Beratungsstelle

Situation des Opferschutzes in Hessen

Vorbemerkung der Fragesteller:

Der Staat hat von Verfassungs wegen den Auftrag, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der unter seinem Schutz lebenden Menschen zu schützen.

In seine Verantwortung fällt es deshalb, durch eine angemessene staatliche Präventionsarbeit sowie in Zusammenarbeit mit freien Trägern so weit wie möglich zu vermeiden, dass Menschen Opfer von Straftaten werden. Opfern sind Wege aufzuzeigen, damit sie sowohl in psychischer, gesundheitlicher als auch finanzieller Hinsicht das erlittene Unrecht verarbeiten und bewältigen können. Durch eine konsequente Anwendung des geltenden Rechts ist dem Opferinteresse angemessen Rechnung zu tragen.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

Der Schutz der Menschen vor Straftaten ist für die Landesregierung eine ihrer Kernaufgaben. Sicherheit und Schutz gehören zu den grundsätzlichen Gewährleistungen, die jeder Staat für seine Mitbürger zu erbringen hat. Schließlich zieht ein Gemeinwesen seine Legitimation nicht unwesentlich daraus, welche Garantien und Perspektiven es seinen Mitgliedern bieten kann.

Damit sind Opferschutz und Opferhilfe - von der konkreten Hilfestellung im Einzelfall bis hin zu Maßnahmen mit langfristig ausgelegtem präventivem Charakter - zentrale Aufgaben allen staatlichen und gesellschaftlichen Handelns. Ausgehend von dem Verständnis, dass Kriminalprävention und damit die Verhinderung des Opferwerdens als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen ist, wird in Hessen flächendeckend Präventionsarbeit geleistet, die jeweils örtlich verankert ist, um nah an den Betroffenen und ihrem Umfeld tätig zu sein.

Hierzu gehört auch das Verständnis, dass die Bemühungen von Polizei und Justiz nicht nur auf die Tataufklärung und den Täter gerichtet sein dürfen.

Auch und gerade die Opfer von Straftaten bedürfen der Aufmerksamkeit und des besonderen Schutzes des Rechtsstaates, wobei dies selbstverständlich nicht auf Kosten der Beschuldigtenrechte geschehen kann.

Opferschutz muss im Bereich der strafrechtlichen Verfahren vor allem auf zwei Ebenen gewährleistet werden. Zum einen gilt es, die Position der Opfer im Strafverfahren selbst zu verbessern, zum anderen ist es ausgesprochen wichtig, die Betreuung von Opfern auch außerhalb des Strafprozesses sicherzustellen.

Was den Bereich der strafprozessualen Stellung des Opfers angeht, macht sich Hessen seit Langem für gesetzliche Verbesserungen auf Bundesebene stark. Diese Bemühungen haben mit dazu beigetragen, dass am 1. September 2004 das Opferrechtsreformgesetz in Kraft getreten ist. Das Gesetz verbessert deutlich die Rechtsposition des Verletzten durch

- eine Stärkung der Verfahrensrechte,

- eine Stärkung der Informationsrechte,

- eine verbesserte Information des Verletzten über seine Rechte,

- eine Reduzierung der Belastung des Zeugen,

- eine verbesserte Schadenswiedergutmachung und

- eine verstärkte Einbringung der Opferbelange in das Verfahren.

Eingegangen am 16. Oktober 2007 · Ausgegeben am 29. Oktober 2007

Die praktischen Erfahrungen in der Umsetzung des Gesetzes werden zeigen, ob darüber hinaus weiterer Regelungsbedarf besteht.

Auch auf der Ebene des materiellen Strafrechts ist die Landesregierung bestrebt, den Schutz der Opfer zu verbessern. Beispielhaft kann hier die hessische Gesetzesinitiative zur Schaffung eines eigenständigen Straftatbestandes gegen schwere Belästigungen ("Stalking") benannt werden, die letztlich in die Schaffung der neuen Strafvorschrift des § 238 StGB (Nachstellung) mündete.

Mindestens genauso wichtig ist die Sicherstellung des Opferschutzes auf der Ebene der Opferberatung und Opferbetreuung außerhalb des Strafprozesses.

Die völlig unvermittelt von der Straftat betroffenen Opfer fühlen sich nach der Tat oftmals hilflos und allein gelassen. Sie benötigen Hilfe bei der Verarbeitung der für sie schrecklichen Geschehnisse und Informationen darüber, welche Hilfsmöglichkeiten es für sie gibt.

In Hessen besteht hierfür dank des finanziellen Engagements des Landes ein hervorragend ausgebautes Netz von insgesamt sieben Opferberatungsstellen, das bundesweit vorbildlich ist.

Die Landesregierung ist in der primären, sekundären und tertiären Prävention gut aufgestellt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Große Anfrage im Einvernehmen mit der Sozialministerin und dem Minister des Innern und für Sport wie folgt:

A. Hilfsangebote, Informationen und Aufklärung Frage 1. Welche Hilfsangebote stellt die Landesregierung den Opfern von Straftaten zur Verfügung, damit sie die physischen, psychischen und materiellen Folgen leichter verarbeiten und bewältigen können?

