Hartz IV ­ Vorlage von Kontoauszügen

Nennung des Namens, des Geburtsdatums und der Adresse des Versicherten, um die Möglichkeit der Identifizierung des Patienten bzw. Versicherten auszuschließen. Die Gutachten, die beim MDK in Hessen extern bearbeitet und elektronisch versandt werden, werden mit einem Schlüssel an Stelle des Namens versehen."

Mit Schreiben vom 22. September 2005 hatte mir der Geschäftsführer des MDK Hessen dies nochmals ausdrücklich bestätigt und die einzelnen Verfahrensschritte beschrieben.

Bei meiner Prüfung musste ich feststellen, dass eine Pseudonymisierung, wie vertraglich geregelt und in dem Brief beschrieben, nicht stattfand. Durchaus nachvollziehbare technische und organisatorische Probleme haben eine Realisierung nicht möglich gemacht. Allerdings ist es nicht akzeptabel, dass mir der Sachverhalt unzutreffend dargelegt wurde und ich erst vor Ort und im Rahmen meiner Überprüfung von diesem wesentlichen Umstand Kenntnis erlangt habe. Nur vier Wochen vor der Prüfung erhielt ich den Brief des Geschäftsführers des MDK Hessen, in dem dieser mir Vorgänge (der Pseudonymisierung) beschrieb, die tatsächlich nie realisiert wurden.

Bewertung des Verfahrens und datenschutzrechtliche Defizite

Das Verfahren selbst erscheint mir den erforderlichen Ansprüchen an Datenschutz und Datensicherheit zu entsprechen.

Problematisch sind jedoch die Aspekte der nicht erfolgten Pseudonymisierung sowie der technischen, organisatorischen und personellen Vermengung von Zuständigkeiten des MDK Sachsen-Anhalt und der MedFlex GmbH. Bezüglich der fehlenden Pseudonymisierung erscheinen mir die Argumente des MDK Hessen, wonach der zu betreibende Aufwand unverhältnismäßig zu den erzielten Schutzmaßnahmen ist, schlüssig zu sein. Das Sozialgesetzbuch schließt im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung die Kenntnisnahme von personenbezogenen Sozialdaten durch den Auftragnehmer auch nicht aus. Nicht akzeptabel ist jedoch, dass ich erst im Rahmen meiner Prüfung vor Ort von dem Verzicht auf die Pseudonymisierung Kenntnis erlangt habe. Hinzu kommt, dass der geschlossene Datenschutzvertrag die Pseudonymisierung als rechtlichen Bestandteil der Datenverarbeitung explizit beinhaltet.

Das Rechtsverhältnis zwischen MDK Sachsen-Anhalt und der MedFlex GmbH sowie die Aufgabenverteilung, Nutzung der technischen Ressourcen, Einsatz des Personals etc. ist für eine ordnungsgemäße Datenverarbeitung so nicht darstellbar.

Eine Veränderung der Strukturen erscheint mir deshalb unumgänglich zu sein.

Konsequenzen:

Der MDK Hessen hat mich in verschiedenen Punkten nicht über die tatsächlichen Verhältnisse informiert. Ich habe den MDK aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Darüber hinaus habe ich dem MDK mitgeteilt, dass eine nachvollziehbare räumliche, personelle und organisatorische Trennung zwischen Auftragnehmer (MDK Sachsen-Anhalt) und Unterauftragnehmer (MedFlex GmbH) unerlässlich ist. Eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeit ist Voraussetzung für die weitere Fortsetzung der Auftragsdatenverarbeitung.

Ich habe dies dem Geschäftsführer des MDK in einem Schreiben deutlich gemacht und das Sozialministerium hierüber informiert. Unabhängig hiervon behalte ich mir auch künftig vor, kurzfristig und unangemeldet den Datenverarbeiter, also die MedFlex GmbH, aufzusuchen, um die Einhaltung der Vorgaben zu einem angemessenen Schutz der Sozialdaten zu überprüfen.

