Limesschule in Altenstadt hier: holpriger Weg zur Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe

Mit Schreiben vom 20. März 2003 wurde seitens des Hessischen Kultusministeriums festgehalten, dass eine neue Oberstufe nur dann eingerichtet werden kann, "wenn auf Dauer mindestens 80 Anmeldungen für eine Klasse 11 gesichert sind".

Diese Formulierung war Grundlage für den Beschluss des Kreistages des Wetteraukreises hinsichtlich der 5. Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes, Teilplan "Allgemeinbildende Schulen für den Wetteraukreis", hier: gymnasiale Oberstufen vom 5. Februar 2004.

Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Geht man auch derzeit noch davon aus, dass es sich bei der Zahl 80 um Anmeldungen und nicht um tatsächlich zum Schuljahresbeginn anwesende Schüler handelt?

Die Anmeldung an einer weiterführenden Schule bzw. für eine Schulform heißt nicht, etwa bloßes Interesse an einer möglichen Aufnahme zu bekunden, sondern verbindlich zu erklären, sowohl die formalen Voraussetzungen für eine Aufnahme zu erfüllen als auch das Bildungsangebot für eine - in diesem Fall neu zu errichtende - gymnasiale Oberstufe (GOS) anzunehmen.

Derart als gesichert geltende Anmeldungen liegen also nur dann vor, wenn sich, bezogen auf den konkreten Fall, 80 oder mehr geeignete Schülerinnen und Schüler verbindlich angemeldet haben.

Frage 2. Wann wurde über das Staatliche Schulamt der Kreisausschuss des Wetteraukreises und/oder die Schulleitung der Limesschule in Altenstadt darauf hingewiesen, dass die Zahl 80 nicht mehr für Anmeldungen gilt, sondern für tatsächlich zum Schuljahresbeginn anwesende Schülerinnen und Schüler?

Ist dieses schriftlich geschehen, durch welchen Erlass von welchem Datum?

Die Zustimmung zur Errichtung einer GOS in Altenstadt nach § 146 Hessisches Schulgesetz kann erst umgesetzt werden, wenn dem Schulentwicklungsplan zugestimmt wurde und dann die Anmeldezahlen zum betreffenden Schuljahr den Vorgaben des § 144a Abs. 2 HSchG entsprechen. Wenn nicht, werden die Eingangsklassen/Jahrgänge nicht aufgenommen bzw. können organisatorisch einer anderen bestehenden GOS zugeordnet werden. Sie sind dann Bestandteil dieser Schule. Diese Regelung ist der Schulaufsicht bekannt.

Frage 3. a) Welche Bedeutung hatte die Presseinformation des Hessischen Kultusministeriums vom 14. April 2005, in welcher wörtlich die Ministerin zitiert wird: "Die nach dem Hessischen Schulgesetz notwendigen Voraussetzungen sind gegeben. Die geforderten 80 Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern für die künftige gymnasiale Oberstufe an der Limesschule wurden sogar übertroffen."?

Mit Schreiben vom 6. April 2005 teilte der Kreisausschuss des Wetteraukreises mit, dass der Schule "94 vorläufige Anmeldungen für den Jahrgang Eingegangen am 5. Dezember 2005 · Ausgegeben am 19. Dezember 2005

11" vorlägen und dass "nach einem noch nicht schriftlich bestätigten Hinweis" sogar "über 100 Anmeldungen eingegangen" seien. Nach diesen Angaben schienen zum Zeitpunkt der Pressemitteilung (14. April 2005) die Voraussetzungen gegeben. Absicht der Landesregierung war es, den Betroffenen Planungssicherheit zu signalisieren.

b) Wie ist die weitere verbindliche Ankündigung zu verstehen, dass ein entsprechender Erlass vorbereitet werde, sobald der Schulträger dem Hessischen Kultusministerium die notwendigen Unterlagen vorgelegt habe?

c) Welche weiteren Unterlagen waren gemeint, die vom Schulträger vorzulegen sind?

