Handelsrecht

Mit den sogenannten "Güttler-Erlassen" vom 12. März 2004 und vom 17. Februar 2006 wurde geregelt, dass in Hessen grundsätzlich nur gemeinwirtschaftliche Genehmigungen erteilt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2006 auch eigenwirtschaftliche Konzessionen erlaubt.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Welche Folgerungen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes?

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 2007 beinhaltet folgende wesentliche Feststellungen:

1. Mit der Regelung der § 8 Abs. 4, § 13 PBefG hat der nationale Gesetzgeber eine Bereichsausnahme von der VO (EWG) Nr. 1191/69 angeordnet, die den aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgenden Erfordernissen der Bestimmtheit und Klarheit genügt und keinen Raum für Zweifel lässt, welche Verkehrsleistungen der deutsche Gesetzgeber von der Anwe ndung der VO (EWG) Nr. 1191/69 freistellt. Danach ist die VO (EWG) Nr. 1191/69 erst maßgebend, wenn eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen nicht möglich ist.

2. Das Wahlrecht des Unternehmers beschränkt sich auf die Entscheidung, ob er auf eigenes Risiko mit den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln einen Linienverkehr betreiben will oder nicht. Verneint er diese Frage, liegt das weitere Vorgehen in der Hand des Aufgabenträgers. Zuschüsse der öffentlichen Hand, auch unzulässige Beihilfen, heben die Eigenwirtschaftlichkeit nicht auf; diese sind in der Gewinn- und Verlustrechnung als sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinn zu bilanzieren.

3. Die Rechtmäßigkeit etwaiger Zuschüsse ist nicht im Genehmigungsverfahren, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach Art. 87 ff. EG durch die EU-Kommission zu prüfen. Zudem haben Konkurrenten die Möglichkeit, bei der Kommission Anzeige zu erstatten. Das PBefG lässt keinen Raum für eine entsprechende Prüfung durch die Genehmigungsbehörde.

4. Dem bisherigen Genehmigungsinhaber steht im Verhältnis zum Betriebsführer kein Besitzstandsrecht als Altunternehmer zu.

Daraus ergibt sich für die Landesregierung, dass sie ihre Aussage, die Regelung im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) stelle keine rechtssichere Teilbereichsausnahme dar, und die daraus resultierenden Hinweise nicht aufrechterhalten kann (Erlasse vom 12. März 2004 und 17. Februar 2006).

Da die PBefG-Genehmigungsbehörden - in Hessen sind dies die Regierungspräsidien - die Beihilfekonformität der Finanzierung nicht mehr zu prüfen Eingegangen am 12. März 2007 · Ausgegeben am 27. März 2007 haben, liegt das Risiko einer unerlaubten Finanzierung und einer eventuellen Rückzahlungspflicht allein bei den Zuwendungsgebern und den Zuwendungsempfängern. Zuwendungsgeber im öffentlichen Personennahverkehr sind das Land gemäß § 12 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen (ÖPN VG), die Verkehrsverbünde und lokalen Nahverkehrsorganisationen nach § 9 Nr. 3 sowie die kommunalen Gebietskörperschaften als Aufgabenträger nach § 11 ÖPNVG oder als Eigentümer eines kommunalen Verkehrsbetriebes.

Diese Stellen werden künftig ohne Mitwirkung der PBefG-Genehmigungsbehörden deutlich stärker in eigener Verantwortung prüfen müssen, ob ihre Finanzierungsbeiträge mit dem EU-Beihilferecht konform gehen. Soweit das Land Zuwendungsgeber ist, wird das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung hierzu im Zusammenwirken mit den Verkehrsverbünden Ausführungsregelungen erarbeiten.

Für die Verwaltungspraxis der Genehmigungsbehörden wird unter Berücksichtigung des Urteils bis zu weiteren nationalrechtlichen Klarstellungen Folgendes zu beachten sein: Eigenwirtschaftliche Anträge von Verkehrsunternehmen müssen eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherstellen. Die Definition der ausreichenden Verkehrsbedienung obliegt der jeweils zuständigen ÖPNV-Aufgabenträgerorganisation nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Hess. ÖPNVG. Die Sicherstellung der ausreichenden Verkehrsbedienung muss über die gesamte Laufzeit der Genehmigung (bis zu acht Jahren) gewährleistet sein.

In Kenntnis des Urteils ist zu erwarten, dass künftig für dieselbe Verkehrsleistung häufiger als in der Vergangenheit eigenwirtschaftliche Anträge von mehreren Verkehrsunternehmen gestellt werden, sodass eine Auswahlentscheidung zugunsten des besten Angebots erforderlich wird.

Ist absehbar, dass kein Verkehrsunternehmen in der Lage bzw. bereit sein wird, mit den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln auf eigenes Risiko einen Linienverkehr zu betreiben, liegt das weitere Vorgehen in der Hand des ÖPNV-Aufgabenträgers, der dann nach § 13a PBefG in der Regel ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchzuführen hat.

Diese Punkte erfordern einen zeitlich, formal und inhaltlich strukturierten transparenten Verfahrensablaufplan, der verbindliche Regelungen für Antragsunterlagen, Anhörungen, Stellungnahmen, Veröffentlichungen und Fristen betrifft. Da das Personenbeförderungsgesetz hierzu auch nach Ansicht des zuständigen Bund-Länder-Fachausschusses Straßenpersonenverkehr keine oder nur unzureichende Regelungen trifft, eine Änderung des PBefG durch den Bundesgesetzgeber in absehbarer Zeit jedoch nicht zu erwarten ist, sollen solche Regelungen von den Regierungspräsidien auf der Grundlage des Verwaltungsverfahrensrechts getroffen werden. Entwürfe hierzu befinden sich zurzeit in der fachlichen Abstimmung.

Frage 2. Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Urteil für den Erlass vom 17. Februar 2006?

Der Erlass vom 17. Februar 2006 nimmt Bezug auf den Erlass vom 12. März 2004, der nicht aufrechterhalten werden kann (vergleiche Antwort zu Frage 1). Somit wird dieser Ergänzungserlass als Verfahrensgrundlage für die Erteilung von Konzessionen ebenfalls gegenstandslos.

Frage 3. Welche Arten von Konzessionen werden in Hessen zukünftig erteilt?

Für die zukünftige Erteilung von Linienverkehrskonzessionen nach § 13 und § 13a PBefG sind die Feststellungen des oben genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes und die Verfahrensregelungen der Regierungspräsidien maßgeblich. Infolgedessen können in Hessen sowohl Konzessionen für eigenwirtschaftlich beantragte Linienverkehre von Verkehrsunternehmen, die die ausreichende Verkehrsbedienung auf eigenes Risiko mit den ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln betreiben wollen, erteilt werden als auch gemeinwirtschaftliche Konzessionen, die für die Umsetzung der ausreichenden Verkehrsbedienung mit dem Aufgabenträger aufgrund einer Vereinbarung oder Auferlegung nach der Verordnung (EWG) 1191/69 erforderlich sind.

Wiesbaden, 27. Februar 2007