Gesundheitliche Situation in Korbach

Im Zusammenhang mit dem Erörterungstermin zur Errichtung eines Müllheizkraftwerks in Korbach wurden Daten über Bronchialerkrankungen von Schulanfängern und eine erhöhte Lungenkrebsrate bekannt gegeben. Diese Erkenntnisse wurden bisher vom zuständigen Gesundheitsamt und dem Sozialministerium nicht veröffentlicht, obwohl die Daten den Behörden vorlagen. In diesem Zusammenhang erklärte Prof. Martin Henseling (Sozialministerium) gegenüber der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen/Waldeckische Allgemeine am 8. Dezember 2006, man müsse von einer Vorbelastung in Korbach ausgehen, die im Rahmen des Kraftwerkbaus untersucht werden sollte.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Vom Gesundheitsamt in Korbach wurden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein umweltmedizinisch-humantoxikologisches Gutachten Daten über Atemwegserkrankungen, die bei der Schuleingangsuntersuchung erhoben wurden, zur Verfügung gestellt. Diese Daten sind im Gutachten genannt und waren somit auch der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich. Unabhängig davon gibt das Sozialministerium jedes Jahr eine Pressemitteilung zu den landesweiten Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung heraus und stellt sich den Fragen der Öffentlichkeit und der Medien, ohne allerdings im Allgemeinen hierbei auf lokal begrenzte Besonderheiten einzugehen. Letzteres wäre Aufgabe des zuständigen Gesundheitsamtes. Weiterhin sind wichtige Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung im Hessischen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht 2006 des Sozialministeriums enthalten.

Eine erhöhte Lungenkrebsrate wurde im Zusammenhang mit dem Erörterungstermin allerdings weder vom Gesundheitsamt und Sozialministerium genannt noch steht Entsprechendes in dem umweltmedizinischtoxikologischen Gutachten.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Welche Ursachen sieht die Landesregierung hinter den wesentlich erhöhten Anzahlen von Bronchialerkrankungen von Schulanfängern gegenüber dem Landesdurchschnitt in Korbach?

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein Industrieheizkraftwerk in Korbach wurde vom Regierungspräsidium Kassel Prof. Dr. Dr. Wichmann mit der Erstellung eines umweltmedizinisch-humantoxikologischen Gutachtens beauftragt. Auf Wunsch des Gutachters wurden Daten der Schuleingangsuntersuchungen des Landkreises Waldeck-Frankenberg zur Verfügung gestellt. Diese wurden in dem seit Oktober 2006 vorliegenden Gutachten zur Beurteilung der gesundheitlichen Ausgangssituation der Kinder zugrunde gelegt.

In dem Zeitraum von 1998 bis 2005 haben sich folgende Befundhäufigkeiten im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen ergeben:

Insgesamt wurden in den sechs berücksichtigten Grundschulen in den Jahren 1998 bis 2005 2.488 Kinder untersucht. In diesen acht Jahren wurde über alle sechs Schulen verteilt bei insgesamt 64 Kindern der Verdacht auf ein Bronchitisches Syndrom gestellt. Der Vergleich beruht somit - soweit es die Daten aus Korbach/Twistetal betrifft - auf relativ kleinen Zahlen und ist daher anfällig für Zufallsschwankungen, sodass selbst signifikante Unterschiede vorsichtig zu interpretieren sind. Das tat auch der in der Vorbemerkung des Fragestellers genannte Mitarbeiter des Sozialministeriums, als er in dem Zeitungsinterview zur Ursachenanalyse und Bewertung der Daten sagte: "Da sind noch viele Fragezeichen drin." Dies deckt sich mit der Bewertung durch Prof. Wichmann, nach der die etwas häufigeren Befunde von Heuschnupfen und Bronchitischem Syndrom bei Kindern kein konsistentes Bild ergeben, da die Asthmahäufigkeit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Nach seiner Auffassung findet sich eine umweltbezogene Erklärung dieser Beobachtungen nicht. Er sieht insofern auch keine Notwendigkeit für weitergehende Untersuchungen im Rahmen des Kraftwerkbaus.