Der Wetteraukreis als Schulträger ist stets und wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Zustimmung des Hessischen Kultusministeriums zur Aufnahme des Unterrichts in einer GOS an der Limesschule Altenstadt vom Erreichen bzw. Überschreiten der Zahl 80 bei den geeigneten Anmeldungen für den Jahrgang 11 abhängt. Dies gilt sowohl in der mittel- und langfristigen Perspektive der Entwicklung der Schülerzahlen an einem Schulstandort bzw. in dessen Einzugsgebiet als auch für das Schuljahr, in dem der Unterricht aufgenommen werden soll. Diesen Nachweis muss nach § 145 HSchG der Schulträger mit einem Schulentwicklungsplan einschließlich verlässlicher Prognosedaten über die künftige Schülerentwicklung im Einzugsbereich der Limesschule Altenstadt führen können.

Frage 4. Welche konkreten Aufgaben hat das Staatliche Schulamt des Hochtaunus- und Wetteraukreises mit Sitz in Friedberg bei der Bewertung der "Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern für die zukünftige gymnasiale Oberstufe" theoretisch zu übernehmen und welche praktischen Tätigkeiten sind tatsächlich übernommen worden?

Zunächst hat die Schulleitung und dann das Staatliche Schulamt (SSA) unter anderem die Aufgabe zu prüfen, ob es sich bei Anmeldungen für eine Schulform bzw. einen Bildungsgang um qualifizierte Anmeldungen im unter Frage 1 beschriebenen Sinne handelt, ob Doppelanmeldungen vorliegen oder die Anmeldung nicht realisiert wird. Auf diese Aussagen der Schulleitung muss sich das Hessische Kultusministerium verlassen.

Frage 5. a) Hat das Kultusministerium die Daten über die zu erwartenden Schüler auch im Hinblick auf deren Geeignetheit bei der Anmeldung über das Staatliche Schulamt erhalten?

Ja, das Kultusministerium wurde vom zuständigen SSA über die Geeignetheit der Anmeldungen mehrfach unterrichtet.

b) War der Kreisausschuss des Wetteraukreises verpflichtet, die gegebenen Anmeldungen auf die Ernsthaftigkeit und Wertigkeit zu überprüfen und dem Kultusministerium vorzulegen?

Der Kreisausschuss ist nicht verpflichtet, derlei Prüfungen vorzunehmen.

Frage 6. Warum wurde seitens der Vertreterin des Staatlichen Schulamtes in dem Gespräch am 11. Mai 2005 in der Limesschule in Altenstadt dem Präsidenten des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann, und dem Unterzeichner nicht mitgeteilt, dass es noch "Unwägbarkeiten" im Hinblick auf eine vom HKM zu erteilende Genehmigung gebe und worin diese liegen könnten?

Verlauf und Inhalt des Gesprächs entziehen sich der Kenntnis der Landesregierung.

Frage 7. a) Wie bewertet man die Formulierung in § 144a Hessisches Schulgesetz im zweiten Absatz, wonach die Errichtung einer gymnasialen Oberstufe in der Regel voraussetzt, dass in der Jahrgangsstufe der Einführungsphase voraussichtlich eine Jahrgangsbreite von mindestens 80 Schülerinnen und Schülern erreicht wird?

Mit den Bestimmungen des § 144a HSchG hat der Gesetzgeber quantitative Vorgaben zur Schulgröße mit dem Ziel formuliert, eine Differenzierung des Unterrichts und eine sinnvolle Unterrichts- und Erziehungsarbeit zu ermöglichen. Gerade bei der Errichtung eines parallelen Schulangebots, wie im vorliegenden Fall einer GOS im gleichen bzw. sich überschneidenden Einzugsgebiet (Konradsdorf, Büdingen), ist das im § 144a Abs. 2 HSchG formulierte Erfordernis einer Jahrgangsbreite von mindestens 80 Schülerinnen und Schülern eng auszulegen.

b) Ist dieser Formulierung nicht eindeutig zu entnehmen, dass eine Genehmigung bereits vor Beginn des Schuljahres auszusprechen ist bzw. die Beteiligten davon ausgehen können, dass unter Beachtung des Wortlauts des § 144a Schulgesetz in Verbindung mit der Presseerklärung vom 14. April 2005 die Genehmigung nur noch eine Formsache ist?

