Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes zur Einrichtung einer Härtfallkommission in Hessen

Der Hessische Landtag hat in seiner Sitzung vom 6. Oktober 2004 beschlossen, in Hessen den Petitionsausschuss als Härtefallkommission i.S.d. § 23a Aufenthaltsgesetz zu bestimmen. Gleichzeitig wurde die Landesregierung aufgefordert, das Verfahren der Überprüfung von Härtefällen so zu gestalten, dass eine Beratung und Empfehlung durch den Petitionsausschuss ­ als Härtefallkommission ­ darin enthalten ist.

Der Landtag wolle beschließen:

1. Der Hessische Landtag stellt fest, dass der in der 48. Sitzung des Hessischen Landtags mit den Stimmen von CDU und FDP zu Drucks. 16/2760 mehrheitlich gefasste Beschluss, mit dem der Petitionsausschuss zur Härtefallkommission i.S.d. § 23a Aufenthaltsgesetz ernannt worden ist, verfassungswidrig ist, weil eine solche Festlegung gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz gem. Art. 20 Abs. II GG verstößt.

2. Der Hessische Landtag stellt fest, dass auch die Landesregierung die Verfassungswidrigkeit des Landtagsbeschlusses erkannt hat und deswegen in der von ihr erarbeiteten Rechtsverordnung gerade nicht den Petitionsausschuss als Härtefallkommission benannt hat.

3. Der Hessische Landtag hebt den in der 48. Plenarsitzung vom 6. Oktober 2004 zu Drucks. 16/2760 gefassten Beschluss auf.

4. Die Landesregierung wird aufgefordert, die zur Einrichtung einer Härtefallkommission erforderliche Rechtsverordnung neu zu erarbeiten und bei der Festlegung des Verfahrens der Härtefallkommission folgende Sachverhalte zu regeln:

a) Die Härtefallkommission ist zusammenzusetzen aus Personen, die über eine fachliche und sachliche Qualifikation verfügen. Dies sollten

- je ein Vertreter der im Petitionsausschuss des Hessischen Landtags vertretenen Fraktionen,

- Vertreter der Kirchen,

- Vertreter der Verbände und Zusammenschlüsse der freien Wohlfahrtspflege,

- Vertreter von Beratungseinrichtungen für Frauen und Opfer von Menschenhandel,

- Vertreter von Beratungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund,

- Vertreter von Amnesty International,

- Vertreter des Hessischen Flüchtlingsrats,

- Vertreter der AGAH sein.

b) Den Vorsitz der Härtefallkommission sollte eine Vertreterin oder ein Vertreter des hessischen Innenministeriums übernehmen.

c) Um eine reibungslose und kontinuierliche Arbeit der Härtfallkommission zu gewährleisten, ist für die Kommission eine Geschäftsstelle einzurichten und sind Verfahrens- und Entscheidungsgrundsätze aufzustellen, die das Bearbeitungsverfahren regeln.

d) Es ist sicherzustellen, dass jeder Ausländer, dem durch die Entscheidung einer hessischen Ausländerbehörde die Abschiebung droht, sich direkt an die Härtefallkommission wenden kann und dass auch Dritte mit schriftlicher Vollmacht anstelle des Betroffenen die Härtefallkommission anrufen können. Desgleichen muss ebenfalls der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags die Härtefallkommission anrufen können, wenn der Betroffene hiermit einverstanden ist.

e) Mit der Anrufung der Härtefallkommission und bis zur Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gegenüber dem ausländischen Antragsteller ist von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Die zuständige Ausländerbehörde ist über ein bei der Härtefallkommission anhängiges Entscheidungsverfahren zu informieren und anzuweisen, zunächst vorläufig - bis zur Beendigung dieses Verfahrens - von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

f) Ist nach den Feststellungen der Härtefallkommission im Einzelfall eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen oder zu verlängern, so ersucht sie die zuständige Ausländerbehörde, die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung vorzunehmen.

g) In den Einzelfällen, in denen die Ausländerbehörde nicht in der Lage ist, dem Ersuchen der Härtefallkommission zu folgen, hat sie vor dem Treffen einer abschließenden Entscheidung die Vorsitzende/den Vorsitzenden der Härtfallkommission schriftlich über die Gründe für diese abweichende Entscheidung zu informieren.

Begründung:

Der Ausnahmetatbestand für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a Aufenthaltsgesetz setzt voraus, dass eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission ein Härtefallersuchen für einen Einzelfall gestellt hat. Nach § 23a Abs. II S. 1 Aufenthaltsgesetz erfolgt die Festlegung des Gesamtverfahrens, der Ausschlussgründe sowie weiterer Einzeltatbestände durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung.

Auf der Grundlage dieser bundesgesetzlichen Vorgaben kann der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht als Härtefallkommission i.S.d. § 23a Aufenthaltsgesetz fungieren.

Der hier in Rede stehenden Beschluss des Landtags vom 6. Oktober 2004 und die von CDU und FDP beabsichtigte Konstruktion, den Petitionsausschuss des Hessischen Landtags zur Härtefallkommission i.S.d. § 23a Aufenthaltsgesetz zu machen, berühren den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. II GG.

Aus diesem Verfassungsgrundsatz folgt die materielle Funktionstrennung zwischen der Legislative, der Judikative und der Exekutive, sodass Letzterer insbesondere die Aufgabe des Vollzugs von Gesetzen zufällt.

§ 23a Aufenthaltsgesetz definiert als Aufgabe einer Härtefallkommission die Prüfung einer ausländerrechtlichen Eingabe und die Entscheidung darüber, ob gegenüber dem Innenministerium um eine Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefalles ersucht werden soll. Damit wird von dieser Härtefallkommission eine ihr durch Gesetz auferlegte exekutive Handlung vollzogen, deren Verfahren außerdem noch durch Rechtsverordnung der Landesregierung konkretisiert wird.

Die Übertragung dieser exekutiven Aufgabe verstößt gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn sie von einem Gremium des Landtags - hier dem Petitionsausschuss - ausgeführt werden soll.

Deshalb ist der unter Nr. 3 benannte Beschluss des Landtags aufzuheben.

Des Weiteren haben die Erfahrungen in den anderen Bundesländern gezeigt, dass die Einbindung der aufgeführten nicht staatlichen Organisationen bei der Überprüfung von ausländerrechtlichen Einzelfällen zum Abbau von Reibungsverlusten, zu einer größeren Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen sowie zu verantwortungsvollen Entscheidungen geführt haben. Zudem konnten die Beurteilungsgrundlagen auf eine sachlich breitere Basis gestellt werden.

Dabei kann dem Anliegen, auch Mitglieder des Landtags in die Arbeit der Härtefallkommission einzubinden, durch die unter Nr. 4 a des Antrags dargestellte Zusammensetzung Rechnung getragen werden.