Beweisaufnahme

Die Vorschrift normiert die nähere Ausgestaltung der Beweisaufnahme während der Ermittlungen, die durch die Hessische Disziplinarordnung - auch unter Einbeziehung der bisherigen Generalverweisung auf die Strafprozessordnung - nur unzureichend geregelt ist.

Abs. 1 nennt zunächst die wichtigsten Beweismittel.

Abs. 2 ist an § 18 Abs. 1 Satz 2 HDO angelehnt.

In Abs. 3 wird im Wesentlichen die Regelung des § 54 Abs. 2 HDO übernommen, wobei allerdings die in der dortigen Aufzählung genannte Bedeutung des Beweisantrages für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags ausgeklammert bleibt. Dies liegt in der Konsequenz der Neuregelung des Unterhaltsbeitrags durch § 13 Abs. 3 und § 15 Abs. 2. Soweit im Rahmen des neuen Rechts im Einzelfall konkrete Tatsachen für die Gewährung des Unterhaltsbeitrags entscheidungserheblich sind, ist es schon im Hinblick auf deren notwendige Aktualität zum Zeitpunkt der Urteilsfällung sinnvoll, dass diese nicht bereits im Rahmen der Ermittlungen, sondern erst im gerichtlichen Disziplinarverfahren dargetan und bewiesen werden.

Abs. 4 regelt in Satz 1 und 2 das Teilnahme- und Fragerecht der Beamtin oder des Beamten in Anlehnung an § 66 Abs. 2 HVwVfG. Diese dürfen den hier aufgezählten Beweishebungen regelmäßig beiwohnen, soweit nicht die in Satz 2 benannten Ausschlussgründe gelten. Da ein Ausschluss nur soweit wie erforderlich erfolgen darf, kann es durchaus Situationen geben, in denen zwar die Teilnahme der Beamtin oder des Beamten selbst, nicht aber die ihrer oder seines Verfahrensbevollmächtigten, untersagt werden darf.Abs. 4 Satz 3 normiert die Verpflichtung zur Zugänglichmachung eines schriftlichen Gutachtens, die nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen durchbrechbar ist.

Zu § 28:

Die Vorschrift folgt im Wesentlichen der Regelung der Beweisaufnahme durch Zeuginnen und Zeugen und Sachverständige im förmlichen Verwaltungsverfahren nach § 65 HVwVfG. Wie in diesem sind auch in dem nunmehr einheitlichen disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren Zeuginnen und Zeugen zur Aussage und Sachverständige zur Erstattung von Gutachten verpflichtet, was bislang lediglich für die Untersuchung im förmlichen Disziplinarverfahren vorgeschrieben ist. Die Möglichkeiten einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts schon im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens werden hierdurch im Interesse aller Beteiligten gestärkt.

In Abs. 1 wird für die Beweisaufnahme durch Zeuginnen und Zeugen und Sachverständige teilweise auf die - ausnahmsweise heranzuziehenden - Bestimmungen der Strafprozessordnung verwiesen, weil diese dem Normzweck und Regelungsgegenstand des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens besser gerecht werden, als die ansonsten zur Anwendung kommenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung.

Die in den Abs. 2 bis 4 unter den dortigen Voraussetzungen vorgesehene Einschaltung des Verwaltungsgerichts tritt im Wesentlichen an die Stelle der früheren Zwangsrechte des Untersuchungsführers, die der oder dem Dienstvorgesetzten bzw. "der Ermittlungsführerin" oder "dem Ermittlungsführer" nicht ohne weiteres eingeräumt werden können und eingeräumt werden sollen. Der Kreis der antragsberechtigten Personen wird in Abs. 4 in Anlehnung an § 65 Abs. 5 HVwVfG begrenzt.

Zu § 29:

Die Vorschrift ermöglicht, dass gegenüber der Beamtin oder dem Beamten schon während der Ermittlungen die Herausgabe von Unterlagen, welche als Beweismittel infrage kommen, verlangt und mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden kann. Der Wortlaut erfasst nicht nur amtliche Unterlagen, sondern sämtliche Unterlagen, die einen dienstlichen Bezug haben und vermeidet so einen Streit darüber, ob auch private Unterlagen darunter subsumiert werden können.

Der antragsberechtigte Personenkreis wird unter Verweisung auf § 28 Abs. 4 geregelt.

Durch Abs. 2 wird klargestellt, dass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Befugnisse nach § 30 durch § 29 nicht beschränkt werden.

Zu § 30:

Auf die bisher in § 51 HDO vorgesehene Möglichkeit, Beschlagnahmen und Durchsuchungen anzuordnen, kann aus Gründen der Sicherung des Beweises auch künftig nicht verzichtet werden. In der Praxis hat sich des Öfteren gezeigt, dass Beweismittel aus dem dienstlichen Bereich in Privatwohnungen verlagert werden. Auch vor dem Hintergrund, dass dienstliche Tätigkeiten immer mehr im privaten Lebensbereich verrichtet werden (z.B. bei Telearbeitsplätzen, Lehrern und Bearbeitung von Vorgängen nach Dienstende zu Hause) und dann Nachweise für Dienstvergehen nur in den privaten Wohnungen zu erlangen sind, ist es notwendig, Zugriff in diesen Bereich zu erhalten. Aber auch unter dem Aspekt der Korruptionsbekämpfung ist für eine effektive Verfolgung von Dienstvergehen die Möglichkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme dringend erforderlich. Dienstvergehen können über die Straftatbestände hinausgehen, sodass die Ahndung als Dienstvergehen noch möglich ist, selbst wenn ein Strafverfahren eingestellt worden ist.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren werden nur unter dem Aspekt des Strafverfahrens durchgeführt, deshalb besteht für Disziplinarverfahren mit schwerwiegenden Verfehlungen regelmäßig ein Bedarf für das Instrument der Durchsuchung und Beschlagnahme.

Eine entsprechende Anordnung kann jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ergehen und ist an strenge Anforderungen gebunden. Dies macht vor allem die Regelung des Abs. 1 Satz 2 deutlich, welche einen dringenden

- mithin über einen einfachen hinausgehenden - Tatverdacht verlangt und zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herausstreicht, wonach die Anordnung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis stehen darf. In Fällen, in denen lediglich die Verhängung eines Verweises oder einer Geldbuße angezeigt ist, wird eine Beschlagnahme oder Durchsuchung nicht angeordnet werden dürfen. Antragsberechtigt ist nur der in § 28 Abs. 4 genannte Personenkreis.

Entgegen dem bisherigen Recht ist für die Anordnung einer Beschlagnahme oder Durchsuchung nicht mehr der Amtsrichter, sondern das Verwaltungsgericht zuständig. Diese Änderung ist durch die besondere Sachnähe des Verwaltungsgerichts bedingt.

Für die Vollziehung der Anordnung sind gemäß Abs. 2 weiterhin die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Vollstreckungsorgane zuständig.

Abs. 3 trägt dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Rechnung.

Zu § 31:

Der Regelung des § 53 HDO folgend wird die Möglichkeit vorgesehen, zum Zwecke der Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Beamtin oder des Beamten deren oder dessen Unterbringung und Untersuchung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus oder einer sonstigen geeigneten Krankenanstalt anzuordnen. Eine derartige Unterbringung kann sich nur ausnahmsweise und vor allem dann als erforderlich erweisen, wenn begründete Zweifel an der Schuldfähigkeit der Beamtin oder des Beamten bestehen und diese anders nicht aufklärbar sind. Wie § 30 Abs. 1 Satz 2 streicht auch Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders heraus; bei Dienstvergehen, welche lediglich einen Verweis oder eine Geldbuße nach sich ziehen können, wird eine Unterbringung deshalb nicht angeordnet werden können. Antragsberechtigt ist nur der in § 28 Abs. 4 genannte Personenkreis.

Das Verfahren als solches ist im Wesentlichen in Entsprechung zu § 53

HDO geregelt. Die - nach allgemeinem Prozessrecht zulässige - Beschwerde hat - wie seither nach § 53 Abs. 2 HDO - aufschiebende Wirkung.

Abs. 5 trägt dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Rechnung.

Zu § 32:

Die Pflicht, über die Anhörungen der Beamtin oder des Beamten sowie über Beweiserhebungen Protokolle aufzunehmen, besteht - verteilt auf verschiedene Vorschriften - auch nach bisherigem Recht (vgl. § 18 Abs. 3, § 22 Abs. 2 Satz 4 sowie § 50 HDO). Hinsichtlich der Form und des Inhalts des Protokolls wird auf § 168a StPO verwiesen, der über § 21 HDO bislang schon anwendbar ist. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann in den in Satz 3 genannten Fällen ein Aktenvermerk an die Stelle eines Protokolls treten.

Zu § 33:

In der Vorschrift wird im Lichte des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung die Vorlage von Personalakten im Disziplinarverfahren sowie die Weitergabe von Mitteilungen zwischen den Dienststellen über Disziplinarvorgänge in Abwägung der widerstreitenden Interessen umfassend geregelt. Im Verhältnis zu § 107d HBG stellt die Vorschrift die speziellere Norm dar.

Zu § 34:

Die Vorschrift sieht die Bekanntgabe des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen an die Beamtin oder den Beamten und ihre oder seine abschließende Anhörung nur noch vor, wenn gegen sie oder ihn eine Disziplinarverfügung erlassen oder Disziplinarklage erhoben bzw. eine Einstellungsverfügung nach § 36 Abs. 1 ergeht. In Fällen der Einstellung nach § 36 Abs. 2 ist die Beamtin oder der Beamte durch die Entscheidung nicht beschwert. Soweit in den Gründen der späteren Einstellungsverfügung festgestellt oder offen gelassen wird, ob ein Dienstvergehen vorliegt, kann hiergegen Widerspruch eingelegt und gegebenenfalls im Anschluss Klage erhoben werden.

Mit der in Abs. 3 getroffenen Ausnahmeregelung soll der Bewältigung so genannter Massenverfahren, die sich durch eine Vielzahl gleichgelagerter Sachverhalte auszeichnen, durch einen kalkulierbaren Verfahrensaufwand Rechnung getragen werden.

Zu § 35:

Die Vorschrift regelt die Abgabe des Disziplinarverfahrens an den höheren Dienstvorgesetzten oder die oberste Dienstbehörde für den Fall, dass der Dienstvorgesetzte seine Befugnisse nicht für ausreichend hält. Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann das Verfahren zurückgegeben werden.

Zu § 36:

Die Einstellungsgründe des Disziplinarverfahrens regelt das bisherige Recht nur unvollständig. Nach § 23 Abs. 1 HDO wird das Verfahren eingestellt, wenn durch die Vorermittlungen ein Dienstvergehen nicht festgestellt wird oder der Dienstvorgesetzte eine Disziplinarmaßnahme nicht für angezeigt oder nicht für zulässig hält. Während die ersten beiden Voraussetzungen immerhin hinreichend bestimmt sind, ist das Kriterium der Unzulässigkeit der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme sehr vage - was gerade im Disziplinarrecht einen unbefriedigenden Zustand darstellt - und bedarf deshalb einer umfassenden Ausfüllung durch Rechtsprechung und Lehre, die dabei im Wesentlichen auf die für das bisherige förmliche Disziplinarverfahren geltenden Einstellungsgründe des § 57 Abs. 1 und 2 HDO zurückgreifen.

In § 36 werden die Einstellungsgründe in teilweiser Anlehnung an § 57 Abs. 1 und 2 HDO nunmehr konkret und zugleich abschließend geregelt. Die Gliederung des § 36 unterscheidet sich von der des § 57 Abs. 1 und 2 HDO und hebt die rein statusbezogenen Einstellungsgründe (Abs. 2) von den übrigen formellen und materiellen Einstellungsgründen, deren Bejahung eine disziplinarrechtliche Subsumtion voraussetzt, ab. Diese Aufteilung erleichtert spätere Verweisungen auf die Vorschrift.

Auf den bisherigen Einstellungsgrund des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HDO soll künftig nicht mehr zurückgegriffen werden, sodass er in der Aufzählung nicht mehr erscheint. Der Verzicht der Ruhestandsbeamtin oder des Ruhestandsbeamten auf ihre oder seine Rechte ist ein beamtenrechtlicher Verzicht, dessen Folge im Hessischen Beamtengesetz - und nicht verfahrensfremd in § 57 Abs. 1 Satz 2 HDO - geregelt sein müsste. Das übergeordnete Beamtenrechtsrahmengesetz sieht einen derartigen Verzicht nicht vor. Zudem erscheint es auch rechtspolitisch bedenklich, dass eine Ruhestandsbeamtin oder ein Ruhestandsbeamter ihren oder seinen Status - was dem Beamtenrecht fremd ist - durch die Abgabe einer einseitigen Willenserklärung beenden und dadurch beispielsweise dem Dienstherrn die weitreichende Folge einer gesetzlichen Nachversicherung aufbürden kann.

Abs. 3 normiert bezüglich der Einstellungsverfügung im Interesse der Beamtin und des Beamten einen Begründungs- und Zustellungszwang.

Zu § 37: Wesentlicher Inhalt der Norm ist die Regelung der Kompetenzen zum Erlass einer Disziplinarverfügung.

Eine zentrale Neuerung stellt die durch Abs. 1 geschaffene Möglichkeit der Verhängung einer Kürzung der Dienstbezüge und einer Kürzung des Ruhegehalts im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens, mithin im Wege einer Disziplinarverfügung, dar. Sie dient dem Ziel, die Disziplinarverfahren wesentlich zu beschleunigen.