Feuerwehr

Neunundsechzigste Vergleichende Prüfung „Feuerwehren II" Zwölfter Zusammenfassender Bericht 45

5.20 Kennzeichnendes Merkmal: Strahler der Gefahrengruppe II oder III

In der Anlage zur Feuerwehrorganisationsverordnung sind in der Gefahrenart Nukleare, Biologische, Chemische Stoffe (NBC) die drei Risikokategorien der Feuerwehrgefahrengruppe ausschlaggebend. Die Feuerwehr-Dienstvorschriften (FWDV)48 9/1 und 9/2 legen fest, dass Einsätze in Objekten, in denen mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird und die in die Gefahrengruppe II oder III eingestuft wurden, nur mit Strahlenschutz-Sonderausrüstung (Kontaminationsschutzkleidung und Strahlenschutzmesstechnik) geschehen dürfen.

Sind in einem Ortsteil Objekte vorhanden, die in die Gefahrengruppe II oder III eingestuft wurden, gehört dieser in die Risikokategorie NBC 3. Nach der Feuerwehrorganisationsverordnung muss in der Ausrüstungsstufe I neben der Strahlenschutz-Sonderausrüstung ein GerätewagenGefahrgut des Typs GW-G (7,5 t) in der Hilfsfrist von zehn Minuten vor Ort sein.

Auf dem GW-G (7,5 t) ist nach DIN 14 555 Teil 13 keine Strahlenschutz-Sonderausstattung vorgesehen. Sie muss zusätzlich beschafft und vorgehalten werden.

In Groß-Gerau war der Stadtteil Dornheim der Risikokategorie NBC 3 zuzuordnen.

Dort lag ein Betrieb der Gefahrengruppe II. Sonst gab es kein weiteres NBC relevantes Gefahrenpotenzial. Für den Ortsteil muss nach der Feuerwehrorganisationsverordnung ein Gerätewagen/Gefahrgut (7,5 t) beschafft werden. Die Investitionskosten für das Fahrzeug liegen bei 194.000 49 ohne den Fahrzeugstellplatz und ohne Unterhalt.

5.21 Zweiter Rettungsweg

In jedem Gebäude mit Aufenthaltsräumen müssen nach der Hessischen Bauordnung zwei voneinander unabhängige Rettungswege vorhanden sein50. Der erste Rettungsweg führt über die notwendigen Flure oder Treppenhäuser. Der zweite Rettungsweg wird in der Regel aus Kostengründen nicht gebaut, er wird vielmehr im Schadensfall von der Feuerwehr mit ihren Leitern oder Hubrettungsfahrzeugen gebildet. Da mit Leitern oder Hubrettungsfahrzeugen unterschiedliche Rettungshöhen erreicht werden, kommt der Brüstungshöhe in der Gefahrenart Brand entscheidende Bedeutung zu.

Zwecks Einteilung in Risikokategorien wird zwischen folgenden Brüstungshöhen unterschieden: 48 Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 20. April 2001, StAnz. 19/2001, S. 1666

49 Herangezogen wird der Satz der Anlage 2a zur Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen des Landes Hessen zur Förderung des Brandschutzes (Brandschutzförderrichtlinie) vom 18. August 2000

(StAnz. 2000 S. 2738) zuletzt geändert durch Erlass vom 7. September 2001.

50 § 13 Absatz 3 Satz 1 Hessische Bauordnung Ansicht 18: Gerätewagen-Gefahrgut GW-G (7,5 t) der Freiwilligen Feuerwehr Großenlüder. Besatzung 2 Mann. Anschaffungskosten nach der Brandschutzförderrichtlinie 194.000. Investitionen durch NBC 3-Einstufung Forderungen des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und der Feuerwehrorganisationsverordnung an die Städte und Gemeinden 46 Zwölfter Zusammenfassender Bericht Kennzeichnendes Merkmal Brüstungshöhe und Risikokategorien Kennzeichnendes Merkmal Risikokategorie Gebäudehöhe: höchstens 7 m Brüstungshöhe B 1

Gebäudehöhe: höchstens 7 m Brüstungshöhe B 2

Gebäudehöhe: höchstens 12 m Brüstungshöhe B 3

Gebäudehöhe: höchstens 23 m Brüstungshöhe B 4

Ansicht 19: Kennzeichnendes Merkmal Brüstungshöhe und Risikokategorien

Mit den in der Ausrüstungsmatrix für die Risikokategorien B 1 bis B 3 vorgesehenen Feuerwehrfahrzeugen wird der zweite Rettungsweg sichergestellt. Die Risikokategorie B 4 sieht für die Ausrüstungsstufe I eine DLK 18-12 vor. Mit dem Rettungsfahrzeug können nur Nennrettungshöhen von 18 Metern erreicht werden, was in der Regel dem 6. Gebäudevollgeschoss entspricht.

In der Risikokategorie B 4 werden aber Gebäude mit einer Brüstungshöhe von bis zu 23 Metern zugelassen. Das entspricht einem Gebäude mit bis zu acht Vollgeschossen. Das dafür adäquate Hubrettungsfahrzeug ist eine DLK 23-12. Dieser Hubrettungsfahrzeugtyp ist in der Feuerwehrorganisationsverordnung erst in der Ausrüstungsstufe II für die überörtliche Gefahrenabwehr vorgesehen. Dies bedeutet, dass nach Feuerwehrorganisationsverordnung der zweite Rettungsweg für das 7. oder 8. Geschoss bei Gebäuden mit einer Brüstungshöhe zwischen 18 und 23 Metern erst binnen 20 Minuten sicherzustellen ist.

Diese Regelung für das 7. und 8. Geschoss ist aus feuerwehrtaktischer Sicht riskant.

Die Überörtliche Prüfung empfahl daher der Stadt Kronberg, die für den gemeindlichen Grundbrandschutz vorhandene DLK 18-12 durch eine DLK 23-12 zu ersetzen. Die Stadt folgte der Empfehlung.

5.22 Forderungen des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und der Feuerwehrorganisationsverordnung an die Städte und Gemeinden

Wie in Kapitel 5.10 ab Seite 32 ausgeführt, erfüllte keine der Städte und Gemeinden den an sie gerichteten gesetzlichen Auftrag für den gemeindlichen Grundbrandschutz vollständig.

Der gesetzliche Auftrag bildet zugleich den an die Städte und Gemeinden sowie deren Verantwortliche gerichteten Sorgfalts- und Haftungsmaßstab. Die Überörtliche Prüfung ist der Auffassung, dass die Städte und Gemeinden die Standards nach dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz und der Feuerwehrorganisationsverordnung nur mit höchstem finanziellen und personellen Aufwand bewältigen können.

Sicherheitsrisiko durch B 4 - Ausstattung Ansicht 20: Drehleiter (DLK 18/12) der Freiwilligen Feuerwehr Kronberg im Taunus. Besatzung 2 Mann. Anschaffungskosten nach der Brandschutzförderrichtlinie 332.000. Neunundsechzigste Vergleichende Prüfung „Feuerwehren II" Zwölfter Zusammenfassender Bericht 47

5.23 Ortsteilfeuerwehren

Die 21 Städte und Gemeinden hatten 133 Ortsteilfeuerwehren. Davon waren 112 für den gemeindlichen Grundbrandschutz nötig.

5.24 Fahrzeugausstattung

Das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz und die Feuerwehrorganisationsverordnung stellen erhebliche Anforderungen an die Fahrzeugausstattung. Ihre Erfüllung bedeutete eine deutliche finanzielle Mehrbelastung der Städte und Gemeinden.

Nach dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz und der Feuerwehrorganisationsverordnung wären für die örtliche Gefahrenabwehr in den 21 Städten und Gemeinden 223 Feuerwehrfahrzeuge (zuzüglich 5 Mehrzweckboote) nötig. Ihr aktueller Beschaffungswert51 läge bei 33,6 Millionen. Unter Berücksichtigung des Fahrzeug-Ist-Bestands ergäben sich für die Anschaffung von 163 neuen Fahrzeugen Investitionen von 23,4 Millionen.

Da die Feuerwehrorganisationsverordnung keine Übergangsregelungen und keine Übergangsfristen kennt, wären die Investitionen an sich sofort fällig. Eine solche Belastung können die Gemeinden nicht verkraften. Nach Auffassung der Überörtlichen Prüfung ist daher eine Übergangsregelung in Form einer Substitutionsregelung einzuräumen. Anstelle der nach dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz und der Feuerwehrorganisationsverordnung für den Grundbrandschutz benötigten neuen Feuerwehrfahrzeuge könnten so lange vorhandene Feuerwehrfahrzeuge eingesetzt werden, als sie den gleichen feuerwehrtechnischen und taktischen Einsatzwert besitzen wie Neufahrzeuge (Substitution).

Die bei den Ortsteilfeuerwehren vorhandenen Fahrzeuge wurden auf ihre Substitutionsfähigkeit untersucht. 56 wären für eine befristete Weiterverwendung geeignet.

Danach wären statt 163 Fahrzeugen nur noch 107 Feuerwehrfahrzeuge zu beschaffen.

Gleichwohl bedeutete auch dies, dass 48 Prozent aller für den Grundbrandschutz nötigen Fahrzeuge neu zu kaufen wären. August 2000

(StAnz. 2000 S. 2738), zuletzt geändert durch Erlass vom 7. September 2001.

Fehlende Übergangsregelung