Wohnen

In diesem Bereich können selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit Eingriffe nicht rechtfertigen, eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (BVerfG a. a.

O., S. 374 f.). Unterfällt ein Sachverhalt diesem absolut geschützten Kernbereich nicht, bleibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets zu beachten, demzufolge die Zulässigkeitsvoraussetzungen um so strenger zu handhaben sind, je intensiver sich die Maßnahme im Einzelfall auswirken würde. Vor allem soweit neben dem Schutzgut der Wohnung andere grundrechtlich gewährleistete Rechtsgüter besonders intensiv betroffen sind, wird deshalb die Zulässigkeit einer elektronischen Wohnraumüberwachung nicht selten überhaupt zu verneinen sein. Insbesondere unterliegen Gespräche zwischen Beschuldigten und zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen verfassungsrechtlichem Schutz: So bleiben das Beichtgeheimnis und die Vertraulichkeit seelsorgerlicher Gespräche mit Beichtcharakter unberührt. Die Beichte gehört zum verfassungsrechtlichen Kernbereich der Religionsausübung im Sinne des Artikels 4 Abs. 1 und 2 GG. Dies gilt ebenso für seelsorgerliche Gespräche, soweit ihnen Beichtcharakter zukommt. Die durch Artikel 4 GG geschützten Beichtgespräche und seelsorgerlichen Gespräche mit Beichtcharakter dürfen von Verfassung wegen nicht abgehört werden. Auch für vertrauliche Gespräche mit Angehörigen verschiedener Berufsgruppen ergibt sich - aus unterschiedlichen Bestimmungen - verfassungsrechtlicher Schutz: So setzt etwa bei Gesprächen mit Pressevertretern die in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit, bei Gesprächen zwischen Anwalt und Mandant das aus Artikel 20 Abs. 3 GG folgende Rechtsstaatsprinzip (namentlich bei Verteidigergesprächen die Gewährleistungen im Hinblick auf ein faires Verfahren) und bei Gesprächen zwischen Arzt und Patient dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG) der elektronischen Wohnraumüberwachung enge Grenzen. Entsprechendes ergibt sich für vertrauliche Gespräche mit Abgeordneten aus deren verfassungsrechtlichem Status (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2, vgl. Artikel 47 GG). Schließlich haben höchstpersönliche Gespräche mit engsten Familienangehörigen am Schutz der durch Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG garantierten Intimsphäre teil. Zwar ist die Grenze des absolut geschützten Bereichs privater Lebensführung nicht abstrakt bestimmbar, weil insbesondere die Schutzwürdigkeit von Räumlichkeiten von ihrer konkreten Nutzung bestimmt wird. Doch dürfen Abhörmaßnahmen um so weniger erfolgen, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass mit ihnen zutiefst private und deshalb absolut geschützte Gespräche erfasst würden (die zudem gerade wegen ihres rein privaten Inhalts für die Strafverfolgungsbehörden uninteressant wären). Sind solche Maßnahmen - irrtümlich -doch einmal getroffen worden, so müssen die dabei gefertigten Aufzeichnungen unverzüglich gelöscht werden."

Ob darüber hinaus für den Bereich des Verfassungsschutzes eine Regelung in Anlehnung an § 103 d StPO sinnvoll sein kann, wird von der Landesregierung geprüft. Nach gegenwärtiger Einschätzung spricht vieles dafür, dass die vor einer Abhörmaßnahme gezogenen engen materiellen Grenzen des Verfassungsschutzgesetzes (§ 5 Abs. 2 LfVG) und der Verfassung (s.o.), die in jedem Einzelfall geprüft werden müssen, keiner entsprechenden Ergänzung bedürfen.

Der Hessische Datenschutzbeauftragte empfiehlt dem Gesetzgeber in Nr. 3 der "Kernpunkte des 31. Tätigkeitsberichts", auch ins HSOG Ausnahmeregelungen aufzunehmen, die die Kommunikation von Journalisten für redaktionelle Zwecke entsprechend der Neuregelung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Strafprozessordnung von Überwachungsmaßnahmen freistellt.

Die Datenerhebung aus dem durch Art. 13 GG geschützten Bereich ist nach § 15 Abs. 4 HSOG nur möglich, wenn es zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Bei einer solchen Gefahrenlage hat die Polizei den mit den notwendigen Maßnahmen zum Schutz von bedeutenden, höchstpersönlichen Rechtsgütern verbundenen Eingriff gegen das Interesse eines Journalisten an freier Berichterstattung abzuwägen.

