Krankenpflege

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Abs. 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen zuziehen.

§ 77

Ärztliche Versorgung:

(1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärzte sicherzustellen.

Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.

(2) Die Sorge der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 78

Konferenzen

Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplanes und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzuge führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten durch.

§ 79

Hausordnung:

(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(2) In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen über

1. die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,

2. die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie

3. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Ein Abdruck der Hausordnung ist in jedem Haftraum auszulegen.

Neunter Abschnitt Einschränkung von Grundrechten; Inkrafttreten, Außerkrafttreten § 80

Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2

(körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Art. 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 81

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Es tritt am 21. Dezember 2011 außer Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil:

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 31. Mai 2006 festgestellt, dass bis spätestens Ende 2007 der Jugendstrafvollzug auf eine gesetzliche Grundlage gestellt sein muss. Da die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im Rahmen der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen ist, wird zur Umsetzung dieses verfassungsrechtlichen Auftrages hiermit ein Gesetzentwurf für ein Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz vorgelegt.

Mit dem Gesetzentwurf wird nicht nur der verfassungsrechtliche Auftrag zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage erfüllt, es werden auch die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen inhaltlichen Vorgaben erfüllt. Die im Urteil genannten Qualitätsanforderungen, die vom Gericht aus dem von der Verfassung gebotenen Resozialisierungsziel abgeleitet werden, begründen einen speziellen Regelungsbedarf insbesondere in Bezug auf Kontakte, körperliche Bewegung und die Art der Sanktionierung von Pflichtverstößen. Ferner sind spezielle Rechtsschutzmöglichkeiten gefordert worden.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch betont, dass dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, auch bezogen auf den Jugendstrafvollzug ist eine auf Einzelheiten bestimmte Vollzugsgestaltung verfassungsrechtlich nicht festgelegt. Dies ergebe sich nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass gesichertes Wissen über die Wirksamkeit und das Verhältnis von Aufwand und Ertrag unterschiedlicher Vollzugsgestaltungen und Behandlungsmaßnahmen nur begrenzt verfügbar sei.

Der vorliegende Gesetzentwurf, der sowohl den Vorschlag aus Baden-Württemberg und Bayern als auch den vom Bundesjustizministerium in die Diskussion eingebrachten Gesetzentwurf berücksichtigt, nutzt diesen verfassungsrechtlichen Spielraum, um neue Möglichkeiten zur Vollzugsgestaltung zu ermöglichen. Dabei wurden insbesondere die hessischen Besonderheiten, speziell die Empfehlungen im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe "Einheitliche Vollzugskonzeption im hessischen Jugendvollzug" vom Mai 2004, aber auch die Erfahrungen mit dem Einsatz der elektronischen Fußfessel berücksichtigt.

Zurzeit wird die Jugendstrafe für männliche Jugendliche und Heranwachsende in Hessen in den zwei Justizvollzugsanstalten Rockenberg und Wiesbaden vollzogen. Der Vollzug von Jugendstrafe an jungen Frauen erfolgt in einer abgetrennten Abteilung der Frauenanstalt JVA Frankfurt am Main III. Im Jugendvollzug für Männer befinden sich aktuell ca. 500 junge Gefangene. Die Anstalten in Rockenberg und Wiesbaden haben ein aufeinander abgestimmtes Angebot in den Bereichen Betreuung, therapeutische Behandlung sowie schulische und berufliche Bildung.

Soweit im Folgenden auf die Rechtslage im Bund Bezug genommen wird, bezieht sich dies - auf das noch in Kraft befindliche - (Bundes-)Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

B. Besonderer Teil

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Diese Bestimmung regelt positiv den Anwendungsbereich des Gesetzes. Es regelt den Vollzug der Jugendstrafe in Hessen.

Zu § 2 (Kriminalpräventive Aufgabe) und zu § 3 (Erziehungsziel)

Mit diesen Normen wird festgelegt, dass das erste und wichtigste Ziel des Jugendstrafvollzuges der Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern durch deren Resozialisierung ist. Danach sind Sicherheit und Resozialisierung oder anders ausgedrückt: Sicherheit durch Resozialisierung - Maßstab und Ziel des Vollzugs.

Dies entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das festgestellt hat, dass zwischen dem Resozialisierungsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, kein Gegensatz bestehe (BVerfG NJW 2006, 2093 (2095)). Es entspricht ferner einer veränderten Vollzugswirklichkeit, die durch eine grundsätzlich veränderte Gefangenenpopulation mit den Problemgruppen der Ausländer, der Drogenabhängigen und der Gewalttäter geprägt ist.

