Straf- und dienstrechtliche Ermittlungen gegen Vollzugsbeamte

Nach Auswertung der beim hessischen Generalstaatsanwalt geführten Datenbank "Vollzugsverfahren" sowie der Berichte der Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwälte bei den landgerichtlichen Staatsanwaltschaften in Hessen kann zu den Fragen 1 bis 4 wie folgt Stellung genommen werden.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden in den Jahren 1999 bis heute gegen Bedienstete im Strafvollzug eingeleitet und um welche Tatvorwürfe ging es dabei (bitte getrennt nach Vollzugsanstalten, Tatvorwürfen und dienstlichen Funktionen)?

Die Zahl der in den Jahren 1999 bis 2005 von den landgerichtlichen Staatsanwaltschaften in Hessen gegen Bedienstete des Strafvollzugs eingeleiteten Ermittlungsverfahren lässt sich nicht exakt beziffern. Das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister MEStA kennt keine entsprechende Verfahrensklasse. Auch die beim hessischen Generalstaatsanwalt zentral geführte Datenbank "Vollzugsverfahren" erfasst lediglich solche Verfahren, die wegen der besonderen Bedeutung der erhobenen Vorwürfe so genannte Berichtssachen darstellen. Die nachfolgend aufgeführten, von den landgerichtlichen Staatsanwaltschaften gemeldeten Zahlen beruhen daher ganz überwiegend auf Schätzungen, weshalb sie nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Der überwiegende Teil der gegen Bedienstete gerichteten Verfahren bezieht sich dabei auf Vorwürfe der Körperverletzung oder der Freiheitsberaubung im Amt, der Beleidigung, Nötigung, Bedrohung, der Verletzung des Briefgeheimnisses oder der unterlassenen Hilfeleistung. Verfahren, die schwerwiegende Delikte wie Bestechlichkeit, Gefangenenbefreiung, Strafvereitelung im Amt, versuchten Totschlag, sexuellen Missbrauch oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zum Gegenstand haben, fallen dagegen in weit geringerem Maße an. In Ermangelung einer entsprechend differenzierenden datenmäßigen Erfassung sind insoweit aber keine zuverlässigen Zahlenangaben möglich.

Ebenso wenig ist mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln der Datenerfassung eine Differenzierung nach den jeweiligen Vollzugsanstalten oder dienstlichen Funktionen der beschuldigten Bediensteten möglich.

Frage 2. a) In welchen dieser Fälle ergingen Haftbefehle oder wurden Durchsuchungen angeordnet?

b) In welchen Fällen mussten die Bediensteten über welchen Zeitraum in Untersuchungshaft?

Haftbefehle gegen bzw. Durchsuchungsmaßnahmen bei beschuldigten Bediensteten wurden nur in wenigen Fällen beantragt und vollstreckt. Für den in der Anfrage genannten Zeitraum haben die Staatsanwaltschaften in Darmstadt, Fulda, Gießen, Kassel, Limburg, Marburg und Wiesbaden insoweit Fehlanzeige gemeldet. Die Staatsanwaltschaft in Hanau hat in dieser Zeit nur eine (allerdings erfolglose) Durchsuchungsmaßnahme vollstreckt. Die nach § 145 GVG schwerpunktmäßig mit der Durchführung einzelner, besonders bedeutsamer Vollzugsverfahren aus ganz Hessen betraute Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main hat im Berichtszeitraum elf Durchsuchungen und sieben Haftbefehle beantragt und auch zeitweilig vollstreckt. Dabei lagen die in Untersuchungshaft verbrachten Zeiten zwischen 15 Tagen und rund vier Monaten.

Frage 3. Mit welchem Ergebnis endeten diese Ermittlungsverfahren jeweils, soweit sie bereits abgeschlossen sind?

Der ganz überwiegende Teil der Verfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts oder wegen Geringfügigkeit eingestellt (§§ 170 Abs. 2, 153 StPO). Besonderheiten, die auf Art und Gewicht der dort zu bearbeitenden Verfahren zurückzuführen sind, gelten im Hinblick auf die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main: Während in einem Verfahren alle vier Angeklagten freigesprochen wurden, erfolgten in vier weiteren Verfahren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von einem Jahr, einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr und sechs Monaten (jeweils mit Bewährung) und fünf Jahren und neun Monaten.

Frage 4. In welchen dieser Verfahren waren Anschuldigungen von Gefangenen Auslöser der Ermittlungen?

Von wenigen Ausnahmen abgesehen beruhten nahezu sämtliche Anfangsermittlungen auf Hinweisen aus dem Kreis der Inhaftierten, die entweder an die Anstaltsleitung, die Polizei oder unmittelbar an die Staatsanwaltschaft herangetragen wurden. Nur sehr vereinzelt waren auch entsprechende Informationen aus dem Kollegenkreis des/der Beschuldigten Anlass zur Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Verfahren.

Frage 5. Wie viele disziplinarische Ermittlungen oder Vorermittlungen wurden in den Jahren 1999 bis heute gegen Bedienstete im Strafvollzug eingeleitet und um welche Dienstvergehen ging es dabei (bitte getrennt nach Vollzugsanstalten, Tatvorwürfen und dienstlichen Funktionen)?

Frage 6. Mit welchem Ergebnis endeten diese Disziplinarverfahren jeweils, soweit sie bereits abgeschlossen sind?

Frage 7. In welchen dieser Verfahren wurden Suspendierungen vom Dienst ausgesprochen und wie lange dauerte jeweils die Suspendierung?

Frage 8. Wurden in diesen Fällen die Dienstbezüge für die Dauer der Suspendierung gekürzt?

Frage 9. In welchen dieser Fälle führte die Suspendierung später zu einer Entfernung aus dem Dienst?

Der zusammenfassenden Beantwortung der Fragen 5 bis 9 ist einschränkend voranzustellen, dass die festgestellte Anzahl der Disziplinarverfahren gegen Bedienstete unter dem Vorbehalt besteht, dass Disziplinarverfahren nach § 110 HDO nach Ablauf der Tilgungsfrist aus den Akten zu entfernen sind.

Über solche Verfahren liegen demnach keine Informationen vor. Sie sind daher auch in der nachfolgenden Übersicht nicht erfasst. Ferner ist hervorzuheben, dass der Begriff der "Suspendierung" gelegentlich untechnisch verstanden wird. Daher wurde in der beigeschlossenen Tabelle sowohl die Suspendierung nach § 83 HDO als auch die Maßnahme vergleichbarer Wirkung - Verbot der Führung der Amtsgeschäfte nach § 74 HBG - aufgeführt.