Harmonisierung von Semester- und Vorlesungszeiten

In Deutschland gibt es keine bundeseinheitliche Regelung der Semester- und Vorlesungszeiten, wenn sich auch in der Praxis spezifische Standards durchgesetzt haben. Ein Blick auf Partnerländer für den Studierenden- bzw. Wissenschaftleraustausch zeigt, dass international die Taktung der Studienzeiten sehr heterogen ist:

Es gibt grundsätzlich die drei Systeme Studienjahr, Semester (Sommer- und Winter- bzw. Frühjahrs- und Herbstsemester) sowie Trimester. Allerdings existieren auch bei gleicher Benennung länderspezifische Unterschiede hinsichtlich der tatsächlichen Semester- und Vorlesungszeiten.

Im vergangenen Jahr hat die Universität Mannheim die Semestertaktung vom traditionellen Winter- und Sommersemester auf Herbst- und Frühjahrssemester umgestellt. Die Vorlesungszeiten sind nun von Anfang September bis Weihnachten (Herbstsemester) sowie von Mitte Februar bis Mitte Juni (Frühjahrssemester).

Diese Vorverlegung der Semestertermine soll den Studierenden- und Wissenschaftleraustausch mit wichtigen Partnerhochschulen in den USA, in Australien, Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden erleichtern. Auch die HRK schlägt in einem Eckpunktepapier die Einführung von Frühjahrs- und Herbstsemestern vor und weitere deutsche Hochschulen erwägen, dem Mannheimer Beispiel zu folgen.

Kritiker sehen bei einer nicht abgestimmten Veränderung der Semester- und Vorlesungszeittaktung Probleme auf die Hochschulen und die Studierenden zukommen: Durch den Alleingang der Universität Mannheim werde die Heterogenität der Semestertermine verstärkt und somit die Mobilität der Studierenden erschwert.

Dies gelte sowohl innerhalb Deutschlands als auch für den Austausch mit Hochschulen europäischer Nachbarländer wie Frankreich und Österreich, mit deren Vorlesungszeiten das Mannheimer Modell nun nicht mehr kompatibel sei. Ungelöst bleibt bislang also die Frage der Synchronisierung der akademischen Kalender, wie sie die European University Association in ihrer Glasgow-Erklärung (2005) für den europäischen Hochschulraum gefordert hatte.

Bereits in der Vergangenheit hatte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eine Reihe von Vorstößen zur bundesweiten Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten unternommen. Aktuell legte das HRK -Präsidium zur Senatssitzung im Februar 2007 ein Eckpunktepapier für ein "Modell zur Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten an deutschen Hochschulen in Europäischen Hoc hschulraum" vor.

Eine Beschlussfassung könnte auf der Mitgliederversammlung im Mai erfolgen; die Umsetzung könnte ab 2008/2009 beginnen. Das Modell sieht eine Vorverlegung der Semestertermine um einen Monat und somit die Einführung von Herbst- und Frühjahrssemestern in Deutschland vor. Es schlägt eine Lösung zur bundeseinheitlichen Regelung der Semestertermine vor, allerdings bleibt auch im HRK -Papier die Frage der europäischen bzw. internationalen Harmonisierung offen.

Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Welche Position vertritt die Landesregierung hinsichtlich der Frage einer bundeseinheitlichen Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten?

Frage 2. Welche Anstrengungen hat sie ggf. wann und mit welchen Ergebnissen unternommen, um auf eine bundeseinheitliche Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten hinzuwirken?

Frage 3. Welche Maßnahmen hält sie ggf. für sinnvoll, um insbesondere Bewerbungsfristen, Auswahlverfahren und Prüfungszeiten in ein bundeseinheitliches Semestersystem zu integrieren?

Eine bundeseinheitliche Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten der deutschen Hochschulen war bisher nicht erforderlich, da fast alle Hochschulen in Deutschland faktisch gleiche oder zumindest ähnliche Semesterund Vorlesungszeiten haben. Auf diese Zeiten sind auch die bundeseinheitlichen Auswahlverfahren abgestimmt.

Frage 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Semestertakt-Umstellung der Universität Mannheim auf Frühjahrs- und Herbstsemester und welche Auswirkungen hat dies aus ihrer Sicht für den Studierenden- und Wissenschaftleraustausch mit Hessischen Hochschulen?

Frage 5. Welche Anstrengungen hat sie ggf. wann und mit welchen Ergebnissen unternommen, um den dadurch neu geschaffenen Herausforderungen zu begegnen?

Die Umstellung des Semestertaktes bei der Universität Mannheim kann zu Problemen bei einem Studienwechsel zwischen hessischen Hochschulen und der Universität Mannheim oder umgekehrt führen. Die Umstellung bei einzelnen Hochschulen ist daher nicht unproblematisch. Eine Reaktion darauf ist so lange nicht erforderlich, wie es sich nur um wenige Hochschulen handelt, die das übliche Semesterschema verlassen. Das Ministerium wird die weitere Entwicklung kritisch beobachten, um evtl. Nachteile für hessische Hochschulen zu verhindern.

Frage 6. Wie beurteilt die Landesregierung den durch deren Eckpunktepapier ausgedrückten Willen der HRK, eine bundesweite Harmonisierung der Semester- und Vorlesungszeiten durch Einführung von Frühjahrs- und Herbstsemestern zu erreichen?

Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer europäischen und internationalen Semesterharmonisierung?

Frage 8. Welche Abstimmungsprozesse und Maßnahmen hält sie im Hinblick auf die Semesterterminierung für geeignet, um für Wissenschaftler und Studierende nationale und internationale Mobilität zu erreichen, ohne dass Zeitverluste von teilweise mehreren Monaten in Kauf genommen werden müssen?

Durch den zunehmenden internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern, der von der Landesregierung unterstützt wird, weitet sich die von der HRK dargestellte Problematik aus. Eine europäische oder gar eine weltweite Harmonisierung wäre zu begrüßen, ist aber im Hinblick auf die Vielzahl der Akteure im staatlichen Bereich und im Hochschulbereich nicht zu erwarten. Es stellt sich aber die Frage, ob sich die deutschen Hochschulen an das insbesondere im angelsächsischen Raum übliche Semesterschema, bei dem die Semester jeweils ca. zwei Monate früher beginnen, anpassen sollten. Einer solchen Anpassung steht die Landesregierung grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings sollte die Initiative hierzu aus dem Hochschulbereich kommen, und vor allem darf dabei das faktisch einheitliche System in Deutschland nicht gefährdet werden. Deshalb wird dafür eingetreten, dass zunächst Abstimmungsgespräche innerhalb der KMK und mit der HRK geführt werden.