Hessen verfügt über ein flächendeckend ausgebautes Netz von sieben Opferberatungsstellen, durch welche Opfer und Zeugen von Straftaten sowie mittelbar Betroffene kostenlos durch hierfür speziell geschulte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beraten werden. Die Unterstützung erfolgt unabhängig davon, um welche Deliktsart es sich handelt und ob die Betroffenen Anzeige erstattet haben. Die Beratung ist kostenlos und absolut vertraulich. Neben praktischen Hilfestellungen (Behördengänge und Begleitung zum Gericht) und psychologischer Beratung geht es vor allem auch darum, den Opfern das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein gelassen werden. Die o.g. Opferhilfevereine werden auch im laufenden Jahr mit Zuwendungen aus dem Landeshaushalt in Höhe von 612.000 unterstützt.

Hessischer Landtag · 16. Wahlperiode · Die Landesmittel in Höhe von 201.600 für Notruf- und Beratungsstellen sowie 1.801.307 für Frauenhäuser werden seit 2006 direkt als Budget den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Die Kommunen sind dadurch stärker in die Planung der Schutz- und Präventionsmaßnahmen eingebunden.

Seit 2004 stellt die Landesregierung sechs Frauenberatungsstellen Frauenhäusern zusätzliche Mittel für ihre Tätigkeit als Interventionsstellen zur Verfügung. Diese beinhaltet die Koordinierung der Hilfen vor Ort sowie die zugehende Beratungsarbeit in Kooperation mit der Polizei und zum Teil der Jugend- und Gesundheitsämter vor Ort. Eine der Interventionsstellen setzt den Schwerpunkt auf die Einbindung der Gesundheitsberufe in das Schutzsystem und ist hessenweit - in Kooperation mit dem beim Hessischen Sozialministerium angesiedelten Netzwerk Gewaltprävention im Gesundheitswesen -, insbesondere für Einrichtungen des Gesundheitssystems als auch für die regionalen Netzwerke gegen Gewalt an Frauen Ansprechpartnerin. Zudem fördert die Landesregierung sowohl eine Wohngemeinschaft für alleinstehende Mütter und Frauen in Konfliktsituationen als auch ein Projektvorhaben "Arbeit mit straffällig gewordenen Müttern und deren Kindern". Die von der Landesregierung unmittelbar finanzierten Interventionsstellen, die Projektvorhaben für allein stehende Mütter und Frauen in Konfliktsituationen sowie für straffällig gewordene Mütter und deren Kinder erhalten Landesmittel von insgesamt 317.433.

Darüber hinaus fördert die Landesregierung zwei Beratungsstellen, die auf die Begleitung von Menschenhandelsopfern spezialisiert sind, mit Landesmitteln in Höhe von 172.500.

Als materielle Hilfestellung hat die Landesregierung einen Opferfonds eingerichtet. Denn Voraussetzung für eine Entschädigungsleistung nach dem Opferentschädigungsgesetz ist eine gesundheitliche Schädigung infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs gegen den Antragsteller oder eine dritte Person oder dessen rechtmäßige Abwehr. Es besteht keine Entschädigungsmöglichkeit bei Schäden aus reinen Vermögensstraftaten sowie generell nicht bei Vermögensschäden. Besondere Schwierigkeiten für das Opfer, eine materielle Entschädigung zu erhalten, bestehen zudem in den Fällen, in welchen der Täter nicht zu ermitteln oder ihm Vorsatz nicht nachzuweisen ist. Die Zahlung von Schmerzensgeld nach dem Opferentschädigungsgesetz ist dann nicht möglich. Direkte Ansprüche gegen den Täter lassen sich jedoch häufig wegen dessen Mittellosigkeit nicht verwirklichen.

Um diese Lücke im Hinblick auf Straftaten von Strafgefangenen und von im Maßregelvollzug Untergebrachten zu schließen, wurde 2002 von der Landesregierung der Hessische Opferfonds zur Zahlung von Entschädigung für Opfer von Straftaten durch Gefangene und Insassen des Maßregelvollzugs eingerichtet. 2007 stehen im Landeshaushalt für diesen Zweck 50.000 zur Verfügung. Bislang wurde der Fonds noch nicht in Anspruch genommen.

Zu den Hilfsangeboten gehört auch das flächendeckende Netz an Vermittlungsstellen für den Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) im allgemeinen Strafrecht: Denn beim TOA soll einerseits das Interesse des Opfers an einem sachgerechten Ausgleich seiner erlittenen Schäden angemessen berücksichtigt und befriedigt werden; andererseits soll dem Täter seine ganz persönliche Verantwortung für die von ihm verursachten Schäden im besonderen Maße verdeutlicht werden. Dies soll durch eine mit Hilfe eines Vermittlers getroffene verbindliche Vereinbarung zwischen Opfer und Täter erreicht werden. Hierdurch können überdies dem Opfer ein Zivilrechtsstreit und eine Vernehmung als Zeuge erspart bleiben.