Rhein-Ufer-Gebiet zwischen Oestrich-Winkel und Geisenheim (Vogelschutzgebiet und Naturschutzgebiet Rheinwiesen, zugleich FFH-Gebiet)

Im Naturschutzgebiet "Rheinwiesen" befinden sich natürlich erhaltene Sandstrände am Rhein sowie Auewälder (Weichholz- und Hartholzaue) mit hoher Vegetationsdynamik.

Der Bau des Radweges im Rahmen der Regionalparkroute Rheingau wird entlang der B 42 verlaufen. Der westliche Teil des Gebietes nördlich der "Schönbornschen Aue" wurde vor ca. 30 Jahren mit Rheinkies und Rheinschlick aufgefüllt. Dabei wurde auch der Altrheinarm verfüllt, der die Schönbornsche Aue ursprünglich vom Festland trennte.

Vorbemerkung des Ministers für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Die gestellten Fragen beziehen sich inhaltlich im Wesentlichen auf den geplanten Ausbau des Leinpfades zwischen Eltville und Rüdesheim als Radweg durch die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Rheingau (KAG). Der Fokus liegt dabei auf dem Bereich des Naturschutz- und FFH-Gebietes "Rheinwiesen von Oestrich-Winkel und Geisenheim" (Natura 2000 - Nr. 6013-301), das gleichzeitig Teil des Vogelschutzgebietes "Inselrhein" (Natura 2000 Nr. 5914-450) ist.

Zum Radwegeausbau haben bislang mehrere Vorgespräche stattgefunden.

Ein förmliches Verfahren wurde aber noch nicht eingeleitet. Die folgenden Angaben stützen sich auf bisherige Absprachen.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Sind über den Bau des Fahrradweges hinaus weitere bauliche Eingriffe im östlichen Teil (am NSG Rheinwiesen) geplant, um den Charakter der Weichholzaue zu schützen und zu erhalten?

Im Zuge der Ausbauplanung des Leinpfades ist vorgesehen, den geplanten Radweg im Bereich des Naturschutz- und FFH-Gebietes "Rheinwiesen von Oestrich-Winkel und Geisenheim" an den Rand der B 42 zu verlegen. Als Ausgleich für die dadurch entstehenden Eingriffe in Natur und Landschaft ist geplant, den alten Leinpfad am Rheinufer zurückzubauen und unpassierbar zu machen. Dies soll unter anderem durch die Herstellung von Tümpeln und Gräben unterstützt werden, die zumindest temporär Wasser führend sein werden (siehe dazu auch Antwort zu Frage 5). Ziel der Maßnahme ist es insbesondere, die naturnahe Weichholzaue mit ihrem Spülsaum und unverbauten Ufer vor fortwährenden Beeinträchtigungen und Störungen (freilaufende Hunde, Badebetrieb etc.) zu schützen und eine naturnahe Flussauendynamik im Bereich der Schutzgebiete wiederherzustellen.

Weitere bauliche Eingriffe sind im genannten Gebiet derzeit nicht geplant.

Frage 2. Wie bewertet die Landesregierung das Vorhaben, den vor 30 Jahren aufgebrachten Kies und Schlick im nordwestlichen Teil des Gebietes wieder zu entfernen, um die Entwicklung einer Auenlandschaft zu fördern, und wird sie diese Maßnahme unterstützen?

Eine Beseitigung der Altarmverfüllung ist derzeit weder geplant noch im Rahmen der bisherigen Gespräche zum Leinpfadausbau diskutiert worden.

Innerhalb des Naturschutz- und FFH-Gebietes werden die aktuell vorgesehenen Maßnahmen (siehe auch Antwort zu Frage 1) - die im Rahmen der Ausbauplanung noch detailliert ausgearbeitet werden müssen - als vorerst ausreichend erachtet, um die naturnahe Auendynamik zu unterstützen und typische Auen-Lebensräume wiederherzustellen.

Frage 3. Welche ökologischen Chancen für das gesamte Gebiet sieht die Landesregierung in der Wiederherstellung des Altrheinarmes?

Grundsätzlich ist eine Wiederherstellung auendynamischer Prozesse am Rhein, insbesondere für die künftigen naturschutzfachlichen Zielsetzungen im Vogelschutzgebiet "Inselrhein", erstrebenswert. Dazu bedarf es jedoch zunächst einer hinreichend qualifizierten Planung - beispielsweise im Rahmen der Grunddatenerfassung und Managementplanung -, die die Entwicklungsflächen und -potenziale für eine entsprechend vorgeschlagene Auenentwicklung ermittelt.

Auch bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtline ist die Prüfung des ökologischen Potenzials des Mittelrheins gefordert. Bei dieser Aufgabe wird die Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes auch die Möglichkeiten der Wiederherstellung des früheren Altarms mit dem Ziel der Entwicklung des ökologischen Potenzials der Auenlandschaft prüfen.

Unter Berücksichtigung aller sonstigen örtlich relevanten Belange können dann sukzessiv die erforderlichen Maßnahmen beispielsweise im Rahmen zukünftiger naturschutzrechtlicher Kompensationsverpflichtungen umgesetzt werden.

Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung den durch die Maßnahmen (unter 3 und 4) geschaffenen Retentionsraum?

Ein für größere Hochwasserereignisse wirksamer zusätzlicher Retentionsraum würde durch die Schaffung eines Altrheinarms nicht erreicht. Das Gleiche gilt für die in der Antwort auf Frage 1 geschilderten Maßnahmen.

Frage 5. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für erforderlich, um in diesem Gebiet eine stabile Kreuzkröten-Population aufzubauen?

Die Kreuzkröte (Bufo calamita) benötigt als sogenannte Pionierart Habitate, die einer starken Dynamik und damit im Regelfall einer kurzzeitigen Lebensdauer unterliegen; vorwiegend werden vegetationsfreie, entsprechend besonnte, temporär Wasser führende Tümpel besiedelt. Die dazu erforderlichen dynamischen Prozesse, die nur in intakten Auensystemen vorkommen, sind im Abflussregime des Rheins als primär ausgebaute Bundeswasserstraße nicht mehr oder nur noch deutlich reduziert gegeben.

Dennoch können die in der Antwort zu Frage 1 genannten Maßnahmen zur Anlage von temporären Tümpeln und Gräben zumindest kurzzeitig als Habitat für die Kreuzkröte fungieren. Darüber hinaus können - initiiert durch die Verbesserung der Auendynamik - zumindest kleinräumig im Gebiet immer wieder geeignete Habitate entstehen. Darüber hi naus sind im Naturschutzund FFH-Gebiet keine weiteren Maßnahmen als die ungestörte, natürliche Entwicklung des nach der FFH-Richtlinie prioritären Lebensraumtypes "Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern" geplant.

Frage 6. Was wird die Landesregierung unternehmen, um die in diesem Gebiet vermutlich vorkommenden Schwarzpappelbestände zu identifizieren und zu erhalten?

In dem Naturschutz- und FFH-Gebiet sowie im weiteren Verlauf rheinabwärts bis zum Rüdesheimer Hafen (Echterquelle bei Geisenheim und Lachaue bei Rüdesheim) sind gesicherte Vorkommen der Schwarzpappel (Populus nigra) bekannt. Derzeit betreibt die untere Naturschutzbehörde des RheingauTaunus-Kreises ein Projekt zur Bestimmung dieser Bestände, um festzustellen, ob die Schwarzpappeln aus einem einzigen, genetisch identischen Klon hervorgegangen sind. Die Kenntnis darüber hat eine besondere Bedeutung für die zukünftige vegetative Vermehrung autochtoner Bestände. Ergebnisse hierüber sind allerdings erst im Laufe des Jahres 2007 zu erwarten.

Die Erhaltung der Schwarzpappel-Bestände wird des Weiteren aktuell forciert, beispielsweise im Rahmen von Pflanz-Maßnahmen im Bereich der Lachaue Rüdesheim und im Bereich der Kompensationsfläche zum Aus gleich von Eingriffen durch die ICE-Strecke Köln-Rhein-Main auf der Grünaue in Erbach.

Frage 7. Kann sich die Landesregierung in einem derart ökologisch aufgewerteten Gebiet einen "Auenlehrpfad" vorstellen und wird sie seine Einrichtung unterstützen?

Ja. Die Einrichtung eines Auenlehrpfades im Bereich des Naturschutz- und FFH-Gebietes "Rheinwiesen von Oestrich-Winkel und Geisenheim" wurde bereits im Rahmen der Radwegeplanung diskutiert. Ziel ist es, breiteren Bevölkerungsteilen die Besonderheit der vorhandenen Naturausstattung des Rheins und die Schutzbedürftigkeit der Auenlebensräume näherzubringen.

Eine Unterstützung und Umsetzung des Projektes "Auenlehrpfad" ist ferner im Zusammenhang mit dem Vogelschutzgebiet "Inselrhein" vorstellbar.

Frage 8. Ist die Landesregierung bereit, die hier skizzierte ökologische Aufwertung des oben beschriebenen Gebietes aus der Ausgleichsabgabe zu finanzieren, die durch den Bau eines gepflasterten Radweges durch das Naturschutzgebiet "Erbacher Wäldchen" erhoben werden wird?

Im Zuge der Ausbauplanung des Leinpfades ist es nicht vorgesehen, für die entstehenden Eingriffe in Natur und Landschaft (beispielsweise im Naturschutzgebiet "Erbacher Wäldchen") eine naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe zu erheben. Diese Abgabe wäre erst gemäß Hessischem Naturschutzrecht zu zahlen, wenn keine anderen naturschutzfachlich geeigneten Maßnahmen zum Ausgleich oder Ersatz im Gebiet bestehen würden. Aus den bisherigen Erläuterungen wird ersichtlich, dass eine unmittelbare Zuordnung von entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen (z.B. Rückbau/Beseitigung des alten Leinpfades) möglich ist, die die ökologische Aufwertung des Gebietes in seiner Gesamtheit zum Ziel haben.