Sozialwesen:

Hartz IV ­ Vorlage von Kontoauszügen:

Das behördliche Verlangen, Kontoauszüge der letzten drei bis sechs Monate vorzulegen, ist als bisher auch schon im Sozialhilferecht übliche Standardmaßnahme bei der Entscheidung über die Gewährung von Arbeitslosengeld II zulässig.

Fast alle Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern betreffend Hartz IV (SGB II) betrafen die Frage, ob sie verpflichtet sind, die Kontoauszüge der letzten drei bis sechs Monate vorzulegen.

Die Mitwirkungsobliegenheiten im Sozialrecht sind vor allem in den §§ 60 ff. SGB I geregelt. Was die Vorlage von Kontoauszügen betrifft, ist insbesondere § 60 SGB I von Bedeutung.

§ 60 Abs. 1 SGB I

Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält hat

1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, ...

3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen... Kontoauszüge sind Beweisurkunden im Sinne dieser Vorschrift, deren Vorlage die Behörde verlangen kann. Deren Überprüfung dient der Aufklärung der finanziellen Verhältnisse, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Entscheidung über die Gewährung von Arbeitslosengeld II zu berücksichtigen sind (§§ 11, 12 SGB II).

Zu Recht hat beispielsweise jüngst das Sozialgericht München ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Feststellung, inwieweit Einkommen und Vermögen vorhanden sind, der letzte Kontoauszug nicht genügt, da die Kontenbewegungen der letzten Monate zur vollständigen Ermittlung von Einkommen und Vermögen erforderlich sind (Beschluss vom 9. September 2005, Az. S 50 AS 472/05 ER). Aus zurückliegenden Kontenbewegungen wird z. B. ersichtlich, ob und inwieweit Zuwen dungen Dritter geflossen sind, größere Beträge transferiert und sonstige leistungserhebliche Transaktionen vorgenommen wurden (etwa Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung).

Vor diesem Hintergrund ist auch eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 22. August 2005, Az. L 7 AS 32/05 ER) abzulehnen, in der das Gericht das Verlangen nach den Kontoauszügen der letzten Monate anders als das Sozialgericht Frankfurt in der ersten Instanz für rechtswidrig hält. Freilich ist dem Landessozialgericht beizupflichten, dass die Erhebung von Daten nicht „im Belieben der Verwaltung" steht, aber bei der Frage der Erforderlichkeit einer Datenerhebung hat die Verwaltung einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. auch Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II § 50

Rdnr. 9 m. w. N.), der bei dem Verlangen nach Kontoauszügen der letzten Monate sicher nicht überschritten wird. Völlig zu Recht hat sich dann auch das Sozialgericht München im oben erwähnten, nach der Entscheidung des Landessozialgerichts getroffenen Beschluss ausdrücklich gegen die Rechtsansicht des Landessozialgerichts Darmstadt ausgesprochen, und diese Ansicht des Landessozialgerichts steht auch im Widerspruch zur überwiegenden Auffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die das Verlangen nach Kontoauszügen im Bereich des SGB II und auch des SGB XII (Sozialhilfe) prinzipiell für zulässig hält.

Es ist auch zulässig, Kopien der Kontoauszüge zu den Akten zu nehmen, um beispielsweise die korrekte Sachbearbeitung jederzeit nachprüfen zu können (vgl. auch Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II § 60 Rdnr. 44).

Allerdings ist es ein datenschutzrechtlich berechtigtes Anliegen von Antragstellerinnen und Antragstellern, dass nach Überprüfung der Kontoauszüge nicht relevante Angaben ggf. geschwärzt werden. Denn die vom Sozialgericht München in besagtem Beschluss geäußerten Bedenken, dass bei Vorlage geschwärzter Kontoauszüge ein Verdacht auf beabsichtigten Leistungsmissbrauch nahe liege, bestehen nach Überprüfung der ungeschwärzten Kontoauszüge nicht mehr.

Ich habe die Eingeberinnen und Eingeber über die beschriebene Rechtslage informiert.

Unzulässiger Inhalt von Wohngeld-Antragsformularen:

Es ist unzulässig, bei der Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Wohngeld Angaben zu verlangen, deren Erhebung vom Wohngeldgesetz nicht gedeckt ist.

