Autobahnraserei

In den Nachrichten wurde in jüngster Vergangenheit immer wieder über schwere Fälle von "Autobahnraserei" und "Dränglerei" berichtet, die Ursachen für schwerste Verkehrsunfälle waren. Hierbei kam es zu erheblichen Sach- und Personenschäden.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport wie folgt:

Frage 1. a) Liegt der Landesregierung eine Statistik über die Unfallquote 2002 vor, a) in Hessen, b) im Vergleich zu anderen Bundesländern hinsichtlich a) der Quantität (reinen Anzahl) von Unfällen, b) der Anzahl von Unfällen mit aa) leichten Personenschäden, bb) schweren Personenschäden, cc) Todesopfern, die sich aufgrund von "Drängeln" oder wesentlich überhöhter Geschwindigkeit ereigneten?

b) Wenn ja, wie sieht diese aus?

c) Wie sieht generell die Unfallstatistik bezogen auf das Bundesland Hessen aus?

Die Differenzierung von Verkehrsunfällen nach ihren Ursachen erfolgt nach dem seit 1975 geltenden Ursachenverzeichnis. Danach werden unter anderem die "nicht angepasste Geschwindigkeit" (auch ohne gleichzeitige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) und der "ungenügende Sicherheitsabstand" als Merkmal erfasst. Eine Erfassung von Verkehrsunfällen nach der Ursache der "wesentlich überhöhten Geschwindigkeit" im Sinne einer "Raserei" oder der Ursache "Drängelei" erfolgt nicht.

Die als Anlage 1 beigefügten Statistiken beruhen auf den Veröffentlichungen des Hessischen Statistischen Landesamtes und des Statistischen Bundesamtes. Sofern innerhalb der Tabellen keine Zahlen ausgewiesen werden, liegen diese in Hessen nicht vor.

Im Hinblick auf weitere generelle statistische Ausweisungen zum Unfallgeschehen in Hessen im Jahre 2002 wird auf den Datenband "Statistische Berichte - Straßenverkehrsunfälle in Hessen 2002", Hrsg. Hessisches Statistisches Landesamt (Wiesbaden, 2003) hingewiesen.

Frage 2. a) Liegt der Landesregierung bereits eine gleiche Statistik über die ersten acht Monate des Jahres 2003 vor?

b) Wenn ja, wie sieht diese aus?

Für das Bundesland Hessen liegen die vergleichbaren Informationen (so genannte vorläufige Ergebnisse des Hessischen Statistischen Landesamtes) für den Zeitraum Januar bis einschließlich Juli 2003 vor (s. Anlage 2). Vergleichbare Zahlen aus dem übrigen Bundesgebiet liegen nicht vor.

Frage 3. a) Liegt der Landesregierung eine Prognose für die nächsten 5 bis 10 Jahre vor?

b) Wenn ja, wie sieht diese aus?

Eine Prognose bezüglich der Unfallentwicklung insbesondere auf Autobahnen für die nächsten 5 bis 10 Jahre gibt es nicht. Dies resultiert u.a. aus der Erfahrung, dass bei langjährigem Vergleich der Unfalldaten mitunter erhebliche Schwankungen beim Unfallgeschehen zu beobachten sind. Diese sind Eingegangen am 5. Dezember 2003 · Ausgegeben am 19. Dezember 2003 in der Regel nur eingeschränkt zu erklären. Bei landesweiten Netzbetrachtungen liegen häufiger ausschließlich witterungsbedingte Überlegungen zugrunde. Näherungsweise kann über die zurückliegende Unfallentwicklung eine Trendabschätzung gegeben werden. Danach bewegt sich die Zahl der Unfälle mit leichtem Personenschaden seit Anfang der Neunzigerjahre etwa auf gleichem Niveau, die Zahl der Unfälle mit schwerem Personenschaden ist dagegen auf Autobahnen leicht rückläufig, d.h. dieser Rückgang ist sowohl bei der Getötetenzahl als auch bei der Schwerverletztenzahl zu beobachten und wird sich eventuell in geringem Umfang auch in der Zukunft fortsetzen.

Frage 4. a) Gehen aus den Statistiken besondere Unfallschwerpunkte auf hessischen Strassen hervor oder sind der Landesregierung solche aus anderen Erhebungen bekannt?

b) Wenn ja, welche sind das?

Auf Basis der statistisch verfügbaren Daten lassen sich zunächst nur auffällige Streckenbereiche identifizieren. Deshalb werden diese in Hessen im Rahmen einer örtlichen Unfalluntersuchung jährlich auf Grundlage aller polizeilich registrierten Unfälle genauer analysiert und bewertet. Sofern das Unfallgeschehen hierbei eindeutige Schlussfolgerungen zulässt, werden gezielt Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Im Bereich der Autobahnen handelt es sich häufig um bauliche Maßnahmen (z.B. Verbesserung der Fahrbahngriffigkeit durch Deckenerneuerung), im Ballungsraum Rhein-Main werden einige hochbelastete Streckenabschnitte in den nächsten Jahren zur Erhöhung der Verkehrssicherheit aber auch mit Streckenbeeinflussungsanlagen ausgestattet. Schwerpunktmäßig betrifft dies Bereiche der A 3 und A 5.

Frage 5. a) Plant die Landesregierung Maßnahmen, um Unfällen durch "Drängler" und "Raser" in Zukunft besser vorzubeugen?

b) Wenn ja, wie sehen diese aus?

Die polizeilichen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Straßenverkehr orientieren sich u.a. an erkannten Unfallpunkten, Unfallstrecken oder Unfallhäufungsgebieten, den Hauptunfallursachen (z.B. die nicht angepasste Geschwindigkeit) und den Risikogruppen (z.B. die so genannten "jungen Fahrer"). In diesem Zusammenhang wurden bislang auch regelmäßig verstärkt verkehrsüberwachende Maßnahmen auf den Bundesautobahnen durchgeführt, beispielsweise durch die Einrichtung von Großkontrollstellen oder den Einsatz mobiler Kontrolleinheiten. Die hessische Polizei wird auch im Jahr 2004 in gleicher Weise verfahren.

Weiter verbessert wird die technische Ausstattung der hessischen Polizei, u.a. durch die Beschaffung von zivilen Einsatzfahrzeugen mit so genannten mobilen digitalen Videonachfahreinrichtungen. Diese Fahrzeuge werden überwiegend zur Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen und zur Überwachung des Sicherheitsabstandes im fließenden Verkehr auf den Bundesautobahnen eingesetzt. Dies dient insbesondere auch der vorbeugenden Bekämpfung der durch "Drängelei" und "Raserei" verursachten Verkehrsunfälle.

Die für Oktober 2004 vorgesehene organisatorische Zusammenführung der Polizeiautobahnstationen Erbenheim und Idstein in einer neuen Polizeiautobahnstation Medenbach wird weitere Beamtinnen und Beamte für den Streifendienst auf den Bundesautobahnen freisetzen.

Frage 6. Plant die Landesregierung eine Bundesratsinitiative, um eine Verschärfung der StVO zu erreichen?

Zurzeit ist keine Bundesratsinitiative geplant. Rasen und Drängeln sind bereits heute schon nach §§ 1, 2, 3, 4 und 5 der Straßenverkehrsordnung nicht zulässig und können über das Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht geahndet werden. Allerdings gestaltet sich die Beweislast eines solchen Deliktes in der Praxis häufig als sehr schwierig. Von Privatpersonen gemeldete Anzeigen wegen aggressiven Verhaltens führen trotz gewissenhafter und konsequenter Verfolgung meist zu keiner Ahndung, da eine Identifikation des Fahrers in der Regel nicht möglich ist. Aus diesem Grunde wäre es sinnvoll, die polizeiliche Kontrolltätigkeit unter Einsatz moderner Überwachungskameras, wie bereits in der Antwort zu Frage 5 dargestellt, zu verstärken.

Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz und die Effektivität von Tempolimits, a) um Unfällen generell vorzubeugen, b) nur an bestimmten Unfallschwerpunkten?

Nach der Straßenverkehrsordnung unterliegen Autobahnen grundsätzlich keiner Geschwindigkeitsbeschränkung; es gilt Richtgeschwindigkeit 130 km/h. Geschwindigkeitsbeschränkungen können nur von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde und nur im konkreten Einzelfall für bestimmte Strecken angeordnet werden, wenn dies aufgrund besonderer Umstände erforderlich oder gerechtfertigt ist. Sie dienen in erster Linie der Verkehrssicherheit. Als Maß für die Verkehrssicherheit gelten die Unfallzahlen.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Urteil vom 31. März 1999 (Az.: 2 UE 2346/96) dargelegt, welche Anforderungen an Verkehrsbeschränkungen bezüglich des Lärmschutzes beziehungsweise der Verkehrssicherheit zu stellen sind. Bezüglich der Verkehrssicherheit fordert der VGH eine erhebliche Überschreitung der hessenweiten Vergleichswerte (mittlere Unfallrate des gleichen Zeitraumes von allen hessischen unbeschränkten Streckenabschnitten mit gleicher Fahrstreifenanzahl) als Begründung für eine Geschwindigkeitsbeschränkung.

Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung war somit gehalten, landesweit die entsprechenden Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen bezüglich ihrer Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Es wurde daraufhin eine umfangreiche Begutachtung aller Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen in Hessen sowohl aus Verkehrssicherheits- als auch aus Lärmschutzgründen durchgeführt. Ergebnis dieser Untersuchung war, dass bei einigen Streckenabschnitten eine Beschränkung oder die Höhe der Beschränkung nicht mehr gerechtfertigt und begründbar war, sodass diese auf- oder angehoben werden mussten. Für das gesamte Autobahnnetz wird darüber hinaus jedes Jahr vom Hessischen Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen eine differenzierte Unfalluntersuchung durchgeführt. Auffällige Streckenabschnitte werden in der Verkehrssicherheitskommission sowie in der Autobahnkommission erörtert und durchzuführende Maßnahmen festgelegt.

Frage 8. Plant die Landesregierung den verstärkten Einsatz von Polizeifahrzeugen, um eine bessere Kontrolle und Durchsetzung der StVO auf der Autobahn zu gewährleisten?

Auch im Jahr 2004 werden im Rahmen von Schwerpunktaktionen zur Verkehrssicherheit verstärkte Maßnahmen unter Einsatz von Zivilfahrzeugen und Funkstreifenwagen u.a. auf den Bundesautobahnen durchgeführt werden. Vorgesehen ist dabei eine enge Orientierung an den Hauptunfallursachen und den so genannten Risikogruppen unter den Verkehrsteilnehmern.

Einzelne Aktionszeiträume wurden noch nicht festgelegt.

Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, Autofahrer nach einer gewissen Zeit für Aufbautrainings zu verpflichten?

Junge Fahranfänger sind nach dem Bestehen der Fahrerlaubnisprüfung noch keine "fertigen" Kraftfahrzeugführer. Wichtige Lernschritte können erst im Laufe der selbstständigen Verkehrsteilnahme erfolgen. Dies betrifft sowohl die Fähigkeit, die Entwicklung gefährlicher Verkehrssituationen rechtzeitig vorhersehen zu können, als auch die Fahrzeugbeherrschung in kritischen Situationen.

Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich alle Maßnahmen, die geeignet sind, das Unfallrisiko, insbesondere auch der jungen Fahranfänger, zu senken. Hierzu zählt auch die Durchführung von Trainingsmaßnahmen. Dabei hat die Landesregierung, soweit es sich um Maßnahmen außerhalb des Führerscheins auf Probe handelt, im Interesse des "Lernerfolgs" stets auf eine freiwillige Teilnahme gesetzt.

Die Frage, ob Fahrerlaubnisinhaber nach einer gewissen Zeit zur Teilnahme an einem Aufbautraining verpflichtet werden sollten oder eine freiwillige Teilnahme an einem entsprechenden Training, verbunden mit einem Anreiz, wie z. B. der Verkürzung der Probezeit, ist zuletzt im Zusammenhang mit der Verordnung über die freiwillige Fortbildung von Inhabern der Fahrerlaubnis auf Probe (Fahranfängerfortbildungsverordnung - FreiwFortbV) auf Bund-Länder-Ebene diskutiert worden. Dabei hat sich selbst bei diesem Personenkreis für eine verpflichtende Fortbildung keine Mehrheit gefunden.

Frage 10. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung, während der Fahrschule zukünftig verstärkt rücksichtsvolles Fahren zu vermitteln?

Defensives vorausschauendes Fahren ist seit 1999 in der Fahrschülerausbildungsordnung verankert. Ihr kommt ein besonderer pädagogischer Wert zu.

Da einige Fahrschulen trotz aller Fortbildungsmaßnahmen diesem Thema nicht immer den erforderlichen Stellenwert beigemessen haben, haben sich Bund und Länder inzwischen darauf verständigt, ab dem 1.