Die bis zu diesem Termin geltende Fassung des § 25

Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport:

Eine "Aberkennung" der Staatsangehörigkeit ist dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 GG fremd. Die Tatbestände, die zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen, sind in § 17 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) zusammengestellt. Ihnen ist gemeinsam, dass eine Entscheidung des Betroffenen zugrunde liegt, die er selbst in seiner höchstpersönlichen Sphäre trifft; sie zielt entweder direkt auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (Entlassung, Verzicht, Erklärung) oder einen Tatbestand, der kraft Gesetzes zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führt (Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit, Adoption durch einen Ausländer, Eintritt in ausländische Streitkräfte).

Der Verlusttatbestand des freiwilligen Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit findet sich bereits in der ursprünglichen Fassung des § 25 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) vom 22. Juli 1913.

Deutsche Staatsangehörige, die auf Antrag freiwillig eine fremde Staatsangehörigkeit erwerben, verlieren mit dem Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes ihre deutsche Staatsangehörigkeit, sofern sie zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer ausdrücklichen Beibehaltungsgenehmigung waren, § 25 Abs. 1 und 2 StAG. Seit der Neuregelung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618), die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, spielt es für die genannte Rechtsfolge keine Rolle mehr, wo der betroffene Deutsche im Zeitpunkt des Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit seinen Wohnsitz hatte.

Die bis zu diesem Termin geltende Fassung des § 25 Abs. 1 RuStAG sah den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur dann vor, wenn der Betroffene weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt in Deutschland hatte.

Die Streichung dieser so genannten "Inlandsklausel" ist in den Gesetzgebungsmaterialien wie folgt begründet: "Zu Nummer 7 (§ 25 StAG):

In Nr. 7 Buchst. a wird die "Inlandsklausel" in § 25 aufgehoben. Nach § 25 Abs. 1 RuStAG geht bislang die deutsche Staatsangehörigkeit nur verloren, wenn ein volljähriger Deutscher, der auf seinen Antrag eine ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt, in der Bundesrepublik Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat. Diese "Inlandsklausel" wird häufig genutzt, um den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung zu unterlaufen: Die vor der Einbürgerung aufgegebene ausländische Staatsangehörigkeit wird nach der Einbürgerung sanktionslos wieder erworben. Die Aufhebung der "Inlandsklausel" beseitigt diese Missbrauchsmöglichkeit." (Bundesrats-Drucks. 188/99, 19. März 1999.)

Die Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 StAG, der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, tritt kraft Gesetzes im Zeitpunkt des Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit ein. Auf die subjektive Kenntnis der Betroffenen kommt es ebenso wenig an wie auf die Kenntnis deutscher Behörden.

Auch der - unrechtmäßige - weitere Besitz eines deutschen Passes oder Personausweises ändert nichts an dem Ausländerstatus der Betroffenen.

Eingegangen am 2. September 2005 · Ausgegeben am 20. September 2005

Die deutschen Behörden werden von dem eingetretenen Verlust nur in den Fällen zuverlässig informiert, in denen sich die Betroffenen offenbaren oder in denen völkerrechtliche Vereinbarungen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen bestehen. Im Verhältnis zur Türkei besteht eine entsprechende Vereinbarung nicht. Die Möglichkeit, dem CIEC-Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen vom 10. September 1964 beizutreten, hat die Bundesregierung bisher nicht genutzt. Die Türkei ist seit 1970 Vertragsstaat dieses Übereinkommens.

Aufgrund dieser Zusammenhänge ist davon auszugehen, dass es in Anwendung des § 25 Abs. 1 StAG oder der Vorgängerregelung des § 25 Abs. 1 RuStAG in einer nicht bekannten Zahl von Fällen zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gekommen ist - und weiter kommt. Die Fallzahlen dürften nach Wegfall der Inlandsklausel zugenommen haben. Betroffen hiervon können nicht nur Eingebürgerte sein, sondern auch Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege des Abstammungserwerbes mit der Geburt erworben haben.

Die Möglichkeiten für hessische Behörden, die das in Rede stehende Bundesrecht auszuführen haben, zu einer umfassenden Sachverhaltsermittlung sind begrenzt. Sie werden in der Weise genutzt, dass sich bei der Beantragung von Pässen und Personalausweisen alle Antragsteller über einen freiwilligen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit erklären müssen.

Eingebürgerte erhalten mit der Einbürgerungsurkunde ein Merkblatt, in dem sie über die Rechtsfolgen eines ungenehmigten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit unterrichtet werden.