Ein Bürger beschwerte sich mit seiner Eingabe darüber, dass er neben seinem Antrag auf Gewährung von Wohngeld eine formularmäßige „Ergänzende Erklärung" ausfüllen sollte, die die durchschnittlich monatlich aufgewandten Beträge für den Lebensunterhalt des Antragstellers und der zu seinem Haushalt gehörenden Personen betraf. In dem Formular wurden Beträge für Ernährung, persönliche Dinge des täglichen Lebens, Neuanschaffung von Bekleidung und vieles andere mehr erfragt. Der Antragsteller wurde zugleich darauf hingewiesen, dass er kein Wohngeld erhalte, falls die ergänzende Erklärung nicht ausgefüllt werde.

Wird Wohngeld beantragt, besteht für die Antragsteller eine sozialrechtliche Mitwirkungspflicht (§ 60 SGB I). Damit verbunden ist die Obliegenheit, der Wohngeldstelle Auskunft über die Einnahmen und über andere für das Wohngeld maßgebende Umstände zu geben (§ 25 Abs. 1 WoGG). Vor diesem Hintergrund ist es unzulässig, vom Antragsteller Informationen zu verlangen, die weder Einnahmen noch für das Wohngeld maßgebende Umstände betreffen. Es ist beispielsweise unerheblich, welche Beträge speziell für Ernährung, für persönliche Dinge des täglichen Lebens und die Neuanschaffung von Bekleidung aufgewandt werden.

Diese Thematik habe ich bereits in meinem 22. Tätigkeitsbericht, der freilich schon zwölf Jahre zurückliegt, ausführlich dargelegt (Ziff. 11.2). Der Hinweis der Wohngeldstelle, ihr sei der Vordruck während eines Seminars des Kommunalen Bildungswerkes e. V. in Berlin im Jahr 2002 übergeben worden und sie habe daher keinen Grund gesehen, an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des Vordrucks zu zweifeln, ist sicher nachvollziehbar. Bloß wird in dem verteilten Vordruck am Ende betont, dass die Angaben „freiwillig" sind, also eben nicht der Mitwirkungspflicht unterliegen. Genau hiergegen hat aber die Wohngeldstelle verstoßen. Offenbar hat sich diese unzulässige Praxis, wie die Wohngeldstelle angedeutet hat, bei den Wohngeldstellen auch anderer Kommunen wieder eingeschlichen, sodass ein erneuter Hinweis auf die Rechtslage erforderlich ist.

Die Wohngeldstelle des Landkreises, über die sich der Antragsteller beschwert hatte, hat zugesagt, das Formular „Ergänzende Erklärung" nicht mehr zu verwenden; dies habe ich dem Eingeber mitgeteilt.

Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der Jugendgerichtshilfe

Das Jugendamt ­ Jugendgerichtshilfe ­ ist verpflichtet, bei seiner Tätigkeit im Jugendstrafverfahren auf die Mitwirkung des Jugendlichen zu achten.

Ein Jugendamt hat angefragt, inwieweit datenschutzrechtliche Vorgaben bei der Mitwirkung im Jugendstrafverfahren zu beachten sind.

Datenschutzrechtlicher Ausgangspunkt ist § 61 Abs. 3 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), der bestimmt, dass für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten durch das Jugendamt bei der Mitwirkung im Jugendstrafverfahren die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes maßgebend sind. Das hat zur Konsequenz, dass insoweit also weder der allgemeine Sozialdatenschutz (§§ 67 ff. SGB X) noch das bereichsspezifische Sozialdatenschutzrecht gemäß dem Kinder- und Jugendhilferecht (§§ 61 ff. SGB VIII) anwendbar sind.

Für das Jugendamt gelten bei seiner Tätigkeit im Jugendstrafverfahren in erster Linie die §§ 38 und 43 JGG.

§ 38 Abs. 2 JGG:

Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützten zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.... § 43 Abs. 1 JGG

Nach Einleitung des Verfahrens sollen sobald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte.

