Schweinemastskandal im Landkreis Darmstadt-Dieburg

In der Sendung Stern TV vom 26. Januar 2005 wurden unerträgliche tierschutzwidrige Szenen in einem Schweinemaststall in Darmstadt-Dieburg gezeigt. Im Verlauf der Sendung traten offensichtliche Mängel bei der Kontrolle durch die Veterinärbehörden in Hessen zutage. Auch Minister Dietzel äußerte sich in Stern TV zu diesem Fall.

Vorbemerkung des Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz:

Das zuständige Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz hat den fraglichen Betrieb ordnungsgemäß kontrolliert und dafür gesorgt, dass die gravierenden Mängel abgestellt wurden. Eine noch so dichte Überwachung kann jedoch nicht verhindern, dass einzelne Betriebe Rechtsverstöße begehen.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie oft und unter welchen Umständen werden die Tierhaltungen in landwirtschaftlichen Betrieben in Hessen in der Regel durch die Veterinärbehörden kontrolliert?

Tierhaltungen in landwirtschaftlichen Betrieben werden aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften (Tierschutz-, Tierseuchen-, Fleischhygiene-, Arzneimittel- und Futtermittelrecht) überprüft.

Für tierschutzrechtliche Überprüfungen gibt es keine Vorgaben bezüglich der Kontrollfrequenz. Hier erfolgen neben Routinekontrollen noch anlassbezogene Kontrollen. Diese werden dann durchgeführt, wenn den Veterinärbehörden Missstände seitens besorgter Bürger oder im Rahmen von Kontrollen aufgrund anderer Rechtsvorschriften angezeigt werden. Allen diesen Anzeigen wird unmittelbar nachgegangen.

Die durchgeführten Kontrollen finden in der Regel unangemeldet statt. Bestehende Mängel werden dokumentiert, gegebenenfalls Anordnungen zu deren Beseitigung getroffen und entsprechende zeitnahe Nachkontrollen durchgeführt. Vorgefundene Mängel werden zudem im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten- oder gegebenenfalls Strafverfahrens geahndet.

Frage 2. Wie oft wurde der betroffene Betrieb in den letzten fünf Jahren vor April 2004 durch das zuständige Veterinäramt kontrolliert, wurden Mängel festgestellt und wann wurden diese jeweils abgestellt?

Der betroffene Betrieb wurde - in Verbindung mit dem Schweinegesundheitsdienst des Landesbetriebes Hessisches Landeslabor - von Januar 2000 bis April 2004 insgesamt fünf Mal überprüft. Hinzu kommen jährliche Blutprobenentnahmen durch den Schweinegesundheitsdienst zur Aufrechterhaltung des Status "AK-freier Bestand". Zusätzlich erfolgte am 4. März 2003 im Rahmen der Eigenkontrolle eine Überprüfung des Betriebes durch die QS-Qualität und Sicherheit GmbH. Der Bestandstierarzt ist mehrmals pro Mastdurchgang im Bestand.

Eingegangen am 17. Juni 2005 Ausgegeben am 30. Juni 2005

Bei keiner der erfolgten Überprüfungen wurden gravierende Mängel festgestellt.

Frage 3. Tierschützer beobachteten die üblen Zustände in dem betroffenen Stall seit Dezember 2003. Wann lagen dem zuständigen Veterinäramt in Darmstadt die ersten Hinweise zu den tierschutzwidrigen Vorkommnissen in dem Betrieb vor, trifft es zu, dass sich das Amt zunächst aus Personalmangel nicht um die Vorkommnisse kümmern wollte, und trifft es zu, dass erst durch Druck des Regierungspräsidiums das Veterinäramt eine Prüfung im betroffenen Betrieb durchführte, zu welchem Zeitpunkt war dies, welche Ergebnisse wurden festgestellt und welche Konsequenzen gezogen?

Am Dienstag, 13. April 2004, erhielt das zuständige Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Darmstadt-Dieburg eine E-Mail mit zwei Fotoaufnahmen von Sylvia Kahl ("Tiere in Not Odenwald e.V."). Nach unverzüglicher telefonischer Rücksprache des zuständigen Amtes für Veterinärwesen und Verbraucherschutz mit Frau Kahl erfolgte innerhalb von zwei Stunden eine unangemeldete 1,5-stündige Überprüfung des betroffenen Maststalles, ohne dass gravierende Mängel festgestellt wurden.

Am Mittwoch, 14. April 2004, setzte sich der zuständige Dezernatsleiter des Regierungspräsidiums Darmstadt telefonisch mit dem Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Darmstadt-Dieburg in Verbindung, da durch „Tiere in Not Odenwald e.V." weitere Fotoaufnahmen und eine Kopie der Strafanzeige gegen den Betreiber des Schweinemaststalls abgegeben worden seien. Aufgrund dessen erfolgte am 15. April 2004 eine erneute und ebenfalls unangekündigte zweistündige Überprüfung. Hierbei wurden Fotoaufnahmen gefertigt, jedoch keine gravierenden Mängel festgestellt. Die von "Tiere in Not Odenwald e.V." übergebenen Fotos konnten in zwei Fällen je einem toten Schwein (bei ca. 1.300 Mastschweinen) zugeordnet werden.

