Verschleierung von Identitäten

Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 15/70 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet.

Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt:

Den Ausländerbehörden werden regelmäßig Fälle bekannt, in denen vollziehbar zur Ausreise verpflichtete Ausländer nachhaltig ihre Identität und/oder Herkunft verschleiern und dadurch die Ermittlung des zur Rückübernahme verpflichteten Staates behindern oder unmöglich machen.

Die von den Ausländerbehörden um Ausstellung von Heimreisedokumenten, so genannten Passersatzpapieren, ersuchten Auslandsvertretungen der Herkunftsländer betrachten in diesen Fällen häufig die Angaben der betreffenden Ausländer über den Herkunftsstaat bzw. die eigene Person als unzutreffend und lehnen eine Rückübernahmeverpflichtung ab. Ob dies zu Recht oder zu Unrecht geschieht, bleibt dabei häufig offen.

Neben dem vorsätzlichen Verhalten der Betroffenen zur Verschleierung ihrer tatsächlichen Identität und Herkunft ist deshalb auch eine ungenügende Kooperationsbereitschaft einiger Herkunftsstaaten bzw. ihrer Auslandsvertretungen festzustellen, wenn es um die aktive Unterstützung bei der Klärung der tatsächlichen Identität und Herkunft geht und die erforderlichen Passersatzpapiere ausgestellt werden müssen.

Besondere Probleme entstehen aber auch dadurch, dass von den Betroffenen häufig gezielt Herkunftsangaben zu Staaten gemacht werden, für die Abschiebeschutzregelungen gelten oder in die aus tatsächlichen Gründen nicht zurückgeführt werden kann.

Solange ein zur Rückübernahme bereiter Staat nicht ermittelt werden kann, besteht ein tatsächliches Abschiebungshindernis. Den Betroffenen gelingt es so, trotz bestehender Ausreisepflicht einen weiteren geduldeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu erzwingen. Anders als in der Fragestellung vermutet, gelten die Betroffenen jedoch nicht als staatenlos. Eine Staatenlosigkeit im Sinne des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen ist erst dann hinreichend nachgewiesen, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass der oder die Staaten, als deren Angehöriger der Betroffene überhaupt in Betracht kommt, ihn nicht als Staatsangehörigen ansieht.

Ausländer mit ungeklärter Staatsangehörigkeit erhalten grundsätzlich eine Duldung gemäß § 55 Ausländergesetz. Dieser Personenkreis erhält keine Sozialhilfeleistungen, sondern die um ca. 20 % reduzierten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

1. Wie viele Identitäten wurden seit September 1998 bis heute in Bremen und Bremerhaven ermittelt?

Eine statistische Erfassung der Fälle, in denen die Identität geklärt werden konnte, erfolgt durch die Ausländerbehörden nicht.

Die Anzahl aller seit September 1998 ermittelten Ausländer, die unter einer falschen Identität in der Stadtgemeinde Bremen gelebt haben bzw. leben, kann nicht quantifiziert werden, da hierüber keine allumfassende Statistik geführt wird. Lediglich aus Bremerhaven ist bekannt, dass seit September 1998 insgesamt die Identität von 12 Ausländern ermittelt wurde, die zuvor unter einer falschen Identität dort gelebt haben.

In Bremen konzentrierten sich die Ermittlungen auf Ausländer, die ausschließlich vorgeben, aus dem Libanon zu stammen und staatenlos bzw. ungeklärter Staatsangehörigkeit zu sein. Die Zahl dieser seit September 1998 ermittelten Personen beträgt zurzeit 313. Davon wurde für 127 Personen die türkische Identität beweiskräftig festgestellt. Für 186 Personen liegen ebenfalls türkische Personaldokumente vor, die noch im Rahmen des Personenfeststellungsverfahrens zugeordnet werden müssen.

2. Aus welchen Herkunftsländern stammen diese Personen?

Im Wesentlichen lassen sich zwei Gruppen von Herkunftsländern benennen: zum einen der Libanon und die Türkei; zum anderen die Länder Westafrikas, aber auch einige zentral- und ostafrikanische Staaten. Während zur ersten Gruppe nach gegenwärtigen Erkenntnissen türkische Staatsangehörige gehören, die sich als staatenlose Kurden aus dem Libanon ausgeben, handelt es sich bei den der zweiten Gruppe zuzurechnenden Personen überwiegend um Staatsangehörige aus Algerien, Ghana und Gambia.

3. Auf welchen Wegen sind sie in Deutschland eingereist?

Es ist davon auszugehen, dass die illegale Einreise afrikanischer Staatsangehöriger regelmäßig mit Hilfe von Schleuser- und Schlepperorganisationen erfolgt. Nach Erkenntnissen der Grenzschutzbehörden werden für Einreisen auf dem Luftweg die internationalen Flughäfen osteuropäischer Staaten benutzt. Die organisierte Weiterreise führt anschließend über die östlichen Grenzübergänge nach Deutschland.

Die Einreisen der angeblich staatenlosen Kurden aus dem Libanon in das Bundesgebiet erfolgen überwiegend aus der Türkei und auf dem Luftweg über den Flughafen Frankfurt/Main sowie in wenigen Einzelfällen über den Flughafen.

4. Um wie viele Personen handelt es sich zurzeit in Deutschland und im Lande Bremen, die sich ohne Pässe unter falscher Identität aufhalten bzw. aufgehalten haben

- im so genannten Hellfeld

- im so genannten Dunkelfeld?

Umfassende statistische Angaben hierüber liegen weder für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland noch für das Land Bremen vor.

