Verwechslungsgefahr bei Insolvenzbekanntmachungen im Internet

Ausgehend von einer zunehmenden Technisierung des Richterarbeitsplatzes auch im häuslichen Umfeld sind Sicherheits- und Datenschutzkonzepte auch dort umzusetzen. Solche Konzepte können zwar die richterliche Unabhängigkeit im Sinne einer Selbstbestimmung über Arbeitsmittel und -bedingungen berühren. Verfassungsgrund für die richterliche Unabhängigkeit und damit deren Kern ist aber die Gewährleistung insbesondere der sachlichen Unabhängigkeit, also der Freiheit von Weisungen beim Fällen der Entscheidungen. Die richterliche Unabhängigkeit ist kein Privileg für datenschutzfreie Räume, sondern muss sich in ein allgemeines Datenschutzkonzept integrieren, das sowohl der richterlichen Unabhängigkeit aber und vorrangig auch den datenschutzrechtlichen Interessen der Bürgerinnen und Bürger genügt. Die Gerichte sind dabei nicht vollständig meiner Aufgabenstellung entzogen; sie unterliegen außerhalb des richterlichen Kernbereichs meiner Kontrolle. Auch den Einsatz moderner Informationstechnologien am häuslichen Arbeitsplatz des Richters habe ich zu beobachten und bin insoweit auch zu kritischen Äußerungen berechtigt.

Meine Ausführungen im Einzelnen sind nachzulesen in der Veröffentlichung „Moderne Justiz, Datenschutz und richterliche Unabhängigkeit" in der DuD 2005, 354 ff.

Verwechslungsgefahr bei Insolvenzbekanntmachungen im Internet:

Bei der Entscheidung des Insolvenzgerichts, welche Daten wie zu veröffentlichen sind, ist sorgfältig abzuwägen zwischen den Interessen der Betroffenen, dass als Suchergebnis nicht schon zu viele Details offenbar werden, und den Interessen Dritter, die vor Verwechslungen mit einem Schuldner zu schützen sind.

Die von der Insolvenzordnung vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachungen dürfen seit 2002 auch im Internet erfolgen. Die Mehrzahl der Bundesländer hat dazu eine gemeinsame Internetseite ins Leben gerufen, die technisch in Nordrhein Westfalen betreut wird. Die inhaltliche Verantwortung für die Zulässigkeit der einzelnen Eintragungen sowie die Dauer der Eintragung bleibt beim jeweils zuständigen Insolvenzgericht.

Eingetragen werden Beschlüsse über die Eröffnung, Entscheidungen über die Aufhebung oder Einstellung eines Insolvenzverfahrens, Anordnungen zu Sicherheitsmaßnahmen, Ankündigungen zur Restschuldbefreiung, Terminsbestimmungen und Beschlüsse über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters, Treuhänders und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

Da diese Veröffentlichungen an die Stelle der öffentlichen Bekanntmachung etwa durch Aushang an der Gerichtstafel des jeweils zuständigen Insolvenzgerichts treten, ist für die Dauer der vom Gesetz vorgesehenen Veröffentlichung jedermann der Zugriff gestattet. Für darüber hinausgehende Auskünfte unterliegen die Insolvenzgerichte einer beschränkten Auskunftspflicht. Das bedeutet, dass Auskünfte zu einzelnen Verfahren nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden können. Wer nicht selbst Verfahrensbeteiligter ist, erhält Auskünfte nur bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses. Bei der Frage, welche Auskünfte im Einzelnen erteilt werden können, sind sowohl datenschutzrechtliche als auch schuldnerische Belange zu berücksichtigen.

Das Verfahren zur Suche in den Insolvenzveröffentlichungen ist mehrstufig ausgestaltet. Soweit Daten zu Veröffentlichungen gesucht werden, die länger als zwei Wochen zurückliegen, muss zunächst das zuständige Insolvenzgericht sowie eine der Angaben Familienname, Firma, Sitz oder Wohnort des Schuldners oder das Aktenzeichen des Insolvenzgerichts angegeben werden. Dann erscheint eine Liste der (möglichen) Treffer. Aus dieser kann der Nutzer dann den interessierenden Fall aussuchen und sich für diesen die Details der Veröffentlichung anzeigen lassen.