Die mündlichen Auflagen der ersten Überprüfung (Separierung verletzter Tiere, Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten, keine Überbelegung, Auswechseln defekter Glühbirnen, Einmalhandtücher am Handwaschbecken) waren zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt worden. Am 22. April 2004 erfolgte eine Überprüfung durch die QS Qualität und Sicherheit GmbH, am 5. Mai 2004 eine erneute mehrstündige Überprüfung des betroffenen Maststalls und des Zuchtbetriebs durch das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Darmstadt-Dieburg in Zusammenarbeit mit dem Schweinegesundheitsdienst.

Weitere Überprüfungen fanden am 23. November 2004 durch den Schweinegesundheitsdienst, am 9. Dezember 2004 durch QS Qualität und Sicherheit GmbH und am 16. Dezember 2004 durch das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Darmstadt-Dieburg statt. Dabei waren die gesetzlichen Bestimmungen stets erfüllt worden.

Frage 4. Trifft es zu, dass erst nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen hatte durch das zuständige Veterinäramt Auflagen für die Schweinehaltung in dem betroffenen Betrieb gemacht wurden?

Wenn ja, welche Auflagen wurden gemacht, wann und wie oft genau wurde die Erfüllung der Auflagen bis zum Dezember 2004 durch das Veterinäramt kontrolliert?

Es trifft nicht zu, dass durch das zuständige Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Darmstadt-Dieburg Auflagen erst dann gemacht wurden, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen hatte.

Bereits nach der ersten unangemeldeten Überprüfung am 13. April 2004 erfolgten mündliche Auflagen. Diese waren, soweit in der Kürze der Zeit möglich, bereits am 15. April 2004 erfüllt. Die zeitintensiveren Auflagen (z.B. zusätzliche, räumlich entfernt liegende Tränke, Fertigstellung der Beschäftigungsmöglichkeit in allen Buchten, Spind für Straßenkleidung) wurden ebenfalls zeitnah umgesetzt.

Der Betriebsinhaber zeigte sich bei allen Überprüfungen stets kooperativ.

Frage 5. Im Dezember 2004 wurden erneut unhaltbare tierschutzwidrige Zustände in diesem Betrieb gefilmt. Wie beurteilt die Landesregierung die Stellungnahme des Leiters des Veterinäramtes Darmstadt, dass es aufgrund des akuten Personalmangels nicht möglich sei, auch auffällige Betriebe zeitnah und wiederholt zu inspizieren, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen, und wie und wann gedenkt die Landesregierung solche Missstände abzuschaffen?

Die Landesregierung wird nach erfolgter Kommunalisierung der Veterinärverwaltung die Stellungnahme des Leiters des AVV Darmstadt keiner Bewertung unterziehen. Es liegt in der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der zuständigen kommunalen Behörde, durch entsprechende Prioritätensetzung dafür Sorge zu tragen, dass die vorhandenen personellen Res sourcen optimal eingesetzt werden. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass das den Kommunen im Zuge der Aufgabenübertragung übergeleitete Personal ausreichend ist.

Frage 6. In der Sendung Stern TV machte Minister Dietzel die Aussage, dass in den letzten Jahren das Personal der Veterinärverwaltung verdoppelt wurde. Wie sehen die konkreten Zahlen vorher/nachher in den Veterinärämtern aus?

Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung unsere Auffassung, dass Fleisch aus einer Tierhaltung mit gravierenden Verstößen gegen den Tierschutz quasi als ekelerregend einzustufen ist und der normalen Verbrauchererwartung widerspricht, also einer Verbrauchertäuschung gleichzusetzen ist?

Die Landesregierung respektiert die der Fragestellung zugrunde liegende ethische Auffassung über die Bedeutung des Tierschutzes. Rechtlich verbindliche Handlungsvorgaben für die die Fleischuntersuchung oder die Lebensmittelüberwachung vollziehenden Behörden können jedoch durch die Landesregierung hieraus nicht initiiert werden. Die Beurteilung von Fleisch als tauglich oder untauglich ergibt sich aus den Vorschriften des Fleischhygienegesetzes des Bundes. Hier sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das unter tierschutzwidrigen Umständen gewonnene Fleisch als untauglich erscheinen lassen.

Frage 8. Teilt die Landesregierung die Auffassung des betroffenen Landwirtes, dass die gefilmten Zustände in jeder Schweinehaltung vorkommen können, und was wird die Landesregierung tun, um diese Haltung bei Landwirten zu verändern?

Die Landesregierung teilt diese Auffassung nicht. Sie geht davon aus, dass die zuständigen Behörden bei Landwirten, die gegen tierschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, darauf hinwirken, dass derartige Einstellungen aufgegeben werden. Sie vertraut im Übrigen darauf, dass auch die landwirtschaftlichen Berufsorganisationen die tierschutzgerechte Nutztierhaltung bei ihren Mitgliedern propagieren.