Integration

Ergänzt werden diese Angebote durch Maßnahmen der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes.

Wegen der herausragenden Bedeutung der Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Familie und Schule auf deren Verhalten in Bezug auf Gewalt und Kriminalität hat die hessische Kultusministerin eine besondere Initiative zur Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern gestartet.

Gerade weil Erziehung ein Bereich ist, bei dem die Erwartungen an Staat und Schule stark gewachsen sind und weil die Fragen von Bildung und Erziehung nicht getrennt werden dürfen, hat Staatsministerin Karin Wolff zusammen mit der 1. Vorsitzenden des Landeselternbeirats von Hessen, Sybille Goldacker, die "Wiesbadener Erklärung" veröffentlicht, in der sich beide Seiten für eine Stärkung der Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus aussprechen. Mit der "Wiesbadener Erklärung" sollen Lehrkräfte und Eltern ermutigt werden, sich stärker den Fragen von gemeinsamen Erziehungsvereinbarungen von Schule und Elternhaus zu widmen.

Unter den vielen Gründen, die Bildung und Erziehung aus aktuellem Anlass erneut zu einem zentralen und die Medien beherrschenden Thema gemacht haben, gibt es einen für Deutschland besonders schmerzhaften Auslöser, die PISA-Ergebnisse im Bereich "Eltern-Kind-Beziehungen". Nach den Erkenntnissen der PISA-Begleitstudie erkundigen sich deutsche Eltern demnach weitaus seltener nach den Schulleistungen ihrer Kinder als Eltern in anderen Industrienationen. Auch nehmen sich in Deutschland deutlich weniger Eltern regelmäßig Zeit für persönliche Gespräche mit ihren Kindern. So stellt sich dringend die Frage, wie die Erziehungskompetenz der Eltern gestärkt werden kann.

Es macht daher Sinn, über Chancen und Probleme von Erziehungsvereinbarungen neu nachzudenken. Um Lehrerinnen und Lehrer für die Erfüllung ihres Erziehungsauftrags zu stärken und um Eltern in diesen Prozess einzubeziehen, kann das Aushandeln einer Erziehungsvereinbarung, die sich auf erzieherische Vorstellungen des Zusammenlebens in Lerngruppen und Schulgemeinde bezieht, wertvolle Hilfen geben. Dabei können Vereinbarungen zwischen einzelnen Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften genauso sinnvoll sein wie Vereinbarungen zwischen der Elternschaft und der Schule. Erziehungsvereinbarungen sind keine Verträge im juristischen Sinne.

Das Hessische Kultusministerium und der Landeselternbeirat von Hessen sind sich darin einig, dass auf freiwilliger Basis geschlossene Erziehungsvereinbarungen als gestalterisches Bindeglied zwischen Eltern und Schule für die Schaffung einer konfliktärmeren und lernfördernden Schule geeignete Instrumente sein können. Sie können helfen, dass zwischen Eltern, Schülern und Lehrkräften Wege hin zu einem Wertekonsens gefunden werden. Die daraus sich entwickelnden Konzepte und Aktivitäten zur Einführung von Erziehungsvereinbarungen müssen sich an einer zentralen Forderung der "Wiesbadener Erklärung" messen lassen: "Alle Bemühungen um einen Wertekonsens in der Schule müssen die ethische, religiöse, weltanschauliche und soziale Vielfalt berücksichtigen". In Hessen haben die Schulen erhebliche Gestaltungsspielräume im Schulprogramm, um auf ihre spezifische Situation mit eigenen - gemeinsam vereinbarten - Erziehungskonzepten zu reagieren.

Eine Erziehungsvereinbarung nimmt die Interessen aller Vertragspartner, also auch die der Schüler, ernst. Erziehungsvereinbarungen dienen dem Ziel, im Dialog mit Eltern, Lehrkräften und Schülern Erziehungsziele zu definieren, Prioritäten festzulegen und die Wege dahin gemeinsam zu verantworten. Leistungsentwicklung, Persönlichkeitsentwicklung und die Verständigung auf einen Grundkonsens im Umgang miteinander sind Kernthemen von Erziehungsvereinbarungen. Durch den Vertragscharakter erfolgt nicht zuletzt eine starke persönliche Einbindung des Schülers, die er mit seiner Unterschrift dokumentiert. Insofern geht von einer solchen Vereinbarung eine Verpflichtung aller Beteiligten aus. Erziehungsvereinbarungen können dazu beitragen, dass elterliche Unterstützung als ein wichtiger begleitender Faktor der Erziehung von Kindern in der Schule angesehen wird.

