Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten seit der Aufhebung des Bauverbotes

Durch die Novellierung des Hessischen Wassergesetzes (HWG) vom 18. Juli 2002 wurde auf Initiative der CDU-geführten Landesregierung das generelle Bauverbot in Überschwemmungsgebieten in Hessen innerhalb der bebauten Ortslagen in Hessen aufgehoben. Insbesondere ist es den Gemeinden möglich, durch Bebauungspläne in den Überschwemmungsgebieten die Bebauung zu ermöglichen. Mit der Kleinen Anfrage wird die Landesregierung gebeten, die Erfahrungen mit dieser Regelung und potenzielle zukünftige Entwicklungen zu ermitteln.

Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt:

Frage 1. Welche Gemeinden haben seit der Änderung des Hessischen Wassergesetzes vom 18. Juli 2002 Flächennutzungspläne beschlossen, in denen eine Bebauung in festgestellten Überschwemmungsgebieten bzw. nach § 69 Abs. 1 Satz 3 HWG vorläufig geschützten Gebieten vorgesehen ist?

Frage 2. In welchen Gemeinden wurden seit der Änderung des Hessischen Wassergesetzes im Sommer 2002 Bebauungspläne rechtskräftig, in denen eine Bebauung in festgestellten Überschwemmungsgebieten bzw. nach § 69 Abs. 1 Satz 3 HWG vorläufig geschützten Gebieten ermöglicht wird?

Frage 3. Welche Art der Bebauung wurde dabei in den Bebauungsplänen festgesetzt?

Insofern Wohnnutzung ermöglicht wurde, wie viele Wohneinheiten sind in etwa vorgesehen?

Frage 4. Wie viele Bauwerke in welchen Gemeinden wurden aufgrund einer Baugenehmigung nach § 34 BauGB in festgestellten Überschwemmungsgebieten bzw. nach § 69 Abs. 1 Satz 3 HWG vorläufig geschützten Gebieten genehmigt?

Insofern Wohnhäuser ermöglicht wurden, wie viele Wohneinheiten sind vorgesehen?

Frage 5. Welche Regelungen hinsichtlich der Bauweise oder anderer Maßnahmen zum Schutz der Bauwerke vor Hochwasser für die Gebäude und deren Nutzerinnen und Nutzer wurden jeweils in den Bebauungsplänen bzw. im Rahmen der Baugenehmigungen durch wen festgelegt?

Wie und durch wen wird die Einhaltung dieser Regelungen überwacht?

Wie viele Verstöße wurden bisher wo festgestellt?

Frage 6. Welche Regelungen hinsichtlich des Retentionsraumverlustes wurden in den Bebauungsplänen bzw. im Rahmen der Baugenehmigungen jeweils durch wen getroffen?

Konnte ein vollständiger Ausgleich des Retentionsraums am jeweiligen Gewässer sichergestellt werden?

Wenn nein, wo nicht?

Wie und durch wen wird die Einhaltung dieser Regelungen überwacht?

Wie viele Verstöße wurden bisher wo festgestellt?

Bauleitpläne und Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten und im Uferbereich werden nicht statistisch erfasst. Daher kann die Kleine Anfrage nicht innerhalb der nach § 35 Abs. 3 GOHLT gesetzten Frist beantwortet werden.

Grundsätzlich lässt sich aber mitteilen, dass im Rahmen der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen die Wasserbehörden im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange beteiligt werden. Damit ist sichergestellt, dass die Belange des Hochwasserschutzes bei der Bauleitplanung berücksichtigt werden.

Bei einzelnen Bauvorhaben erfolgt eine Beteiligung der Wasserbehörde, wenn es sich um genehmigungspflichtige Bauvorhaben nach § 57 (nur Außenbereich) oder § 58 HBO handelt. Auf die Notwendigkeit der Beteiligung ist im Anhang 1 der Handlungsempfehlungen zur HBO 2002 vom 22. Januar 2004 (StAnz. S. 746) hingewiesen (Nr. 2.2.7.1 und 3.3.16.4).

Frage 7. Wie viele Flächen sind in Hessen derzeit innerhalb geschlossener Ortschaften als Überschwemmungsgebiete festgestellt bzw. nach § 69 Abs. 1 Satz 3 HWG geschützt?

Welche Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind davon betroffen?

Es ergibt sich bei Verschneidung der vorliegenden digitalen Überschwemmungsgebietsgrenzen mit den Ortslagen aus dem ATKIS-Datenbestand (Amtliches topographisches Karten-Informationssystem) für Hessen eine betroffene Gesamtfläche von 49,3 km². In dieser Zahl sind nur die Überschwemmungsgebiete enthalten, für die ein digitaler Datenbestand vorliegt.

Die betroffenen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern sind: Frankfurt/Main, Offenbach/Main, Hanau, Rüsselsheim, Wetzlar, Wiesbaden.

