Wohlfahrt

Staatsanwaltschaften Frankfurt am Main und Wiesbaden, der Aufbau entsprechender personeller und organisatorischer Strukturen, die jährlichen Arbeitstreffen auf regionaler Ebene und die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene "Gemeinsame Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der Vermögensabschöpfung" haben dazu beigetragen, dass im Rahmen der Rückgewinnungshilfe ein erheblicher Beitrag zum Opferschutz in Hessen geleistet werden kann. So wird ein Großteil der durch Polizei und Staatsanwaltschaften vorläufig arrestierten/beschlagnahmten Vermögenswerte zugunsten Geschädigter gesichert. Dabei handelte es sich im Jahr 2003 um einen Betrag von mindestens 9,9 Mio., im Jahr 2004 von mindestens 4,8 Mio, im Jahr 2005 von mindestens 11 Mio. und im Jahr 2006 von mindestens 18 Mio.. Genaue Angaben dazu, inwieweit die Geschädigten auf die zu ihren Gunsten vorläufig gesicherten Werte tatsächlich zugegriffen haben, können nicht gemacht werden. Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass jedenfalls die hinsichtlich größerer Vermögenswerte Geschädigten die Rückgewinnungshilfe regelmäßig in Anspruch nehmen.

Letztlich hängt dies von der Erstreitung eines zivilrechtlichen Titels und der fristgerechten Erwirkung einer Zulassungsentscheidung nach § 111g Abs. 2 StPO durch die Geschädigten ab.

Frage 7. Inwiefern sorgt die Landesregierung für die Sicherheit von Opfern in Strafprozessen?

In welchen Fällen besteht hier ein besonderer Sicherungsbedarf?

Ein besonderer Sicherungsbedarf besteht vor allem bei Verfahren, in denen Strukturen der organisierten Kriminalität aufgedeckt werden. Der Schutz von Opferzeugen ist dabei insbesondere in Verfahren wegen Menschenhandel wichtig.

Hierbei richten sich die polizeilichen Maßnahmen nach der "Richtlinie für Schutzmaßnahmen außerhalb des Zeugenschutzprogramms für Opferzeuginnen/Opferzeugen von Menschenhandel" des Hessischen Landeskriminalamts vom 22. Februar 2003.

Darüber hinaus trifft sich seit 2003 regelmäßig ein Runder Tisch "Bekämpfung des Menschenhandels" in Hessen. Der Runde Tisch "Bekämpfung des Menschenhandels" ist ein Koordinierungsgremium, das hessenweit wirksame und abgestimmte Lösungen für die von Menschenhandel betroffenen Opfer, Opferzeuginnen und Opferzeugen erarbeitet. Das Gremium setzt sich zusammen aus Mitarbeitern des Innen-, Justiz- und Sozialministeriums, einschließlich des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft, außerdem aus Vertreterinnen und Vertretern der Frauenpolitik, der kommunalen Spitzenverbände, der Wohlfahrtsvereine, der Fachberatungsstellen, der Frauenhäuser und der in Hessen tätigen Opferschutzverbände. Ziel ist es, den Opfern von Menschenhandel die größtmögliche Hilfe zu gewähren.

Das Gewaltdelikt Menschenhandel verursacht bei den Opfern physische und psychische Schäden, die von langer Dauer sein können und oft traumatische Auswirkungen haben. Der Schutz und die Beratung dieser Opfer sind ebenso geboten, wie eine effektive Verfolgung und Verurteilung der Täter. Durch das koordinierte Zusammenwirken von Strafverfolgungs-, Ausländer-, Sozialbehörden, Arbeitsagenturen und Fachberatungsstellen werden ein gezielter Schutz sowie eine gezielte Beratung und Begleitung der Opfer sichergestellt.

Durch den effektiven Schutz der Opfer, die Vorbereitung auf das Gerichtsverfahren und die Begleitung durch die Polizei und die Fachberatungsstellen wird auch die Glaubwürdigkeit und Sicherheit der Opfer vor Gericht deutlich erhöht.

Opferzeuginnen und Opferzeugen sind wegen ihrer Aussagewilligkeit oftmals gefährdet. Deshalb wird durch die Polizei eine Gefährdungsanalyse für jeden Einzelfall erstellt und in konkreten Fällen besonders angepasste Schutzmaßnahmen veranlasst. Die zuständige Polizeibehörde weist bei Kenntnis eines Falles von Menschenhandel das Opfer so früh wie möglich auf die Unterstützungsmöglichkeiten der Fachberatungsstelle hin. Die Polizei regelt den Erstkontakt zu Behörden, z. B. mit der Ausländerbehörde zur Regelung des ausländerrechtlichen Status und die erforderlichen Schutzmaßnahmen bei Orts-, Gerichts- und Vernehmungsterminen. Erforderlichenfalls werden auch Auskunftssperren eingerichtet.

