Wettbewerb

Prüfbeschränkungen zu Lasten freiberuflicher Sachverständiger in Niedersachsen

Seit der im Jahre 1989 erfolgten Neufassung der Anlage VIII StVZO dürfen freiberufliche Prüfingenieure als Partner von amtlich anerkannten Überwachungsorganisationen Fahrzeuguntersuchungen nach Anlage VIII StVZO durchführen. Die von einigen Berufsverbänden der Kfz-Sachverständigen gebildete und getragene Überwachungsorganisation der GTÜ hat in allen Bundesländern die amtliche Anerkennung erhalten. Seitdem können freiberufliche Kfz-Sachverständige als Partner dieser Organisationen Prüfungen durchführen.

Bisher hat die Niedersächsische Landesregierung allen Prüfingenieuren die Aufnahme der Prüftätigkeit gestattet, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen persönlich erfüllt hatten.

Nunmehr hat das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr verfügt, dass keine weiteren Prüfingenieure in Niedersachsen mehr zugelassen werden.

Das Ministerium hat eine Reihe weiterer Maßnahmen angekündigt, z. B. die Festlegung von sogenannten durchschnittlichen Prüfstückzahlen, die für die Prüforganisationen zu Beschränkungen führen.

Nach Auffassung der freiberuflichen und mittelständischen Sachverständigen sind diese Maßnahmen gegen ihre Interessen gerichtet und stellen eine Wettbewerbseinschränkung zu ihren Lasten dar.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aus welchen Gründen hat sie die Prüftätigkeit freiberuflicher Sachverständiger in Niedersachsen eingeschränkt?

2. Stellen diese Beschränkungsmaßnahmen eine Wettbewerbsbeeinflussung zugunsten der technischen Prüfstelle vom TÜV Nord dar?

3. In welchen Bundesländern sind solche Beschränkungen inzwischen eingeführt worden, und in welchen Bundesländern gibt es keine derartigen Beschränkungen?

4. Ist die Landesregierung bereit, die wettbewerbsverzerrenden Beschränkungen zu Lasten freiberuflicher und mittelständiger Sachverständiger wieder zurückzunehmen, wenn nicht, aus welchen Gründen?

Die der Verkehrssicherheit dienende und in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vorgeschriebene periodische technische Fahrzeugüberwachung (z. B. Hauptuntersuchung nach § 29, Abgasuntersuchung nach § 47 a, Anbauabnahmen nach § 19 Abs. 3 StVZO) ist durch die 8. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 24. Mai 1990 für Organisationen der freiberuflichen Kraftfahrzeugsachverständigen geöffnet worden. Neben der Technischen Prüfstelle, die aufgrund der Vorschriften der StVZO in jedem Bundesland eingerichtet werden muss (in Niedersachsen wird diese vom Technischen Überwachungs-Verein unterhalten), können seitdem auch freie Sachverständige in sog. amtlich anerkannten Überwachungsorganisationen die vorgeschriebenen Fahrzeuguntersuchungen durchführen. Alle Organisationen erfüllen Aufgaben der staatlichen Gefahrenabwehr, bei denen der Staat im Rahmen seines Organisationsermessens allein über die Art und Erledigung dieser Aufgaben und über die vom ihm zur Aufgabenwahrnehmung eingesetzten Stellen, Einrichtungen und Personen entscheidet.

In Niedersachsen sind als Überwachungsorganisationen neben dem Technischen Überwachungs-Verein die DEKRA AG, Stuttgart, die Gesellschaft für Technische Überwachung mbH (GTÜ), Stuttgart, und die Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger (KÜS e. V.), Losheim, amtlich anerkannt.

Die Niedersächsische Landesregierung beurteilt den Wettbewerb zwischen den Organisationen positiv, da er zu größerer Kundenfreundlichkeit geführt hat. Die Qualität der Untersuchungen muss sich aber an den Sicherheitsbedürfnissen orientieren, für deren Sicherstellung der Staat zu sorgen hat. Ein Verdrängungswettbewerb oder Preisdumping zu Lasten der Sicherheit kann keinesfalls hingenommen werden.