Der Vollzug der Jugendstrafe muss daher auf das Ziel ausgerichtet sein, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen und zugleich der Schutzpflicht des Staates für die Sicherheit aller Bürger Rechnung tragen und die Sicherheit der Allgemeinheit gewährleisten. Dabei ist die erfolgreiche Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben gerade und vor allem bei jungen Gefangenen auch im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten von besonders großer Bedeutung.

Zu § 4 (Gestaltung)

Die Bestimmung enthält wichtige Gestaltungsgrundsätze des Vollzugs. Die Regelung entspricht im Wesentlichen der Bestimmung im (Bundes-)Strafvollzugsgesetz (§ 3 StVollzG: Angleichungs-, Gegensteuerungs- und Integrationsgrundsatz), allerdings ergänzt um Abs. 4, der eine Regelung enthält, die die berechtigten Opferinteressen bei der Erreichung des Erziehungszieles einbezieht. Bei dem jungen Gefangenen soll die Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen geweckt und durch geeignete Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen vertieft werden.

Zu § 5 (Pflicht zur Mitwirkung)

Die Vorschrift enthält eine positive Umschreibung der Mitwirkung des jungen Gefangenen als sozialstaatliche Komponente. Die Bestimmung hat große Bedeutung für den gesamten Vollzug. Dem jungen Gefangenen soll weder ein Mitwirkungsrecht noch eine Mitwirkungspflicht im Sinne einer Rechtspflicht auferlegt werden. Dies bedeutet, dass dem jungen Gefangenen kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Behandlungsmaßnahme zusteht. Er hat allerdings auf der Basis des Erziehungsplanes eine Mitwirkungsobliegenheit.

Zu § 6 (Leitlinien der Erziehung)

Diese Vorschrift stellt das zentrale Ziel des Vollzugs in den Vordergrund, die Erziehung. Der Jugendstrafvollzug wird auf eine konsequente Umsetzung des Erziehungsprinzips ausgerichtet. Dies ist notwendig, denn viele junge Straftäter haben von Erziehung überhaupt noch nichts gehört. Die Regelung beruht auf dem Prinzip des Förderns und Forderns.

Zentral ist die Durchführung einer qualifizierten Diagnostik, die eine sorgfältige Analyse der kriminogenen Faktoren enthält und auch Tests zu den handwerklich-motorischen und den sozialen Kompetenzen. Auf dieser Basis muss durch differenzierte Angebote bezogen auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Erziehungsbedarf gezielt geholfen werden.

Die jungen Gefangenen sollen sich insbesondere mit den Taten und ihren Folgen auseinandersetzen, sie sollen schulische und berufliche Bildungs- und Qualifizierungsangebote sowie arbeitspädagogische Angebote, soziales Training und sportliche Aktivitäten nutzen, um ihre gesellschaftlichen Chancen und ihr Sozialverhalten zu verbessern.

Zu § 7 (Stellung des jungen Gefangenen)

Die Vorschrift, die § 4 Abs. 2 StVollzG entspricht, verdeutlicht nochmals die Stellung des jungen Strafgefangenen, im dem klargestellt wird, dass er den in diesem Gesetz vorgesehenen Freiheitsbeschränkungen unterliegt (Abs. 1 Satz 1). Abs. 1 Satz 2 enthält eine Generalklausel, die allerdings gegenüber speziellen Eingriffsgrundlagen subsidiär anwendbar ist.

Die in Abs. 2 enthaltene Verpflichtung, vollzugliche Maßnahmen dem jungen Gefangenen auf Verlangen zu erläutern, stärkt seine Rechtsstellung und macht gleichzeitig deutlich, dass er aktiv an der Erreichung des Erziehungsziels beteiligt werden muss.

Zu § 8 (Einbeziehung Dritter)

Die Bestimmung garantiert, dass die Jugendstrafanstalten fachbezogen mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen zusammenarbeiten, um so die Eingliederung des jungen Gefangenen bestmöglich zu fördern.

Die Personensorgeberechtigten und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind in die Planung und Gestaltung der Erziehung angemessen einbezogen.

Zu § 9 (Aufnahmeverfahren), § 10 (Vorbereitende Untersuchung, Mitwirkung des jungen Gefangenen) und zu § 11 (Erziehungsplan)

Diese Regelungen bestimmen das Vorgehen in der Anfangsphase des Vollzuges. Sofern in den Bestimmungen keine speziellen Regelunge n getroffen wurden, steht die inhaltliche Ausgestaltung des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörde.