Sicherstellung des Rettungsdienstes auf dem Frankfurter Flughafen

Am 21. August 2006 gegen 11 Uhr kollabierte in Terminal 2 des Frankfurter Flughafens in der Abfertigungsschlange zur zweiten Sicherheitskontrolle für Flüge in die USA ein Passagier und erlitt vermutlich einen epileptischen Anfall. Laut Augenzeugen vergingen von der telefonischen Alarmierung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes und des Notarztes mindestens 18 Minuten.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Nach Auskunft der Fraport AG ging am 21. August 2006, 10.38 Uhr, bei der Sicherheitsleitstelle der Notruf mit dem Einsatzstichwort "Neurologischer Notfall" ein. Die Sicherheitsleitstelle Flughafen entsandte um 10. Uhr den Notarztwagen der Fraport AG mit Sonderrechten zur Einsatzstelle im Terminal 2. Übernahme des Einsatzes durch den NAW erfolgte um 10.40 Uhr, Ankunft an der Einsatzstelle war 10.47 Uhr.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wer ist auf welcher Grundlage für die Sicherstellung des Rettungsdienstes auf dem Frankfurter Flughafen zuständig und welche rechtlichen Regelungen finden hier Anwendung?

Grundlage ist das Hessische Rettungsdienstgesetz (HRDG). Träger des Rettungsdienstes ist entsprechend § 4 Abs. 1 HRDG die Stadt Frankfurt am Main (Branddirektion). Die Fraport AG hat mit der Stadt Frankfurt am Main eine Vereinbarung als Leistungserbringer für den Rettungsdienstbereich Frankfurt Flughafen und Umgebung und wird offiziell im Bereichsplan der Stadt Frankfurt am Main geführt.

Frage 2. Welche Anweisungen zur Alarmierung des Rettungsdienstes bei Notfällen bestehen für Flughafenmitarbeiter, Mitarbeiter von Fluggesellschaften, Polizei und andere offizielle Aufgabenträger bzw. wer soll wann wen bei medizinischen Notfällen alarmieren?

Wie die Fraport AG mitteilt, sind die Notrufnummern der Sicherheitsleitstelle (SLS) am Flughafen Frankfurt an jedem zugänglichen Telefon auf dem Gelände der Fraport angebracht und gekennzeichnet. Selbst wenn diese Kennzeichnung in der Hektik übersehen wird, läuft die deutschlandweit bekannte Notrufnummer 112 (Feuerwehr/Rettungsdienst) in der SLS der Fraport AG auf.

Sollte ein Mobiltelefon genutzt werden, läuft der Notruf, wie auch sonst in Hessen, bei der nächstgelegenen Zentralen Leitstelle auf. Diese leitet das Hilfeersuchen an die Fraport-Leitstelle weiter.

Die Rufnummer 110 (Polizei) wird direkt zur Polizeidirektion Flughafen verbunden, die wiederum ebenfalls die SLS informiert.

Es herrscht schon aus Sicherheitsaspekten eine enge Zusammenarbeit mit allen am Flughafen ansässigen Behörden.

Frage 3. Wie werden diese Anweisungen kommuniziert?

Alle Mitarbeiter der Fraport AG, flughafenansässige Firmen sowie die Airlines sind durch die Flughafenbenutzungsordnung (FBO) der Fraport AG entsprechend informiert.

Frage 4. Wie ist durch wen und in wessen Verantwortung die Einhaltung der Hilfsfrist von zehn Minuten auf dem Frankfurter Flughafen sicherzustellen?

Die Verantwortung liegt beim Rettungsdienstträger. Die Disposition der Notfalleinsätze und Auswertung der Hilfsfristen liegt bei der Fraport AG.

Die Überprüfung der Ergebnisqualität der Hilfsfristen (90 v.H. in zehn Minuten) erfolgt monatlich anhand der Datenbank des Einsatzleitrechners und wird am Quartalsende an den Rettungsdienstträger übermittelt.

Als wichtiger Beitrag zur kontinuierlichen Qualitätssicherung im Rettungsdienst sollen alle Notfalleinsätze mit Sonderrechten auf der Anfahrt, bei denen die reale Hilfsfrist über der 10-Minuten-Landesvorgabe liegt, zeitnah in einem ausführlichen Einsatzbericht gesondert in der Zentralen Leitstelle dokumentiert werden. Dieser Einsatzbericht ist so zu strukturieren, dass zu allen am Notfalleinsatz beteiligten Rettungsmitteln eine gesicherte Ursachenerkennung für die Nichteinhaltung der Hilfsfrist gewährleistet ist. Die Einsatzberichte sollen im Rahmen einer Schwachstellenanalyse in regelmäßigen Abständen von sechs Monaten durch den Rettungsdienstträger ausgewertet werden. Die Auswertungsergebnisse und die daraufhin veranlassten Maßnahmen sowie ihre überprüfbaren Qualitätsziele sind zu dokumentieren und dem Bereichsbeirat vorzulegen.

Frage 5. Wie oft wird die Hilfsfrist eingehalten?

Die nachfolgenden, den Flughafen Frankfurt betreffenden, Tabellen zeigen eine Zusammenfassung des 1. Halbjahres 2006.

Daraus wird deutlich, dass der Rettungsdienst am Flughafen Frankfurt am Main über der geforderten Landesnorm liegt.

