Einsatz der Videovernehmung im Strafverfahren

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1998 wurde die Möglichkeit der audiovisuellen Vernehmung kindlicher, jugendlicher und anderer gefährdeter Zeugen im Strafverfahren geschaffen.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

Diese Vorbemerkung grenzt die Fragestellung auf den Einsatz von Videokonferenztechnik im strafprozessualen Zeugenschutz nach § 247a StPO, welcher im Jahr 1998 eingeführt wurde, ein, indem sie ausschließlich auf die Möglichkeit der audiovisuellen Vernehmung kindlicher, jugendlicher und anderer gefährdeter Zeugen in Strafverfahren Bezug nimmt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie oft wurde seit 1999 bis 2006 in Hessen - jeweils aufgeschlüsselt nach Landgerichtsbezirken und differenziert nach Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht?

Zur Beantwortung dieser Frage wurde die gerichtliche Praxis beteiligt, da eine Statistik über den Einsatz von audiovisuellen Vernehmungen nicht geführt wird. Da eine Aktenauswertung wegen des in der Fragestellung genannten langen Zeitraums nicht tunlich erschien, wurden das Oberlandesgericht und der Generalstaatsanwalt gebeten, durch Nachfrage bei der gerichtlichen Praxis die Zahlen zu erheben.

Die befragten Staatsanwaltschaften haben - unter Hinweis darauf, dass das Zahlenmaterial aus der Erinnerung der Dezernenten zusammengetragen wurde - unter Differenzierung nach kindlichen Bereits wegen der damit verbundenen Möglichkeit, die durch erneute Vernehmungen hervorgerufenen "sekundärer Traumatisierungen" der Zeugen zu reduzieren, haben sich dortiger Einschätzung nach die durch das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 eingeführten Vorschriften über audiovisuelle Vernehmungen in Strafverfahren bewährt.

Frage 2. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von Videovernehmung im Strafverfahren?

Der Einsatz von Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren findet seinen Ausgangspunkt im strafprozessualen Zeugenschutz: § 247a StPO wurde 1998 eingeführt (Gesetz vom 30. April 1998, BGBl. I S. 820). Im Jahr 2004 wurde die Zulässigkeit des Videoeinsatzes im Strafprozess jedoch auf den wichtigen Gedanken der Vermeidung eines Beweismittelverlustes ausgedehnt: Die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung vom Vernehmungsort in das Sitzungszimmer wird für verteidigte Angeklagte auch für den Fall zugelassen, dass ein Zeuge, Sachverständiger oder Mitbeschuldigter verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann sowie generell für den Fall des Einverständnisses von Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagtem (§ 247a iVm. § 251 Abs. 2, eingefügt durch Gesetz vom 24. Juni 2004, BGBl. I S. 1354 und Gesetz vom 24. August 2004, BGBl. I S. 2198). Dieser Grundgedanke einverständlicher Vereinbarung der Videotechnik für zeitgleiche Bild- und Tonübertragungen in gerichtlichen Verhandlungen findet sich auch in der durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, geändert durch Gesetz vom 22. März 2005, BGBl. I S. 837) geschaffenen Vorschrift des § 128a ZPO wieder. Diese Vorschrift gilt über Verweisungsnormen in den anderen Verfahrensordnungen entsprechend (§ 173 VwGO, § 202 SGG, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 4 InsO, § 15 FGG).

Der Einsatz von Videovernehmungen in dem oben dargestellten größeren Rahmen, welcher durch den geringeren zeitlichen Aufwand für alle Beteiligten und das Gericht die Terminierung von mündlichen Verhandlungen und Erörterungsterminen erleichtert und damit zu einer Verfahrensbeschleunigung und einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit nicht zuletzt bei den professionellen Rechtsvertretern, aber auch bei Sachverständigen oder Vertretern öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Behörden beiträgt, wird durch die Landesregierung insgesamt als positiv bewertet.

Frage 3. Sieht die Landesregierung gesetzlichen Änderungsbedarf?

Im Bereich der audiovisuellen Vernehmung kindlicher, jugendlicher und anderer gefährdeter Zeugen im Strafverfahren sieht die Landesregierung aktuell keinen gesetzlichen Änderungsbedarf.

Frage 4. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit zur Verbesserung der technischen Ausstattung der Ermittlungsbehörden bzw. Strafgerichte?

Die Förderung der Nutzung der Videokonferenztechnik ist ein Anliegen der hessischen Landesregierung. Das Hessische Finanzgericht hat bereits im Jahr 2001 eine Ausstattung mit einer Videokonferenzanlage erhalten, die sich dort erfolgreich im Einsatz befindet. In den Jahren 2005/2006 erfolgte durch das Hessische Ministerium der Justiz als Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung die Beschaffung von 16 weiteren mobilen Videokonferenzsystemen, die in der Folge dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, den Landgerichten in Frankfurt am Main, Darmstadt, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg a.d. Lahn, Marburg und Wiesbaden sowie bei den Justizvollzugsanstalten in Butzbach, Darmstadt, Frankfurt am Main III, Kassel I, Schwalmstadt und Weiterstadt zur Verfügung gestellt wurden. Das Hessische Ministerium der Justiz hat darüber hinaus der Rechtsanwaltskammer in Frankfurt am Main leihweise eine Videokonferenzanlage zur Verfügung gestellt, um die Nutzung durch die Anwaltschaft zu verstärken.

Frage 5. Sieht die Landesregierung sonstige Möglichkeiten zur Förderung des Einsatzes der Videovernehmung?

Die bisherige Ausstattung hat gezeigt, dass die Nutzung einerseits für Rechtsgespräche unter Juristen Zukunftsperspektiven biete, und andererseits die Videotechnik weniger in den Fällen der unter den Verfahrensbeteiligten einverständlichen Anwendung, sondern für gesetzlich nicht vorgeschriebene Anhörungen zu Anträgen Strafgefangener auf gerichtliche Entscheidung nach §109 StVollzG zunehmend Praxisakzeptanz findet. Dabei ordnet das Gericht die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung einseitig an. Hierdurch wird eine Gefangenenvorführung mit dem entsprechenden, erheblichen Sicherheitsaufwand ebenso vermieden wie zugleich die zumindest abstrakt gegebene Gefährdungslage des Transports und des Aufenthaltes im Gericht.

Eine weitere Förderung des Einsatzes von Videovernehmungen wäre aus Sicht der Landesregierung vorrangig durch die Änderung der - bundesgesetzlichen - Verfahrensordnungen zu erreichen. Ein akuter Änderungsbedarf wird diesbezüglich jedoch nicht gesehen.