Im September 2002 wurden die notwendigen Steuerungsaufgaben der Schulaufsicht genannt, welche die Erfolgsaussichten der einzelnen Aktivitäten erhöhen können:

- Erarbeitung von Leitlinien und Standards für die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus,

- Qualifizierung von Schulleitungen,

- Analyse von Schulprogrammen hinsichtlich der Elternarbeit,

- Entwicklung von Kooperationsstrukturen zwischen schulischen und außerschulischen Unterstützungssystemen,

- Steuerung über Vereinbarungen,

- Beziehungskultur entwickeln.

In einem weiteren Schritt zur Umsetzung der Ziele der "Wiesbadener Erklärung" entwickeln und erproben zurzeit die Kooperationspartner (der Landeselternbeirat von Hessen, das Hessische Landesinstitut für Pädagogik und das Hessische Kultusministerium) mit ausgewählten Schulen gemeinsam regionalspezifische Konzepte, die das Einleiten von Prozessen zur Verankerung einer wirksamen Erziehungskultur in den Schulen erleichtern können. Kernstück des Kooperationsprojektes ist eine Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die nach ihrer Vorbereitung interessierte Schulen bei der Einführung der Vertragsarbeit unterstützen sollen. Das Qualifikationsangebot richtet sich an Elternbeiräte und aktive Eltern, Lehrkräfte, Schulleitungsmitglieder, Schulseelsorger und in Schulsozialarbeit Tätige.

Im geplanten Curriculum werden unter anderem folgende Themen bearbeitet:

- Was sind Erziehungsvereinbarungen?,

- Wege zu Erziehungsvereinbarungen,

- Fragen der Gesprächskultur,

- Umgang mit alltäglichen Konflikten,

- didaktisch-methodische Überlegungen zum Konzept und dessen Vermittlung,

- Aufbau von regionalen Netzwerken.

Die konkreten Aufgaben der gemeinsamen "Projektgruppe Erziehungsvereinbarungen" beim Hessischen Kultusministerium sind:

- Ermittlung des Qualifikationsbedarfs für die künftigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren,

- Qualifizierung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren,

- Arbeit an und mit interessierten Schulen,

- Dokumentation und Auswertung der Erfahrungen im Projekt.

Das Konzept soll in einer hessischen Großstadt und in einer eher ländlich geprägten Modellregion erprobt werden.

Konsensfähige Konzepte können integraler Bestandteil des Schulprogramms werden.

Erziehungsvereinbarungen sind regelmäßig zu evaluieren und gegebenenfalls zu modifizieren. Sie dürfen nicht zu mechanisch anwendbaren Instrumenten verkommen.

Die ersten Wochenendseminare für Eltern und Lehrer starteten in Frankfurt und Fritzlar am 4. bzw. 11. Oktober 2003.

Frage 22. Welche Gründe führen die Landesregierung dazu anzunehmen, dass die bisherigen politischen Maßnahmen finanzieller, inhaltlicher und rechtlicher Art nicht mehr ausreichen, um der Kriminalitätsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen entgegenzutreten?

Die Landesregierung sieht in den bisherigen Maßnahmen, die unterschiedliche Träger und Institutionen ergriffen haben, wichtige und erfolgreiche Beiträge, um der Kriminalitätsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen wirksam entgegenzutreten. Gleichwohl hält die Landesregierung die derzeitige Kriminalitätsbelastung junger Menschen weiterhin für zu hoch, sodass sie das Ziel verfolgt, die Maßnahmen in präventiver und repressiver Hinsicht noch besser auszugestalten. Es geht der Landesregierung um eine weitere Optimierung durch eine Erweiterung und Effizienzsteigerung der möglichen Maßnahmen.

Frage 23. a) Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung präventiv erzieherisch dem Problem der Jugendgewalt und -kriminalität entgegenzutreten?

b) Wie unterstützt sie z. B. Familien, Träger der Jugend- und Erziehungshilfe, Selbsthilfeorganisationen?