Neben diesen Besonderheiten für eine sehr gefährdete Gruppe von Zeug(inn)en richten sich die allgemeinen Maßna hmen für die Betreuung von Zeuginnen und Zeugen in Strafprozessen nach den Vorgaben des Zeugen schutz-Harmonisierungsgesetzes (ZSHG) und der "Gemeinsamen Richtlinie der Innenminister/-senatoren und der Justizministerinnen und -minister des Bundes und der Länder zum Schutz gefährdeter Zeugen" (Verschlusssache Nur für den Dienstgebrauch).

Bei Bekanntwerden eines möglichen Zeugenschutzfalles erfolgt eine Einzelfallprüfung nach den Vorgaben des ZSHG. Hierbei werden neben den objektiven Voraussetzungen (Vorliegen einer Gefährdung, Unverzichtbarkeitserklärung der Staatsanwaltschaft) auch die persönlichen Voraussetzungen (Freiwilligkeit, Geeignetheit) der Zeuginnen und Zeugen überprüft.

Derzeit werden in Hessen ca. 20 Zeugenschutzfälle betreut. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass aufgrund der strengen Voraussetzungen des ZSHG nur bei einem kleinen Teil der Zeuginnen und Zeugen die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm möglich ist. Eine statistische Erhebung über gefährdete Zeuginnen und Zeugen, die zur Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm nicht bereit waren, erfolgt nicht, sodass hierzu keine Zahlen vorliegen.

Für Zeuginnen und Zeugen, bei denen die Voraussetzungen des ZSHG nicht vorliegen, die aber dennoch einer Gefährdung unterliegen, gelten die allgemeinen Bestimmungen über den Schutz gefährdeter Personen und Objekte (VS-NfD). Soweit Erkenntnisse über eine mögliche Gefährdung von Personen (somit auch Zeuginnen und Zeugen) vorliegen, erfolgen im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Feststellung des jeweiligen Gefährdungsgrades und die Durchführung lageangepasster Schutzmaßnahmen.

Gesetzlicher Erweiterungsbedarf im Hinblick auf den Schutz gefährdeter Zeuginnen und Zeugen nach dem Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz und den Schutz gefährdeter Personen und Objekte wird derzeit nicht gesehen.

Frage 8. Welche Maßnahmen bestehen für die Betreuung von Zeugen in Strafprozessen?

Wie werden diese Angebote angenommen?

Besteht Erweiterungsbedarf?

Neben den in der Beantwortung der vorherigen Frage (E.7) genannten Maßnahmen wird die Betreuung von Zeugen in Strafprozessen vor allem von den bereits zuvor dargestellten Opferhilfestellen übernommen. Diese beraten und begleiten Opfer und Zeugen während des ganzen Prozesses und organisieren

- meist in Zusammenarbeit mit den lokal vernetzten Polizei- und Justizstellen

- Schutz und Unterstützung. Hinzu kommt an vielen Gerichten ein eigenes Zeugenwartezimmer, an manchen Orten wird dies von der Opferhilfe mit betreut. Hier ist für den Haushalt des kommenden Jahres eine Erhöhung der Finanzmittel um 48.200 geplant, um den Ausbau dieser Betreuungseinrichtungen für Zeugen weiter zu fördern.

Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz der Videovernehmung von Opfern im Hinblick auf den Opferschutz?

Könnte dieser Einsatz bei Bedarf verstärkt werden?

Wenn ja, inwiefern?

Bei allen hessischen Polizeidienststellen liegen Erfahrungen (in unterschiedlicher Tiefe) zum Einsatz der Videovernehmung von Opfern vor, detaillierte Statistiken werden nicht geführt. Nach Schätzungen dürften im Zeitraum 1. Januar 2005 bis 1. Mai 2007 rund 200 Videovernehmungen durch die Polizei durchgeführt worden sein. Videovernehmungsräume sind in der Regel in den Polizeipräsidien vorhanden, insbesondere in den Flächenpräsidien bedingt dies z.T. größere An- und Abfahrtswege. Bereits seit September 2004 wird an der Hessischen Polizeischule ein Seminar "Videovernehmung" angeboten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Einsatz der Videovernehmung insbesondere wegen der Verringerung der physischen und psychischen Belastung der Opfer, der Vermittlung objektiver Eindrücke über die Opfer/Zeugen für die am Verfahren beteiligten Personen und wegen der Vermeidung einer erneuten Konfrontation mit dem Täter (keine Mehrfach- o.

Sekundärviktimisierung) im Grundsatz positiv beurteilt wird. Jedoch haben sich auch limitierende Faktoren ergeben, z. B. durch den teilweise hohen Aufwand oder bei Eilbedürftigkeit.