Dieses Verfahren wurde aus zwei Gründen gewählt. Zum einen gelingt es so, die einzelnen Seiten übersichtlicher zu gestalten. Gleichzeitig kann sichergestellt werden, dass nicht sofort ­ vor allem wenn die Suche mehrere Treffer ergibt ­ Details zu den einzelnen Verfahren erkennbar sind. Der Nutzer muss (nochmals) eine Entscheidung treffen, welches das für ihn relevante Verfahren ist.

Durch eine Eingabe wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass diese Gestaltung der Veröffentlichung im Einzelfall aber auch zu Nachteilen für Unbescholtene führen kann.

Was war geschehen? In einer Großstadt war für eine Firma, deren Inhaber einen oft vorkommenden Namen trug, ein Verfahren eingetragen. Das Suchergebnis war vergleichbar mit: Hans Schmidt, Frankfurt, AZ. XXXX.

In dieser Stadt gibt es aber eine Vielzahl von Firmeninhabern mit dem Namen Hans Schmidt. Einer von diesen hat sich über die Darstellung in der Veröffentlichung beschwert. Dabei hat er dargelegt, dass diese Veröffentlichung dazu geführt habe, dass er Schwierigkeiten mit Geschäftspartnern und Lieferanten bekommen habe. Offensichtlich würde über das weitere Schicksal seiner Firma spekuliert.

Das Anliegen des Eingebers, zusätzliche identifizierende Merkmale zu verwenden, ist verständlich. Ich habe daher dem Justizministerium empfohlen, schon auf der „Trefferliste" für eine verbesserte Darstellung zu sorgen. Das Ministerium hat daraufhin den Insolvenzgerichten empfohlen, dies zumindest in Fällen mit häufig vorkommenden Namen zu tun. Sinnvoll erscheint dabei die zusätzliche Angabe der Straße. Damit kann die Unterscheidung verschiedener Personen mit gleichen Namen erleichtert und gleichzeitig den berechtigten Interessen aller Beteiligten Rechnung getragen werden.

Polizei und Strafverfolgung:

Erfahrungen mit der Videoüberwachung, insbesondere in Frankfurt am Main:

Beim Einsatz von Videoüberwachungsanlagen ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die vom Gesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Trends der Videoüberwachung in Hessen:

Die Zahl der Videoüberwachungsanlagen auf Grundlage der Regelungen im HSOG steigt weiterhin. Wenn auch nicht so extrem wie häufig befürchtet. Für die Beurteilung, inwieweit ein Bewegen im öffentlichen Raum möglich ist ohne von irgendwelchen Überwachungskameras erfasst zu werden, ist auch zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der Kameras in den hessischen Städten und Gemeinden nicht durch Polizei oder Gefahrenabwehrbehörden auf Grundlage des HSOG errichtet worden sind, sondern von privaten Stellen im Rahmen des BDSG. Vermehrt wird von Kommunen ein Kameraeinsatz zur Überwachung von Örtlichkeiten angestrebt, mit dem Schäden oder ordnungswidrigem Verhalten vorgebeugt werden soll, etwa zur Verhinderung von illegalem Müllabladen.

Bei der Überwachung öffentlicher Plätze setzt sich eine Tendenz fort, dass keine strikte Trennung zwischen Maßnahmen der Polizei und der Kommunen erfolgt. Die Entscheidung für eine Überwachung erfolgt häufig durch die kommunalen Gremien, die auch die wesentliche Finanzierung übernehmen. Die Überwachungsmonitore stehen dann aber oft bei der Polizei.

Videoüberwachung von Plätzen in Frankfurt am Main:

In Frankfurt werden auf Veranlassung des Stadtparlaments durch die Polizei zwei Plätze überwacht: Seit einigen Jahren die Konstablerwache und nunmehr auch der Bahnhofsvorplatz. Dies habe ich zum Anlass genommen, mir den Umgang mit den Überwachungsanlagen im Polizeipräsidium Frankfurt näher anzuschauen.