Um eine verbesserte Wettbewerbssituation der Technischen Prüfstelle und der Überwachungsorganisationen zu erreichen sowie Befürchtungen entgegenzuwirken, der Wettbewerb könnte die Fahrzeugsicherheit gefährden, ist eine Änderung der Anlage VIII zu § 29 StVZO in Vorbereitung. Der hierfür zuständige Bundesminister für Verkehr hat die geplanten Änderungen der Anlage VIII im Rahmen einer Anhörung am 17. März 1998 mit allein beteiligten Stellen diskutiert. Hierbei waren auch alle Überwachungsorganisationen und einige Länder anwesend. Vorgesehen ist u. a., festzulegen, daß

- ein Prüfer nicht von der Zahl der von ihm durchgeführten Prüfungen wirtschaftlich abhängig sein darf,

- ein Mindestentgelt für die freien Sachverständigen bestimmt wird, denn die Technische Prüfstelle ist an Gebührensätze der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr gebunden und

- eine jährliche Anzahl von Einzelprüfungen bestimmt werden kann.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Durch das Kraftfahrsachverständigengesetz (KfSachVG) ist die Wahrnehmung der Prüfungsaufgaben amtlich anerkannten Sachverständigen und Prüfern für den Kraftfahrzeugverkehr übertragen, die einer Technischen Prüfstelle angehören müssen. Sie werden bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben hoheitlich tätig. Rahmenvorgaben für die Technische Prüfstelle sind:

- die Bindung an die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr, verbunden mit einem Gewinnerzielungsverbot.

Auch die o. a. Überwachungsorganisationen führen die gesetzlich vorgeschriebenen Fahrzeuguntersuchungen ­ neben der Technischen Prüfstelle ­ auf der Grundlage einer staatlichen Anerkennung, einer Organisationsentscheidung des Staates durch.

Im Gegensatz zu der Technischen Prüfstelle sind die Überwachungsorganisationen berechtigt, ohne die o. g. Bindungen und Einschränkungen, die amtlich vorgeschriebenen Prüfungen durchzuführen.

Hieraus lassen sich drei Feststellungen ableiten:

1. die Berechtigung und Verpflichtung des Staates zur Bedarfsprüfung,

2. das Primat der Technischen Prüfstelle mit ihren amtlich anerkannten Sachverständigen und Prüfern,

3. die Verpflichtung des Staates, bei einer Gefährdung der Technischen Prüfstelle regulierend einzugreifen.

In Niedersachsen ist aus der ständigen Zunahme der Untersuchungszahlen zugunsten der Überwachungsorganisationen eine Gefährdung des Bestandes der Technischen Prüfstellen wegen sinkenden Kostendeckungsgrades abzuleiten. Die unbeschränkte Zulassung weiterer Überwachungsorganisationen oder weiterer Prüfingenieure in den bestehenden Überwachungsorganisationen würde diesen Trend noch verstärken.

Zu 2: Das Primat der Fahrzeugüberwachung liegt bei der Technischen Prüfstelle. Die Zulassung weiterer Prüfingenieure bei den Überwachungsorganisationen führt zu einer Gefährdung des Bestandes der Technischen Prüfstellen, die nicht hingenommen werden kann. Die Beschränkungsmaßnahme kann aber nicht als Wettbewerbsbeeinflussung verstanden werden; sie ist vielmehr ­ wie oben erläutert ­ eine erforderliche Organisationsentscheidung. Denn diese Beschränkung trifft alle anerkannten Überwachungsorganisationen (auch die TÜV-eigene Überwachungsorganisation) gleichermaßen.

Zu 3: Die konkrete Beantwortung dieser Frage setzt eine Umfrage bei allen Bundesländern voraus. Hierauf ist aus Zeitgründen und außerdem deshalb verzichtet worden, weil das Ergebnis keinen Einfluß auf die niedersächsische Entscheidung hätte. Der Landesregierung ist aber bekannt, dass z. B. in Bayern schon vor den niedersächsischen Maßnahmen ähnliche Beschränkungen eingeführt worden sind.

Zu 4: Wie bereits erwähnt, handelt es sich nicht um eine wettbewerbsverzerrende Beschränkung, sondern um eine Maßnahme, die im Interesse der technischen Sicherheit der im Verkehr befindlichen Fahrzeuge erforderlich ist. Nur mit dieser Maßnahme kann im Wettbewerb der anerkannten Überwachungsorganisationen das vom Gesetzgeber geforderte Maß der Qualität der Prüfungen gesichert werden. Die Notwendigkeit der Qualitätsverbesserung hat ein vor kurzem durch die Aufsichtsbehörde durchgeführter verdeckter Test bei allen in Niedersachsen anerkannten Prüfinstitutionen (Überwachungsorganisationen und Technischen Prüfstellen) ergeben.

Aus den vorgenannten Gründen hält es die Landesregierung für nicht vertretbar, die eingeleiteten Beschränkungen, die nach eingehender Diskussion mit allen betroffenen Überwachungsorganisationen eingeführt worden sind, zurückzunehmen.