Die Landesregierung hält die präventive Arbeit im Hinblick auf Jugenddelinquenz für besonders wichtig. Dabei nimmt sie in erster Linie eine unterstützende und koordinierende Funktion wahr. Die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen der Prävention obliegt primär der kommunalen Verantwortung. Dies entspricht den allgemeinen Erkenntnissen, nach denen Präventionsarbeit dann besonders wirkungsvoll ist, wenn sie örtliche Gegebenheiten aufgreift und lokal verankert ist. Die Bedeutung der kommunalen Kriminalprävention ist auch in dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung festgeschrieben. Nach § 1 Abs. 6 HSOG sollen vor Ort kriminalpräventive Räte gegründet werden. Diese gesetzliche Vorgabe ist in Hessen sehr gut umgesetzt worden. Derzeit befassen sich 101 Präventionsräte in den Kommunen mit Fragen der Kriminalprävention. Hinzu kommt eine Vielzahl von Gesprächskreisen und Projekten, die unter der Leitung von freien und kirchlichen Trägern stehen.

Die Landesregierung nimmt in der Präventionsarbeit unter anderem durch die Sachverständigenkommission für Kriminalprävention (Landespräventionsrat) unter der Federführung des Justizministeriums eine unterstützende und koordinierende Funktion wahr.

Die Landesregierung förderte in den letzten Jahren Institutionen, die im weiteren Sinn präventive Wirkungen haben, wie z. B. Erziehungsberatungsstellen und offene Hilfen.

Innen-, Kultus-, Sozial- und Justizministerium haben im Jahr 2003 ein Netzwerk gegen Gewalt gegründet, das landesweit regionale Initiativen vernetzt. Zu den weiteren Einzelheiten des Netzwerks gegen Gewalt wird auf die Antwort zu Frage C.30 verwiesen.

Die Landesregierung legt daneben ein besonderes Gewicht auf die gezielte Förderung der Eingliederung junger Spätaussiedler. Nur eine erfolgreiche Integration kann verhindern, dass sie sich als Außenseiter in ihrer neuen Heimat fühlen und in die Kriminalität oder den Drogenkonsum abgleiten. Ihr Selbstwertgefühl muss aufgebaut werden, damit sie nicht dem Gefühl der Diskriminierung unterliegen. Trotz angespannter Haushaltslage wurde daher die Förderung der Betreuung und Integration jugendlicher Spätaussiedler im Jahr 2003 weiter ausgebaut. Insgesamt standen im Haushaltsjahr 2003 im Ansatz Haushaltsmittel in Höhe von 565.000 für Projekte zur Betreuung von Aussiedlerkindern und Jugendlichen in Wohnsiedlungen zur Verfügung.

Darüber hinaus werden Projekte unterstützt, die die Integration in Hessen lebender Ausländer sowie Spätaussiedler in das berufliche, soziale und kulturelle Leben zum Ziel haben. Hierfür standen im Haushaltsjahr 2003 etwa 1.830.000 zur Verfügung.

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland leistet neben anderen mit ihrem seit fünf Jahren erfolgreich laufenden Projekt "Auf- und Ausbau eines Netzes von Multiplikatoren zum Zweck der Verstärkung der Integrationsarbeit mit russlanddeutschen Spätaussiedlern" einen großen Beitrag. Hier binden zwei Projektleiterinnen ehrenamtliche Kräfte in die Spätaussiedlerbetreuung in den Kommunen ein, koordinieren die Arbeit ehrenamtlicher Kräfte, betreuen Multiplikatoren aus den Reihen der Spätaussiedler und organisieren deren Schulungen. Die Multiplikatoren schaffen Schutzfelder durch Tanz-, Musik-, Sport-, Malgruppen und Fußballmannschaften, um so die Integrationsarbeit der Jugendlichen nach der Methode "Hilfe zur Selbsthilfe" zu forcieren. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter nehmen Kontakt mit den Jugendlichen auf, um sie von der Straße zu holen. Dies geschieht sowohl in den Wohnheimen für Spätaussiedler als auch in eigens hierfür geschaffenen Jugendtreffs. Durch sinnvolle Freizeitgestaltungen je nach Interessenlage gepaart mit Kulturarbeit sollen die Jugendlichen vor dem Abgleiten in eine ausweglose Situation bewahrt werden. Durch Vernetzung sollen die Jugendlichen auch zu den Angeboten der Regeleinrichtungen hingeführt werden.

Oft werden die Weichen für die Zukunft junger Spätaussiedler frühzeitig nach ihrer Einreise in ihre neue Heimat gestellt. Durch eine intensive Einbindung der Landmannschaft der Deutschen aus Russland und der Deutschen Jugend aus Russland, die am besten in der Lage sind, den Kontakt zu den Spätaussiedlern frühzeitig herzustellen.