Nach ihrem Wortlaut sehen diese Regelungen Datenerhebung, Verarbeitung und Nutzung auch ohne Mitwirkung der betroffenen Jugendlichen vor. Wegen deren aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist das Jugendamt bei seiner Tätigkeit im Jugendstrafverfahren aber verpflichtet, den Jugendlichen jedenfalls in der Regel die Mitwirkung zu ermöglichen, soweit es um ihre personenbezogenen Daten geht. In diesem Sinne sind die Jugendämter zu einer verfassungskonformen Anwendung der §§ 38, 43 JGG verpflichtet. So sind etwa Datenerhebungen bei Dritten sowie Datenübermittlungen an Dritte ohne die Einwilligung der Betroffenen nur ausnahmsweise zulässig.

In diesem Sinne habe ich das Jugendamt über eine datenschutzorientierte Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes unterrichtet.

In der Folgezeit ist § 61 Abs. 3 SGB VIII und damit der Verweis auf §§ 38 und 43 JGG durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 aufgehoben worden. Dies hat zur Folge, dass nunmehr das Sozialdatenschutzrecht des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, §§ 61 ff. SGB VIII, auch für die Jugendgerichtshilfe gilt.

Datenschutzrechtlich ist das eine Verbesserung. So ist nunmehr gesetzlich geregelt, dass etwa die Datenerhebung bei Dritten ohne Mitwirkung des Betroffenen nur zulässig ist, wenn die Erhebung beim Betroffenen nicht möglich ist oder die jeweilige Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen erfordert, die Kenntnis aber erforderlich ist für die Wahrnehmung der Aufgaben der Jugendgerichtshilfe (§§ 52, 62 Abs. 3 Nr. 2 c) SGB VIII).

5.10 Personalwesen:

5.10.1 E-Beihilfe:

Die Einführung der digitalen Beihilfebearbeitung (E-Beihilfe) lässt sich mit datenschutzrechtlichen Vorgaben in Einklang bringen.

Die Hessische Landesregierung möchte die Beihilfeverwaltung durch den Einsatz moderner Informationstechnologie, durch Zentralisierung, Organisationsoptimierung und durch Anpassung des hessischen Beihilferechts effizienter gestalten. EBeihilfe bezeichnet das Konzept und das Verfahren für die elektronische Bearbeitung von Beihilfeanträgen. Hierfür hat das Regierungspräsidium Kassel eine zentrale Verwaltungseinheit aufgebaut, die optimal auf die Aufgabenstellung zugeschnitten werden soll.

Der Ablauf ist wie folgt geplant:

­ Im Posteingang werden die Eingänge zum Scannen vorbereitet. Neue Scantechnik und Texterkennungssoftware sorgen für die Erfassung aller eingehenden Dokumente.

­ Das System klassifiziert die Antragsunterlagen (Antragsformular, Arztrechnungen, Rezepte, etc.), erkennt die Daten und leitet sie weiter. Beim anschließenden maschinellen Datenabgleich mit Regeln und Informationen aus Datenbanken werden Abweichungen automatisch gemeldet. Unklare und nicht erkannte Daten werden manuell ergänzt.

­ Sämtliche Vorgänge werden vollständig durch das System verwaltet. Es besteht aus einer Integration des weiterentwickelten Fachanwendungsprogramms „Elba" mit dem Dokumentenmanagementsystem DOMEA.

­ Die Erteilung des Beihilfebescheides und die Auszahlungen erfolgen automatisch nach Prüfung und Freigabe durch die Sachbearbeiter, ebenso wie der Druck und Versand der Beihilfebescheide über eine zentrale Druckstraße in Wiesbaden.

­ Kundenanfragen sollen im neuen Kundenzentrum beantwortet werden.

Das Projekt, in der Hessischen Landesverwaltung die E-Beihilfe einzuführen, begann im Frühjahr 2004. In die Gespräche war ich von Anfang an einbezogen, um das Projekt aus der Sicht des Datenschutzes beratend zu begleiten. Das Projekt ist datenschutzrechtlich brisant, weil es um sensible Daten von Landesbediensteten geht.

Das im HBG geregelte Personalaktenrecht lässt die automatisierte Verarbeitung von Beihilfedaten (§ 107a HBG) zu, nämlich in § 107g Abs. 2 HBG.