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. März 2003 - 1BvR 330/96 u. 1 BVR 348/99 - von besonderem Interesse. Darin hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der

Gewichtung der Medienfreiheit im Verhältnis zum staatlichen Interesse an der Strafverfolgung auseinander und ausgeführt (a.a.O., Absatz Nr. 112 ff.): "aa) Presse- und Rundfunkfreiheit sind nicht unbegrenzt gewährleistet.

Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden sie ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Strafprozessordnung und die sie ergänzenden Vorschriften mit ihrer prinzipiellen Verpflichtung für jeden Staatsbürger zählen, zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu dulden. Die in den allgemeinen Gesetzen bestimmten Schranken der Presse- und der Rundfunkfreiheit müssen allerdings ihrerseits im Lichte dieser Grundrechtsverbürgungen gesehen werden. Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist das Gewicht des Rechtsguts zu berücksichtigen, dessen Schutz das einschränkende Gesetz dient (vgl. BVerfGE 77, 65

<75>).

bb) Bei der Gewichtung der Medienfreiheit im Verhältnis zu dem staatlichen Interesse an der Strafverfolgung ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Handlungen auf beiden Seiten auf die Erlangung von Informationen zielen, ohne dass einem der dabei verfolgten Interessen abstrakt ein eindeutiger Vorrang gebührt. Der Gesetzgeber ist weder gehalten noch steht es ihm frei, der Presse- und Rundfunkfreiheit absoluten Vorrang vor anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern einzuräumen. Er hat insbesondere auch den Erfordernissen der Rechtspflege Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 77, 65 <75 f.>). ...

Auch die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden liegt im öffentlichen Interesse und hat in einem Rechtsstaat hohe Bedeutung (siehe oben II 3 b aa). Die durch Strafverfolgungsmaßnahmen mögliche Aufklärung von Straftaten und ihr Beitrag zur Sicherung der Befolgung der Strafgesetze können durch Zeugnisverweigerungsrechte oder ähnliche verfahrensrechtliche Beschränkungen der Strafverfolgung empfindlich berührt werden (vgl. BVerfGE 77, 65 <76>).

Dass das Strafverfolgungsinteresse grundsätzlich hinter dem Rechercheinteresse der Medien zurückzutreten hat, lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen. Darauf aber liefe ein allgemein und umfassend verankerter Schutz von Journalisten hinaus, von Maßnahmen der Erhebung von Informationen über den Telekommunikationsverkehr bei der Aufklärung von Straftaten verschont zu bleiben. Umgekehrt lässt sich auch nicht in abstrakter Weise feststellen, dass das Strafverfolgungsinteresse generell dem Interesse der Medien vorgeht."

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Strafverfolgungsinteresse gelten in besonderem Maße auch für Maßnahmen des Staates zur Gefahrenabwehr. Primäres Ziel staatlichen Handelns muss es sein, die gefährdeten Rechtsgüter zu schützen und eine Verletzung der Rechtsordnung zu verhindern. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen findet dabei in jedem Einzelfall in der zu erlassenden Anordnung statt (vgl. § 4 HSOG und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes (BTDrucks. 13/9660) zitiert bei Nr. 8.2).

Nach gegenwärtiger Einschätzung bedürfen die für eine Abhörmaßnahme gezogenen engen materiellen Grenzen des § 15 Abs. 4 HSOG und der Verfassung, die ohnehin in jedem Einzelfall geprüft werden müssen, deshalb keiner Ergänzung im HSOG.

Zu 8.3 Personenbezogene Daten in Sachakten des Verfassungsschutzes

Die Landesregierung teilt die Ansicht des Hessischen Datenschutzbeauftragten, dass personenbezogene Daten, die nach § 6 Abs. 5 LfVG in der neuen Fassung nicht mehr nur zu sperren sondern zu löschen sind, grundsätzlich nicht mehr verwertet werden dürfen, wenn diese Daten in Sachakten nicht gelöscht wurden. Der entsprechende Formulierungsvorschlag des Hessischen Datenschutzbeauftragten zur letzten Änderung des Gesetzes über das Lan desamt für Verfassungsschutz Hessen, der erst in einem sehr späten Stadium jenes Gesetzgebungsverfahrens gemacht wurde, wird von der Landesregierung im Rahmen einer anstehenden Änderung verschiedener Sicherheitsgesetze (Hessisches Ausführungsgesetz zum G 10-Gesetz, Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen) erneut geprüft.