Die letzte Risikoanalyse durch den Rettungsdienstträger ergab eine erforderliche Vorhaltung zur Sicherstellung der Notfallversorgung am Flughafen von zwei Rettungswagen (RTW): (1 RTW von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr, 1 RTW von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr = 40 Stunden/Tag). Über die nach dem HRDG geforderte Norm hält die Fraport AG einen weiteren, selbst finanzierten Rettungswagen an 365 Tagen, 24 Stunden, zur Notfallversorgung bereit. Die überdurchschnittlich guten Eintreffzeiten der Rettungsmittel sind eine Folge der zusätzlichen Vorhaltung.

Frage 6. Wie wird die Einhaltung der Hilfsfrist technisch dokumentiert?

Alle Telefonate werden auf Band aufgezeichnet und in Echtzeit auf dem Einsatzleitrechner dokumentiert. Die Weitergabe des Einsatzes an das Einsatzmittel erfolgt über Funk, Funkmelder oder elektronische Lautsprecheranlage in der Rettungswache. Die Zeit wird ebenfalls im Einsatzleitrechner dokumentiert. Die Zeiten des Rettungsmittels werden durch Statusmeldungen (Status 3 = Fahrt zum Einsatzort, Status 4 = Ankunft Einsatzstelle usw.) mithilfe des Funkmeldesystems (FMS) an den Einsatzleitrechner gesendet und in Echtzeit erfasst. Alle Zeitdaten mit Einsatzort, Nummer, Fahrzeug etc. werden in einer Datenbank im Einsatzleitrechner gespeichert und monatlich abgefragt und analysiert.

Frage 7. Welche weiteren Regelungen bestehen, um auch auf dem Frankfurter Flughafen unter den besonderen Bedingungen eines Großflughafens die umgehende und angemessene Notfallrettung und Hilfeleistung jederzeit zu garantieren?

Nach Auskunft der Fraport AG sind die ICAO-Richtlinien für alle Flughäfen und somit auch für den Flughafen Frankfurt am Main bindend. Diese werden hier im Detail für alle betroffenen Fachbereiche und Behörden in der BA-NOT (Betriebsanweisung für Notfälle) geregelt.

Die Funktionalität der Anweisung wurde z. B. bei der Tsunami-Katastrophe oder bei der Evakuierung aus dem Libanon unter Beweis gestellt. Für den reibungslosen Ablauf der mit 27 Sonderflügen der Bundeswehr bzw. deutscher Fluggesellschaften aus dem Libanon ausgeflogenen Personen wurde der Fraport AG vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich gedankt.

Außerdem wurde in einem Gutachten zur Medizinischen Notfallvorsorge/Rettungswesen Flughafen Frankfurt am Main für das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Az. VI 9 - 66 m 04.03.02.03, vom 20. Dezember 2002 folgende Bewertung abgegeben: "Die Auflagen der Betriebsgenehmigung für das Betreiben des Flughafens Frankfurt am Main vom 20. Dezember 1957 sind in medizinischer Hinsicht über das Geforderte hinaus erfüllt. Die Gutachter sind der Auffassung, dass die individualmedizinische Versorgung im Bereich der Fraport AG dem Stand der Medizin, insbesondere auch der Notfallmedizin entspricht. Änderungen sind zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht ersichtlich und nicht notwendig."

Nach Auskunft der Fraport AG werden über die geforderten internationalen Richtlinien und den Vorgaben des HRDG hinaus vorgehalten:

- Bereitstellung eines Notarztes an 365 Tagen, 24 Stunden.

- Bereitstellung eines zusätzlichen Rettungswagens an 365 Tagen, 24 Stunden.

- Bereitstellung von Sonderfahrzeugen:

- Rettungswagen, der "unter dem Flughafen" fahren und alle Parkhäuser befahren kann.

- Hubwagen mit Rettungswagenausrüstung. Dieses Fahrzeug kann die Kabine aller Flugzeugtypen, auch Airbus A 380, direkt anfahren, ohne dass eine Treppe benötigt wird.

- Gerätewagen Rettungsdienst (GW-Rett) für Großschadenslagen mit medizinischem Material für 150 Patienten, aufblasbaren Zelten, Tragen, Notstromaggregaten, Lichtmasten u.v.m.

- Geräte-/Materialanhänger für Betriebshelfer (Einsatz ebenfalls bei Großschadenslagen).

- Alle in Vollzeit tätigen Rettungsassistenteninnen und -assistenten und Rettungssanitäterinnen und -sanitäter haben eine Ausbildung als Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OLRD).

- Alle Notärzte haben die Zusatzqualifikation Leitender Notarzt (LNA) und sind Amtsärzte des Stadtgesundheitsamtes.

- Betreiben einer Flughafenklinik.

- Die medizinischen Dienste der Fraport AG (Arbeitsmedizin, Flughafenklinik und Rettungsdienst) sind nach DIN EN ISO 9000:2001 zertifiziert.

- Der Rettungsdienst der Fraport AG ist eine durch das Regierungspräsidium Darmstadt anerkannte Lehrrettungswache.

- Bereitstellung von 16 automatischen externen Defibrillatoren (AED) zur Laienfrühdefibrillation in den Terminals.