Aus polizeilicher Sicht erscheint der derzeitige Bedarf mit der vorhandenen Ausstattung abgedeckt. Sollte sich künftig darüber hinaus gehender Bedarf entwickeln, wäre diesem durch eine erweiterte Abdeckung in Bezug auf die

räumlichen und technischen Voraussetzungen nachzukommen. Damit einhergehend wären auch weitere Mitarbeiter zu schulen.

Die Prozessordnungen sehen heute in vielen Bereichen die Möglichkeit vor, Verfahrensbeteiligte per Videokonferenztechnik live von anderen Orten der Sitzung des Gerichtes zuzuschalten. Dies gilt für

- die Zivilprozessordnung (§ 128a ZPO),

- das sozialgerichtliche Verfahren (§ 202 SGG),

- das verwaltungsgerichtliche Verfahren (§ 173 Abs. 5 VwGO),

- das finanzgerichtliche Verfahren (§§ 91a und 93a FGO) sowie

- die internationale Rechtshilfe auf der Basis der geschlossenen multilateralen oder bilateralen Verträge.

Als gewisse Ausnahme stellt sich noch immer das Strafverfahren dar, weil hier die Grenzen für den Verzicht auf die persönliche Anwesenheit naturgemäß eng gesteckt sind. § 247a der Strafprozessordnung, welcher dem Zeugenschutz dient, sieht nur zum Zweck des Opfer- und Zeugenschutzes Vernehmungen mittels Videotechnik als rechtlich zulässig an; gleiches gilt für die richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren nach § 168e der Strafprozessordnung.

Der Einsatz modernster Videotechnik ist für die hessische Justiz ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zum eJustice und stellt darüber hinaus ein Serviceangebot der kundenorientierten und modernen hessischen Justiz des 21.

Jahrhunderts dar. Der geringere zeitliche Aufwand für alle Beteiligten und das Gericht erleichtert die Terminierung von mündlichen Verha ndlungen und Erörterungsterminen und führt damit zu einer Verfahrensbeschleunigung in den Anwendungsfällen. Darüber hinaus kann das Land durch die Einvernahme von Verfahrensbeteiligten per Videokonferenz und die Vermeidung von Gefangenentransporten erhebliche Einsparungen an Reise- und Vorführungskosten erzielen.

Seit Anfang des Jahres 2006 besteht die Möglichkeit, sich von anderen Orten live über Videokonferenztechnik an den Verfahren des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, der Landgerichte Frankfurt am Main, Darmstadt, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg, Marburg und Wiesbaden sowie der Justizvollzugsanstalten Butzbach, Darmstadt, Frankfurt am Main III, Kassel I, Schwalmstadt, Weiterstadt und Hünfeld zu beteiligen. Selbstverständlich können von den vorstehenden Gerichten und Justizvollzugsanstalten neben den Verbindungen zwischen den einzelnen Standorten innerhalb des Geschäftsbereichs auch jederzeit Verbindungen zu anderen, externen Gesprächspartnern in Deutschland sowie weltweit mittels ISDN-Leitungen oder über ein Computernetzwerk (IP-basierende Verbindung) geschaltet werden.

Das Ausmaß der Nutzung durch die gerichtliche Praxis bleibt allerdings abzuwarten. Mit Blick hierauf können die für das Oberlandesgericht und die Landgerichte beschafften mobilen Videokonferenzanlagen im Bedarfsfall auch von den jeweils im Landgerichtsbezirk befindlichen Justizbehörden (kostenfrei) und nach Absprache auch durch die Anwaltschaft (kostendeckendes Entgelt) genutzt werden. Zur Gewinnung gesicherter Erkenntnisse über die Nutzung der Systeme und eine gegebenenfalls notwendige Ausstattung weiterer Gerichte und Justizvollzugsanstalten wurden die jeweiligen Behördenleitungen gebeten, die Häufigkeit, Dauer und Verfahrenszweck der eigenen und auswärtigen Inanspruchnahme über einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren (bis Ende 2007) festzuhalten. Ein vor Ablauf der Zweijahresfrist auftretender zusätzlicher Bedarf kann kurzfristig durch die Beschaffung weiterer Systeme abgedeckt werden. Die Auswertung der bislang vorliegenden halbjährlichen Zwischenberichte der Behördenleitungen zur Häufigkeit der Inanspruchnahme belegen, dass z.Zt. kein zusätzlicher Bedarf besteht.

Der entscheidenden Durchsetzung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der gerichtlichen Praxis dürfte in erster Linie die Anknüpfung der Verfahrensordnungen an das Einverständnis der Beteiligten zu deren Einsatz im Wege stehen. Dies wird der fortschreitenden Entwicklung nicht mehr gerecht: Den Beteiligten sollen - in geeigneten Fällen, die das Gericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bestimmt - ohne Verlust an rechtsstaatlicher Qualität die nutzbaren technischen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

Daher ist aktuell eine hessische Gesetzesinitiative zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren im Justizministerium in Vorbereitung.