Frage 2. Welche Ursachen sieht die Landesregierung in der über dem Landesschnitt liegenden Lungenkrebsrate in Korbach?

Der Landesregierung liegen keine Zahlen über eine erhöhte Lungenkrebsrate in Korbach vor. Die Lungenkrebssterblichkeit im Landkreis WaldeckFrankenberg bewegt sich nach den jährlichen Berichten des Hessischen Statistischen Landesamtes im Bereich des Landesdurchschnitts. Auffälligkeiten, die ursächlich abzuklären wären, sieht die Landesregierung nicht.

Frage 3. Hat die Landesregierung zur Klärung der Ursachen für beide Sachverhalte Untersuchungen durchgeführt oder in Auftrag gegeben?

a) Wenn ja, wann, wo und mit welchen Ergebnissen?

b) Wenn nein, wieso nicht?

Das Korbacher Gesundheitsamt, das die Daten der Schuleingangsuntersuchung erhoben und bewertet hat, sah offensichtlich aufgrund der Unsicherheit der Datenlage keine Notwendigkeit, durch weitere gezielte Untersuchungen die Situation in Korbach weiter ursächlich abzuklären, hielt dies aber auch nicht für seine originäre Aufgabe. Das Gesundheitsamt wandte sich auch nicht mit einer entsprechenden Bitte an das Sozialministerium.

Dem Gutachten von Prof. Wichmann ist ebenfalls kein zwingender Abklärungsbedarf zu entnehmen; entsprechende Vorschläge werden dort deshalb auch nicht genannt.

Frage 4. Gibt es weitere Auffälligkeiten, was Krankheitsbilder und Mortalität angeht, Korbachs gegenüber dem Landesschnitt?

Zur Beantwortung dieser Frage wurden für das Wichmann-Gutachten Korbach 2006 die Mortalitätsdaten der amtlichen Statistik mit den folgenden Ergebnissen ausgewertet: "Betrachtet man die Sterbeziffer bei beiden Geschlechtern für alle Todesursachen, dann liegen diese in Hessen um 4 v.H. niedriger als der Durchschnitt in Deutschland. Auch bei allen bösartigen Neubildungen, den bösartigen Neubildungen der Atmungsorgane, den (übrigen) Erkrankungen des Atmungssystems sowie bei den Krankheiten des Herz-Kreislauf Systems ist die Sterbeziffer in Hessen unter dem Durchschnitt der Bundesrepublik. Betrachtet man die Sterbeziffer bei Männern und Frauen getrennt, dann findet sich auch hier für alle hier relevanten Kategorien, dass die Sterbeziffer in Hessen unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen." Bezogen auf die Sterbeziffer für Hessen, den Kreis Waldeck-Frankenberg und die Kreise mit den höchsten bzw. niedrigsten Sterbeziffer kommt der Gutachter zu den folgenden Aussagen, wobei er darauf hinweist, dass wegen der deutlich kleineren Bevölkerungszahlen die Sterbeziffern zwischen den Kreisen naturgemäß erheblich stärker schwanken als beim Vergleich der Bundesländer: "Bei der Betrachtung beider Geschlechter liegt die Sterbeziffer für die Gesamtsterblichkeit im Kreis Waldeck-Frankenberg etwa 15 v.H. über dem

Landesdurchschnitt. Die Angaben auf Kreisebene schwanken allerdings zwischen dem Kreis mit der niedrigsten Sterblichkeit, der 16 v.H. unter dem Durchschnitt liegt, und dem Maximum, das um 30 v.H. über dem Durchschnitt von Hessen liegt.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Todesursachen: Der Kreis WaldeckFrankenberg liegt meistens über dem Durchschnitt von Hessen, aber diese Abweichung ist nicht sehr stark. Für Männer liegt die Sterblichkeit im Kreis Waldeck-Frankenberg ebenfalls um 15 v.H. über dem Landesdurchschnitt (die maximale Überschreitung in Hessen beträgt 27 v.H.).