Der Formulierung im § 144a Abs. 2 HSchG ist eindeutig zu entnehmen, dass die Errichtung einer GOS an eine Jahrgangsbreite von mindestens 80

Schülerinnen und Schülern geknüpft ist. Ferner heißt es dort: "Reicht die Zahl der Schülerinnen und Schüler nicht aus, eine eigene gymnasiale Oberstufe zu bilden, soll diese in einem Verbundsystem mit einer anderen Schule mit gymnasialem Bildungsgang geführt werden."

Frage 8. a) Warum ist eine Entscheidung derartig spät, mindestens zehn Tage nach Schuljahresbeginn, gefallen?

Nach der Nachricht vom 7. September 2005 teilte das SSA dem Ministerium mit, dass entgegen den Angaben der Schule aus dem Frühjahr 2005 zum Schuljahresbeginn tatsächlich nur noch 72 Schülerinnen und Schüler in der Klassenliste der Jahrgangsstufe 11 an der Limesschule in Altenstadt angemeldet sind. Damit lag die Anzahl der Bewerber für eine GOS an der Limesschule deutlich niedriger, als vom Schulleiter und Schulträger angegeben und vor allem unterhalb der gesetzlichen Vorgaben für die Errichtung einer Oberstufe. Unter diesen Voraussetzungen zog das SSA umgehend die Konsequenzen und untersagte die Aufnahme. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler werden im Schuljahr 2005/2006 als ausgelagerte Klasse des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums Büdingen geführt und können weiter in den Räumen der Limesschule unterrichtet werden.

b) Hat dieses mit Prozessen im Rahmen der Mitbestimmungs-/Mitwirkungsgremien zu tun?

Nein.

Frage 9. Sollte die Limesschule als nachgeordnete Behörde in Altenstadt von der so genannten "zweiten Chance" Gebrauch machen und nochmals versuchen, eine eigenständige gymnasiale Oberstufe einzurichten?

Bis zu welchem Datum sind konkret welche Unterlagen vorzulegen und wann ist dann mit einer abschließenden Entscheidung des Kultusministeriums, vor, während oder nach den Sommerferien 2006 zu rechnen?

Welche Organisationsstruktur künftig umgesetzt werden kann, wird erneut allein anhand der mittlerweile vorliegenden Teilfortschreibung des Schulentwicklungsplans für den Wetteraukreis zu entscheiden sein. Diese Entscheidung wird vor den Sommerferien 2006 getroffen werden. Ohne der Entscheidung vorgreifen zu können, muss an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen werden, dass der Bedarf im Schulentwicklungsplan nachgewiesen und die Mindestanzahl von 80 gesicherten Anmeldungen geeigneter Schülerinnen und Schüler als Voraussetzung für die Zustimmung des Hessischen Kultusministeriums zur Errichtung einer GOS an der Limesschule in Altenstadt bestehen bleibt.

Frage 10. Hat das Staatliche Schulamt ausschließlich die Funktion, die Aktivitäten einer Schule, weitere Angebote einzurichten, erschwerend zu begleiten, nicht den öffentlich erklärten positiven politischen Willen der Ressortchefin umzusetzen und damit wenig hilfreich tätig zu sein?

Das Staatliche Schulamt hat die Aufgabe, zur Schulentwicklungsplanung in seinem Zuständigkeitsbereich fachliche Stellungnahmen abzugeben. Diese werden immer dann nicht mit "Aktivitäten einer Schule, weitere Angebote einzurichten", in Einklang zu bringen sein, wenn sich im Lauf des Verfahrens Fakten bzw. Daten als nicht realistisch herausstellen. Maßstab für die Prüfung sind belastbare Fakten bzw. Prognosedaten, die die Errichtung eines Bildungsangebots hinsichtlich der Entwicklung der Schülerzahlen und des erkennbaren Elterninteresses nach § 144 in Verbindung mit § 144a Abs. 2 HSchG, der, wie oben geschildert, für die Errichtung einer GOS eine Mindestjahrgangsbreite von 80 Schülerinnen und Schülern verlangt, gerechtfertigt erscheinen lassen.