeverbot wegen eines sachgleichen Straf- oder Bußgeldverfahrens oder wegen Zeitablaufs besteht. Ein solches muss allerdings von vornherein eindeutig feststehen. Sofern diesbezüglich letzte Zweifel vorhanden sind, ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens geboten, welches, wenn sich das Vorliegen eines Maßnahmeverbots nachträglich bestätigen sollte, nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 einzustellen ist.

Wegen der späteren Nachvollziehbarkeit sind die maßgeblichen Gründe aktenkundig zu machen; außerdem ist die Beamtin oder der Beamte hiervon in Kenntnis zu setzen.

In Abs. 3 Satz 1 wird die Möglichkeit eröffnet, das Legalitätsprinzip unter den dort genannten - eng auszulegenden - Voraussetzungen zu durchbrechen.

Hierdurch wird einem Bedürfnis der Praxis entsprochen, wonach das Legalitätsprinzip in seiner starren Form weder praktikabel noch unter Personalführungsgesichtspunkten angemessen ist.

Durch die Loslösung des Disziplinarrechts von der Strafprozessordnung ist eine starre Bindung an das Legalitätsprinzip auch rechtssystematisch nicht mehr geboten, zumal das Legalitätsprinzip im strafprozessualen Bereich ebenfalls eingeschränkt ist.

Die Bestimmung verfolgt den Zweck, dass Dienstvorgesetzte tatsächlich auch Vorwürfen von geringerer Bedeutung durch geeignete Maßnahmen begegnen und derartige Vorwürfe nicht deshalb unter den Tisch fallen lassen, weil sie eine Disziplinarmaßnahme nicht für angezeigt erachten. Eine Prognose darüber, ob dieser Zweck erreicht wird, oder ob die eröffnete Möglichkeit dazu führen wird, dass Dienstvorgesetzte vermehrt zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1 ausgehen, um die Einleitung eines an sich angezeigten Disziplinarverfahrens zu vermeiden, ist zurzeit nicht möglich. Daher wird in Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich festgehalten, dass eine Einstellung dann nicht in Betracht kommt, sofern ein Verstoß gegen § 84 des Hessischen Beamtengesetzes im Raum steht.

Hierdurch wird die Bedeutung der Verpflichtung der Beamtinnen und Beamten zur unparteiischen und uneigennützigen Amtsführung besonders hervorgehoben.

Abs. 4 regelt die Zuständigkeit zur Einleitung des Disziplinarverfahrens bei Beamtinnen und Beamten mit mehreren Ämtern.

Nach Abs. 5 hat eine Beurlaubung, Abordnung oder eine Zuweisung keinen Einfluss auf die Zuständigkeiten, was bisherigem Recht entspricht.

Zu § 21:

Durch die Vorschrift wird das so genannte "Selbstreinigungsverfahren", welches der Beamtin oder dem Beamten das Recht auf eine objektive und gegen jedermann wirkende Klärung des Verdachtes gibt, ein Dienstvergehen begangen zu haben, grundlegend neu konzipiert und vereinfacht. Nach § 30

HDO kann die Beamtin oder der Beamte die Entlastung von dem Verdacht nur durch einen bei der bisherigen Einleitungsbehörde zu stellenden Antrag auf Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens erreichen. Diese Regelung wirft in der Praxis zahlreiche Probleme auf und trägt dem berechtigten Schutzinteresse der Beamtin oder des Beamten nur unzureichend Rechnung. In erster Linie erweist es sich dabei als problematisch, dass das "Selbstreinigungsverfahren" zur Entlastung jedes denkbaren Dienstvergehens bestimmt ist, also auch eines minder schweren, womöglich nur mit einem Verweis zu ahndenden, während das hierzu zur Verfügung gestellte bisherige förmliche Disziplinarverfahren seinem Zweck nach auf die schwereren Dienstvergehen zugeschnitten ist. Die Beamtin oder der Beamte kann sich hierdurch gezwungen - oder auch gehindert - sehen, zum Zwecke ihrer oder seiner Entlastung einen Antrag auf Einleitung eines in Bezug auf den Tatverdacht von vornherein unangemessenen Verfahrens zu stellen. Wird wegen eines leichten Tatverdachts ein Antrag auf Durchführung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gestellt, wird die Einleitungsbehörde, da sie nach allgemeiner Auffassung auch im Rahmen des § 30 HDO nicht gezwungen ist, ein solches Verfahren durchzuführen, den Antrag im Regelfall ablehnen und gegebenenfalls im Rahmen eines nichtförmlichen Disziplinarverfahrens ermitteln.