Bei den bösartigen Neubildungen liegt die Überschreitung bei 10 v.H. für den Kreis Waldeck-Frankenberg (Maximum 35 v.H.), bei den bösartigen Neubildungen der Atemorgane liegt der Kreis auf dem Landesdurchschnitt (Maximum 38 v.H.), bei den Krankheiten des Atmungssystems 15 v.H. über dem Landesdurchschnitt (Maximum 46 v.H.) und bei den Krankheiten des Herz-Kreislauf Systems 23 v.H. über dem Landesdurchschnitt (Maximum 37 v.H.).

Bei den Frauen liegt der Kreis Waldeck-Frankenberg 15 v.H. über dem hessischen Durchschnitt (Maximum 32 v.H.), was im Wesentlichen auf die Erkrankungen des Herz-Kreislauf Systems zurückzuführen ist (plus 23 v.H.), während die bösartigen Atemwegserkrankungen unter dem Landesdurchschnitt (minus 16 v.H.) liegen. Die nicht bösartigen Atemwegserkrankungen liegen 19 v.H. über dem Landesdurchschnitt."

Nach Einschätzung des Gutachters sind diese Befunde nicht auffällig und etwaige regionale Umwelteinwirkungen nicht erkennbar.

Frage 5. Welche Untersuchungen über Schadstoffbelastungen in Luft und Wasser in und um Korbach liegen vor?

In Korbach selbst gibt es keine kontinuierliche Luftmessstation. Die nächstgelegene Luftmessstation befindet sich in Bad Arolsen, etwa 14 km nordöstlich von Korbach. An dieser Station werden folgende Luftschadstoffe gemessen:

- Schwefeldioxid,

- Stickstoffmonoxid,

- Stickstoffdioxid,

- Ozon,

- Feinstaub (PM10).

Die an der Luftmessstation Bad Arolsen gemessenen Immissionskenngrößen beschreiben die Immissionssituation in einem ländlich geprägten Gebiet.

Eine weitere Luftmessstation wird u.a. in Kassel betrieben. Die Station Kassel-Nord liegt etwa 43 km östlich von Korbach. Die dort gemessenen Luftschadstoffe umfassen neben den in Bad Arolsen gemessenen Komponenten zusätzlich Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe ohne Methan. Hier wurden im Rahmen des Schwebstaubmessprogramms auch die Schwermetalle im Staubniederschlag untersucht. Die Lage der Station beschreibt die Immissionssituation in einem industriell geprägten städtischen Gebiet.

Im Bereich der Stadt Korbach und ihrer Umgebung sind verschiedene Belastungen des Grundwassers bekannt und bei den zuständigen Behörden in Bearbeitung. Ein massiver Grundwasserschaden liegt im Bereich des Altöl verarbeitenden Betriebes (Am Kniep) vor.

Dort sind hauptsächlich während und nach dem Zweiten Weltkrieg große Mengen von Mineralöl und Lösungsmittel (leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe, LHKW) in den Untergrund gelangt. Im Bereich dieses Betriebes wird seit Mitte der Achtzigerjahre eine Grundwassersanierungsanlage betrieben. Das geförderte Grundwasser ist mit Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW), aromatischen Kohlenwasserstoffen (BTEX) sowie LHKW belastet und wird nach Reinigung über eine Stripp-Anlage und Aktivkohlefilter zu Spülzwecken im Oberstrom wieder in den Untergrund versickert. Das Sanierungsziel ist noch nicht erreicht.

Eine weitere Grundwassersanierungsanlage wird am nordwestlichen Ortsrand von Korbach betrieben, wo Anfang der Achtzigerjahre durch Havarien in einem Betrieb zur Herstellung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen ein LHKW-Schaden entstanden ist. Im Zuge dieser Sanierungsmaßnahmen werden regelmäßig Grundwasseruntersuchungen durchgeführt und systematisch ausgewertet.