Nach Erkenntnissen der Bundesregierung hat eine erhebliche Anzahl Deutscher türkischer Herkunft im Anschluss an die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben. Das war Veranlassung für das Ministerium des Innern und für Sport, mit Erlass vom 24. Mai 2005 eine meldebehördliche Sachverhaltsaufklärung zu veranlassen. Die seit dem 1. Januar 1999 eingebürgerten Deutschen türkischer Herkunft, die von § 25 Abs. 1 StAG betroffen sein könnten, haben ein Anschreiben mit Informationen und einem Antwortvordruck erhalten, mit dem sie sich über ihre staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnissen erklären und ihren Aufenthaltsstatus regeln konnten.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Personen wurden angeschrieben - aufgeschlüsselt nach Nationalitäten?

Es wurden von den Meldebehörden über 27.000 Personen angeschrieben; zu dem Personenkreis wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Frage 2. In welchem Umfang wurden auch Personen angeschrieben, die eine andere als die türkische Staatsbürgerschaft angenommen haben?

Wenn nein, warum nicht?

Zu dem angeschriebenen Personenkreis wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Andere Personen sind nicht angeschrieben worden, da derzeit keine belastbaren Erkenntnisse vorliegen, die mit denen im Fall der Türkei vergleichbar wären.

Frage 3. Wie wird die Landesregierung Personen mit einer anderen als der türkischen Staatsbürgerschaft über die neue Gesetzeslage informieren?

Potenzielle Adressaten einer Information über die Rechtsfolgen des § 25 Abs. 1 StAG sind alle Personen, die nach dem Kenntnisstand der Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Entsprechende Informationen werden gezielt im Zusammenhang mit der Beantragung oder Verlängerung eines Passes oder Personalausweises sowie einer Einbürgerung gegeben; auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Darüber hinaus hat das Ministerium des Innern und für Sport ein besonderes Merkblatt zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit sowohl für Personen türkischer Herkunft als auch eine allgemeine Fassung aufgelegt und in seinem Internetangebot bereitgestellt (www.hmdi.hessen.de: Recht und Verwaltung/Ausländerwesen/Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit).

Frage 4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung für alle diejenigen ergreifen, die den Stichtag 30. Juni 2005 verpassen?

Der Antrag auf einen Aufenthaltstitel ist von den Betroffenen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 AufenthG innerhalb von sechs Monaten seit Kenntnis des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit zu stellen. Die Rechtsfolgen des neuen § 25 StAG sind aufgrund der intensiven Öffentlichkeitsarbeit im Zuge des In-Kraft-Tretens der Staatsangehörigkeitsnovelle weitgehend bekannt; darüber hinaus sind Eingebürgerte aufgrund des Merkblatts (vgl. Vorbemerkung) über die Rechtsfolgen einer Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit informiert. Da erst mit dem Aufenthaltsgesetz eine Frist eingeführt wurde, beginnt diese Frist am 1. Januar 2005, sofern der Staatsangehörigkeitsverlust nicht im Laufe des Jahres 2005 eingetreten ist.

Da es sich bei der genannten Regelung um eine gesetzliche Frist handelt, kann bei unverschuldeter Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 32 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes gewährt werden. Darüber hinaus haben die Ausländerbehörden alle in Betracht kommenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen zu prüfen, um einen rechtmäßigen Aufenthalt gewähren zu können.

Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz auf die hier in Rede stehenden Fälle?

Bei einem gewohnten Aufenthalt im Ausland kann einer ehemaligen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen erteilt werden, wenn ausreichend Sprachkenntnisse vorhanden sind. Für Türken gilt entsprechend EU-Assoziazionsabkommen 1/80 EWG/Türkei.

Türkischen Staatsangehörigen, die einen Anspruch nach dem Beschluss 1/80 des Assoziationsrats EWG - Türkei haben, wird unabhängig von den Voraussetzungen des § 38 AufenthG auf Antrag ein Aufenthaltstitel erteilt. § 38 Abs. 2 AufenthG gilt nur für Personen mit Aufenthalt im Ausland und kann daher auf im Inland wohnende Personen nicht angewendet werden.

Frage 6. Wie stellt sich der Fall dar, wenn während des Besitzes der deutschen Staatsbürgerschaft Kinder, deren Staatsangehörigkeit unberührt bleibt, weil sie selbst keine Wiedereinbürgerung in die Türkei betrieben haben, geboren wurden?

Ein Kind erwirbt nach § 4 Abs. 1 StAG durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn im Zeitpunkt der Geburt ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Sofern die Eltern im Anschluss daran den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit betrieben haben, erstreckt sich ihre türkische Einbürgerung nach türkischem Recht kraft Gesetzes auch auf deren minderjährigen Kinder. Da der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch die Kinder aber nicht auf einem von ihnen gestellten Antrag beruht, führt dies nicht zu Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 StAG und daher nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.