Für die neuen Kameras am Hauptbahnhof konnte ich feststellen, dass dort sehr sorgfältig von den technischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, solche Bereiche auszublenden, die nicht zu dem zu überwachenden Gebiet gehören. Das gilt insbesondere auch für die Beobachtung von Hauseingängen und Fenstern.

Anders stellt sich die Situation im Bereich der Konstablerwache dar. Dort erfassen die Kameras auch Balkone bzw. Fenster.

Zudem geht die Reichweite der Kameras weit über das ursprünglich definierte Ziel, die Konstablerwache, hinaus. Dabei war außerdem festzustellen, dass der überwachte Bereich nicht mit der Beschilderung übereinstimmte, solche gab es nämlich nur an den Zugängen zum eigentlichen Platz „Konstablerwache".

Nicht abschließend geklärt werden konnte bis jetzt, inwieweit innerhalb des Präsidiums Zugriff auf die Aufzeichnungsdaten gewährt werden kann. Ich habe gefordert, in einer Dienstanweisung klarzustellen, wer Zugang zu diesen Daten bekommen kann. Dabei muss auch das Verfahren geregelt werden, wer über einen Zugriff entscheidet, einschließlich einer Dokumentation der vergebenen Zugriffsrechte.

Gelöscht und doch nicht gelöscht ­ Prüfung von Polizeidatenbeständen

Das Konzept der hessischen Polizei zur Löschung von personenbezogenen Daten nach Abschluss eines Verfahrens und Ablauf der verfügten Aufbewahrungsfrist genügt datenschutzrechtlichen Anforderungen, funktioniert aber nur in der Theorie.

Eine Prüfung offenbarte Unstimmigkeiten und technische Mängel in der praktischen Umsetzung des Konzepts. Die Mängel sind noch nicht behoben.

Anlass der Prüfung:

Einem Einwohner aus dem Westerwald habe ich im Jahre 2003 nach einer Überprüfung seiner Datenbestände bei der Polizei mitgeteilt, dass er die Datenspeicherung hinnehmen müsse. Die Datenspeicherung sei rechtmäßig. Erst im Mai des Jahres 2005 könne er mit der Löschung der zu seiner Person gespeicherten Daten rechnen. Im Juli 2005 wandte er sich nun erneut an mich und bat um die Prüfung, ob die Löschung seiner Daten erfolgt sei.

Ich prüfte beim Hessischen Landeskriminalamt das polizeiliche Auskunftssystem POLAS-HE und stellte fest, dass die Daten nach wie vor gespeichert waren. Ein Grund für die Fortdauer der Datenspeicherung war nicht ersichtlich.

Das Verfahren:

Die Rechtsgrundlage für das Verfahren der Speicherung und Löschung in POLAS-HE enthalten §§ 20 Abs. 4 und 27 Abs. 4 HSOG und die auf dieser Grundlage vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport erlassene Prüffristenverordnung (PrüffristVO). Danach enthält jeder in POLAS-HE gespeicherte Datensatz zwingend nach Abschluss der Ermittlungen ein so genanntes Aussonderungsprüfdatum, das nach in der PrüffristVO festgelegten Kriterien vergeben wird. Zum Aussonderungsprüfdatum muss geprüft werden, ob die Datenspeicherung gelöscht werden kann.

§ 2 PrüffristVO

(1) Bei Daten tatverdächtiger Personen betragen die Prüffristen bei Kindern zwei Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre, bei Personen über siebzig Jahre fünf Jahre, bei anderen Personen zehn Jahre.

Bei Fällen von geringer Bedeutung verkürzt sich die Prüffrist bei Kindern auf ein Jahr, bei Jugendlichen auf zwei Jahre, im Übrigen auf drei Jahre.

(2) Automatisiert verarbeitete Daten sind zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen sowie die Akten sind zu vernichten, wenn kein Anlass für eine erneute Aufnahme in die Datensammlung entstanden ist.

(3) Die Löschung und die Vernichtung können unterbleiben, wenn es sich um eine Straftat mit erheblicher Bedeutung handelt und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person solche Straftaten begehen wird. Die Gründe für die Verlängerung sind aktenkundig zu machen. Spätestens nach zwei Jahren, bei Kindern nach einem Jahr, hat eine erneute Prüfung nach den gleichen Maßstäben zu erfolgen.