Zu 8.4 Informationsbesuch beim Landesamt für Verfassungsschutz

Der Hessische Datenschutzbeauftragte berichtet zutreffend über seine Erkenntnisse beim Landesamt für Verfassungsschutz.

Zu 9. Ausländerrecht

Zu 9.1 Prüfung des Einbürgerungsverfahrens

Soweit die Datenschutzprüfung im Einbürgerungsdezernat des Regierungspräsidiums Darmstadt Anlass für Hinweise zu einzelnen Verfahrensabläufen gegeben hat, wurden diese aufgegriffen und den beiden nicht beteiligten Regierungspräsidien mit Erlass vom 26. März 2003 mit der Bitte um Beachtung an die Hand gegeben.

Die Modalitäten der Einbeziehung polizeilicher Erkenntnisse in das Einbürgerungsverfahren stellen sich aus der Sicht der Landesregierung wie folgt dar:

Das Einbürgerungsrecht begründet an mehreren Stellen Aufgaben für die Einbürgerungsbehörde, zu deren Erfüllung sie nicht nur auf die Kenntnis strafrechtlicher Verurteilungen, sondern auch auf sonstige strafrechtliche Erkenntnisse angewiesen ist, die bei der Polizei vorhanden sind.

Dies gilt zunächst für laufende Ermittlungsverfahren. § 88 Abs. 3 Ausländergesetz (AuslG) ordnet für alle Einbürgerungsbegehren nach § 85 AuslG die Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Verurteilung oder dem sonstigen Abschluss des Strafverfahrens an. In gleicher Weise ist bei Ermessenseinbürgerungen nach den §§ 8, 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) zu verfahren; auf Nr. 8.1.1.2 der "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV-" des Bundes vom 13. Dezember 2000 (BAnz. Nr. 21a vom 31. Januar 2001) wird verwiesen. Die Polizei verfügt über entsprechende Erkenntnisse.

Für die Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit in den Einbürgerungstatbeständen des Ausländergesetzes - §§ 85 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, 88 Abs. 1 - werden Kenntnisse aus dem Bundeszentralregister über noch nicht getilgte Verurteilungen benötigt; diesen Bedarf deckt § 42 Abs. 1 Nr. 6 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) ab. Nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG muss bei einer Überschreitung der Bagatellgrenzen nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden, ob Verurteilungen außer Betracht bleiben können. Für diese Ermessensbetätigung sind auch strafrechtliche Ermittlungen von Bedeutung, die ohne eine Verurteilung nach den §§ 153 ff. StPO oder §§ 45, 47 JGG eingestellt worden sind. Die Polizei verfügt über die erforderlichen Erkenntnisse.

Das Nichtvorliegen von Ausweisungsgründen nach den §§ 46 Nr. 1 bis 4, 47 Abs. 1 und 2 AuslG ist Tatbestandsvoraussetzung für Ermessenseinbürgerungen nach §§ 8, 9 StAG.

Während die Ausweisungsgründe nach § 46 Nr. 3 AuslG - Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder behördliche Verfügungen im Zusammenhang mit Gewerbsunzucht - und nach § 46 Nr. 4 AuslG - Betäubungsmittelkonsum relativ selten sind, ist der Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche und behördliche Entscheidungen nach § 46 Nr. 2 AuslG von praktischer Bedeutung. Der zuletzt genannte Ausweisungsgrund erfasst nicht nur strafrechtliche Verurteilungen - hierfür genügt die Abfrage des Bundeszentralregisters -, sondern auch bußgeldbewehrte Taten und Einstellungen nach den §§ 153 ff. StPO, die verfahrensmäßig die Feststellung einer rechtswidrigen und schuldhaften Tatbegehung einschließen. Die polizeilichen Erkenntnisse über die Einleitung eines Verfahrens sind danach für die Bearbeitung eines entsprechenden Einbürgerungsvorgangs erforderlich, weil sie die Einbürgerungsbehörde erst in die Lage versetzen, den Verfahrensausgang zu ermitteln, sofern er der Polizei nicht bekannt ist, und an Hand der Ermittlungsergebnisse die in Rede stehende Einbürgerungsvoraussetzung zu prüfen.