In Kassel, Fulda, Gießen und Marburg liegen entweder noch keine festgestellten Überschwemmungsgebiete vor oder es besteht eine ältere Feststellung, für die es noch keinen digitalen Datenbestand gibt. Nur marginal betroffen sind Bad Homburg mit 2,6 Hektar und Darmstadt mit 0,63 Hektar.

Frage 8. Bis wann wird die Feststellung der im Rahmen des Projektes Retentionskataster Hessen noch zu ermittelnden ca. 700 km Gewässer voraussichtlich abgeschlossen sein?

Das Projekt Retentionskataster Hessen wird nach derzeitigen Stand bis zum Jahr 2008 abgeschlossen sein.

Die danach notwendige weitere Bearbeitung der verbleibenden wasserrechtlichen Feststellungsverfahren kann sich in Abhängigkeit vom verfügbaren Personal über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erstrecken.

Frage 9. Für welche Gewässerabschnitte 1. und 2. Ordnung stehen die Feststellungen (siehe Frage 8) noch aus und bis wann ist jeweils mit einer Feststellung zu rechnen? Die Dauer dieser Verfahren ist deswegen nicht zuverlässig absehbar. Daher kann eine Angabe eines voraussichtlichen Feststellungszeitpunkts nicht erfolgen.

Frage 10. Welche der Überschwemmungsgebiete dieser Gewässerabschnitte (siehe Frage 9) werden derzeit nicht durch die Veröffentlichung von Arbeitskarten geschützt und warum nicht?

Aus dem Erfassungsdatenbestand zum Retentionskataster und dem Abgleich mit den Gewässern 1. und 2. Weitere Gründe können sein:

- Die Feststellung steht kurz vor dem Abschluss und wird demnächst eingeleitet.

- Das Feststellungsverfahren ist eingeleitet und befindet sich in der internen Behördenbeteiligung.

- Es ist eine Neuberechnung erforderlich, da zugrunde gelegte Abflüsse durch neuere Pegelmessungen korrigiert werden mussten.

- Querprofile waren neu aufzunehmen.

Frage 11. In welchen Fällen wurde bisher die Regelung des § 69 Abs. 1 Satz 3 HWG wirksam, wonach der Schutz der Überschwemmungsgebiete durch die Veröffentlichung von Arbeitskarten nach fünf Jahren ausläuft?

Aus der Zusammenschau der jährlichen Stichtagserfassungen zum Retentionskataster konnten die aus der Anlage ersichtlichen Gewässerabschnitte mit einer gesamten Gewässerlänge von 442 km ermittelt werden, die einstmals durch Veröffentlichung gesichert waren und derzeit nach Ablauf der 5 Jahres-Frist nur noch den Status einer unverbindlichen Information ohne Rechtswirkung besitzen.

Im Rahmen der Novellierung des Hessischen Wassergesetzes wird angestrebt, die Frist von 5 auf 10 Jahre zu verlängern.

Wiesbaden, 19. November 2004

Wilhelm Dietzel Anlage Anlage Gewässer Streckenlänge Allna 7,10 km Amorbach/Richerbach 0,80 km Äschersbach 9,76 km Asphe 10,06 km Bieber 8,01 km Braubach 1,74 km Daisbach 13,10 km Dattenbach (Dettenbach) 14,30 km Dautphe 6,19 km Efze 18,00 km Ems 8,00 km Esse 14,40 km Felda 22,25 km Fischbach 3,50 km Gilgbach 7,88 km Horloff (Regierungspräsidium Gießen) 15,90 km Ilsbach 3,07 km Josbach 0,45 km Klein (Gleen) 18,72 km Krebsbach 4,00 km Kröftelbach 2,50 km Lahn (nur Landkreis Gießen) 21,10 km Lempe 1,75 km Liederbach 9,47 km Lückenbach 8,34 km Otterbach 2,10 km Rentbach 2,66 km Richerbach 10,99 km Röderbach / Richerbach 2,84 km Sauerbornsbach 3,42 km Schwalbach 2,57 km Schwalm (Eder) 20,80 km Schwarza (Jossa) 5,47 km Schwarzbach 15,70 km Schwingbach 5,37 km Seelbach 1,03 km Seenbach 9,50 km Silberbach 1,00 km Streitbach (Sausel) 8,96 km Sulzbach 2,93 km Sulzbach 7,75 km Theißbach 1,24 km Treisbach (Engelbach) 13,03 km Waldbach 2,69 km Weiherbach 4,50 km Wetschaft 18,00 km Wetter (Regierungspräsidium Gießen) 8,00 km Wiera 1,90 km Wieseck 21,30 km Wohra 16,00 km Wollmar 5,85 km Zwester Ohm 16,54 km