(4) Löschung und Vernichtung können auch unterbleiben: bei einer Sexualstraftat nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, ausgenommen den §§ 183a, 184, 184d und 184e des Strafgesetzbuches oder bei einer sexuell bestimmten Straftat nach den §§ 211 bis 213 und 223 bis 228 des Strafgesetzbuches.

Spätestens nach fünf Jahren, bei Kindern nach zwei Jahren, hat eine Überprüfung nach Abs. 3 zu erfolgen.

(5) Tatverdächtige Person ist eine Person, die im Verdacht steht, eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches begangen zu haben, vorzubereiten oder vorbereitet zu haben.

§ 5 PrüffristVO

(1) Die Prüffrist beginnt mit dem letzten Ereignis, das die Speicherung begründet hat, in Fällen des § 2 nicht vor Entlassung der betroffenen Personen aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregel der Besserung oder Sicherung. Ereignis im Sinne des Satz 1 ist in Fällen des § 3 Nr. 2 die Aufklärung der Vermisstensache. Sind die Daten zugleich in einer Verbunddatei des Bundeskriminalamtes gespeichert, richtet sich der Beginn der Prüffrist nach dem Ereignis, das die Speicherung in dieser Datei begründet hat.

(2) In den Fällen des § 4 beginnt die Frist mit der erstmaligen Speicherung zu dem jeweiligen Zweck.

(3) Hängt die Länge der Prüffrist vom Lebensalter der betroffenen Person ab, ist das Lebensalter im Zeitpunkt des Ereignisses maßgebend.

§ 6 PrüffristVO

(1) Die Prüfung nach den §§ 2 bis 4 obliegt der Daten verarbeitenden Stelle. Werden die Daten von einer Stelle automatisiert verarbeitet, die nicht die dazugehörigen Unterlagen führt, ist diejenige Stelle zuständig, die die Unterlagen führt.

(2) Die Daten verarbeitende Stelle unterstützt die in Abs. 1 Satz 2 genannten Stellen bei der Einhaltung der Fristen in geeigneter Weise.

Jeden Monat erfolgt eine Auswertung der Datenbank POLAS-HE, mit der eine Prüfliste erstellt wird. Diese enthält Fälle, in denen in vier Monaten das Aussonderungsprüfdatum verstreicht, die Person während der Dauer der Datenspeicherung nicht erneut in den Verdacht geraten ist, Straftaten begangen zu haben oder bei einer neuen Datenspeicherung kein späteres Aussonderungsprüfdatum verfügt wurde. Diese Liste wird der Akten führenden Stelle ­ das ist in der Regel das Polizeipräsidium, welches die Ermittlungen angestellt hatte ­ zur Verfügung gestellt. Damit erhält diese die Möglichkeit, in nach der PrüffristVO begründeten Einzelfällen die Prüffrist zu verlängern. Liegen keine Gründe für die Verlängerung vor, bleibt es bei dem Datum, und diese Datensätze werden nach vier Monaten automatisch gelöscht. Den Akten führenden Stellen werden Listen der gelöschten Datensätze übersandt, denn sie müssen noch die dazugehörigen Kriminalakten vernichten. Auch evtl. vorhandene erkennungsdienstliche Unterlagen ­ Lichtbilder und Fingerabdrücke ­ müssen anhand dieser Löschlisten ausgesondert und vernichtet werden.

Die Prüfung

Durch die Verordnung und das Verfahren ist eigentlich sichergestellt, dass der Fall, wie unter Ziff. 5.3.2.1 beschrieben, überhaupt nicht vorkommen dürfte.

Solche Fälle wie sie auf Grund technischer Vorkehrungen ausgeschlossen sein sollten, sind mir jedoch seit der Einführung des polizeilichen Auskunftsverfahren POLAS-HE im Juli 2001 mehrmals aufgefallen. Ich habe deshalb das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) gebeten, die Datenbank POLAS-HE für Zwecke der Datenschutzkontrolle auszuwerten und mir Datensätze aufzulisten, deren Aussonderungsprüfdatum im Juli 2005 zur Löschung führen sollte.