Zu der Anzahl der Personen, die sich mit falscher Identität im Land Bremen aufhalten bzw. aufgehalten haben, wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Bezüglich des Dunkelfeldes können keine vertretbaren Angaben über die Anzahl von Ausländern aller betroffenen Nationalitäten gemacht werden, die sich ohne Pässe und unter falscher Identität in Bremen aufhalten bzw. aufgehalten haben mögen.

5. Wie bestreiten diese Personen ihren Lebensunterhalt in der Zeit der Duldung wegen verschleierter Identität?

Den betroffenen Personen ist bei ungeklärter Staatsangehörigkeit eine Duldung nach § 55 des Ausländergesetzes zu erteilen. Sofern die einkommens- und vermögensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

6. Gegen wie viele dieser Menschen wurden seit September 1998 Ermittlungsverfahren eingeleitet und mit welcher jeweiligen rechtlichen Begründung?

Ermittlungsverfahren werden gegen die bei der Einreise und Asylantragstellung verantwortlich handelnden Personen eingeleitet; dies gilt auch bei einreisenden Familien. Seit September 1998 sind insgesamt 51 Ermittlungsverfahren in den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven betrieben worden bzw. noch anhängig.

Die Ermittlungen werden gegen die Beschuldigten wegen des Verdachts der Urkundenfälschung, des Betruges zum Nachteil der Sozialbehörde, der mittelbaren Falschbeurkundung sowie des Verstoßes gegen das Ausländergesetz durchgeführt.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7. verwiesen.

7. In wie vielen Fällen kam es zu Anklagen und Verurteilungen?

Mit Hilfe der Datenverarbeitungsanlage der Staatsanwaltschaft ließe sich zwar möglicherweise die Zahl der Personen feststellen, die mit verschiedenen Identitäten bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig geworden sind. Anhand der so gewonnenen Daten müsste dann aber jeder einzelne Aktenvorgang herausgesucht und ausgewertet werden. Dies wäre mit einem Aufwand verbunden, der mit Blick auf die von der Staatsanwaltschaft zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben nicht vertretbar erscheint.

8. In welcher Höhe wurden von diesen Personen zu Unrecht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seit September 1998 bezogen?

Exakte Angaben zur Höhe der von diesen Personen seit September 1998 zu Unrecht bezogenen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz können nicht gemacht werden, da diese Angaben nicht gesondert erhoben werden. Jedoch ist aufgrund der durch kriminalpolizeiliche Ermittlungen festgestellten Zahlen (siehe Antwort zu Frage 1) und der feststellbaren durchschnittlichen Aufenthaltszeiten dieser Personen in Bremen davon auszugehen, dass insgesamt Geldleistungen in Millionenhöhe betroffen sind. Wenn feststeht, dass Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu Unrecht bezogen wurden, werden diese durch die zuständigen Sozialhilfedienststellen zurückgefordert.

9. Wie viele dieser Personen wurden zwischenzeitlich abgeschoben, und wer hat die Kosten der Abschiebung getragen?

Seit dem 1. Januar 1998 wurden von den Ausländerbehörden im Lande Bremen 95

Personen nach Klärung ihrer Identität abgeschoben. Die Kosten haben die Stadtgemeinden getragen, soweit es sich nicht um Personen handelte, die in Amtshilfe für eine andere Ausländerbehörde abgeschoben wurden.

10. Wie viele Pässe sind zurzeit archiviert, deren Inhaber nicht im Ausländerzentralregister-Bestand erfasst sind?

Die Daten aller Ausländer, die bei einer Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel beantragen, werden in das Ausländerzentralregister aufgenommen, einschließlich der Aliaspersonalien. Nur bei Asylbewerbern wird der Pass für die Dauer des Asylverfahrens einbehalten. Die Zahl dieser Einbehaltungen wird statistisch nicht erfasst.

11. Wie hoch wird die Zahl der libanesischen Aliasidentitäten geschätzt und welchen Staatsangehörigkeiten sind sie zuzuordnen?

Verlässliche Angaben über die Gesamtzahl der unter falscher Identität im Land Bremen wohnenden Personen mit libanesischer Aliasidentität, bei denen es sich nach den bisherigen Ermittlungen fast ausschließlich um türkische Staatsangehörige handelt, können nicht gemacht werden.

12. Welche behördlichen Einrichtungen bekämpfen diese rechtswidrigen Zustände in Deutschland und in Bremen?

Es trifft zu, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Fällen falscher Identitätsführung um rechtswidrige Zustände handelt. Diesen wird seitens der Ausländerbehörden, der Polizei und im Rahmen der strafprozessualen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften mit großer Entschiedenheit nachgegangen.

Bundesweit sind mit der Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens zurzeit ca. 40

Ausländer- und Polizeibehörden und im Lande Bremen die zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststellen der Polizeidirektion Kriminalpolizei/Landeskriminalamt und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven sowie die speziell zur Ermittlung von ungeklärten Identitäten gebildete Ermittlungsgruppe 19 bei der Polizei in Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden der beiden Stadtgemeinden befasst.

13. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse aus Frage 1. hinsichtlich der Identitätsfeststellungen, und welche Konsequenzen zieht er in Betracht?

Die bei den Ausländerbehörden erfolgten Maßnahmen zur Ermittlung von ungeklärten Identitäten und die Einsetzung der Ermittlungsgruppe 19 bei der Polizei waren - wie auch gerade die jüngsten Ermittlungsergebnisse zeigen - erfolgreich. Es geht in der Folge darum, in den Fällen, in denen die Identität geklärt werden konnte, konsequent die Voraussetzungen für eine Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu schaffen.