Verwaltungsreform in Niedersachsen

Die Verwaltungsreform in Niedersachsen ist eines der zentralen Politikfelder, um die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern. Die Bürger in Niedersachsen wollen keinen gängelnden Staat, sondern mehr Eigenverantwortung, mehr Bürger- und Kundenorientierung sowie ein höheres Maß an Wirtschaftlichkeit und Produktivität auf allen Ebenen der niedersächsischen Landesverwaltung.

Im Rahmen einer schonungslosen Aufgabenkritik gilt es zukünftig, die öffentlichen Aufgaben auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Verwaltung zu verschlanken und zu schnelleren, bürgernahen Verfahren zu kommen. Zur Wahrung der Handlungsfähigkeit des Landes angesichts steigender Personalkosten und Versorgungslasten in der Zukunft ist künftig sehr genau abzuwägen, welche Aufgaben staatlicherseits zu erfüllen sind, welche gewährleistet werden müssen und welche aufgegeben oder privatisiert werden können.

Nur in enger Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern in der niedersächsischen Landesverwaltung können die Ziele der Verwaltungsreform wie „Wirtschaftlichkeit verbessern, Bürgerorientierung erhöhen, Motivation und Leistungsbereitschaft fördern" erreicht werden. Aufgabenab- und -umbau müssen eine effiziente und produktive Verwaltung und Verwaltungsführung in Niedersachsen im Rahmen einer breiten Modernisierungsoffensive zum Ziel haben.

Obwohl die Landesregierung mit diversen Projekten, Arbeitskreisen, Räten und Kommissionen versucht, Fortschritte zu erzielen, ist die Personalausgabenquote des Landes Niedersachsen nach wie vor mit fast 43 % ein zentraler Grund für den immer geringer werdenden finanziellen Handlungsspielraum. Werden die Personalkosten künftig nicht entscheidend gesenkt, muss im Jahr 2020 mit einer Personalausgabenquote von rund 50 % und mit um fast 2,9 Milliarden auf dann rund 5,4 Milliarden DM erhöhten Versorgungslasten gerechnet werden. Nachdem von 1990 bis 1994 der Stellenbestand anhand der einzelnen Haushaltspläne um exakt 9498 Stellen aufgebläht wurde, begann 1995 der Versuch einer Senkung der Personalkosten zunächst einmal durch die Verlagerung der Stellen für die Arbeitnehmer an den Universitätskliniken und den drei sog. Modellhochschulen aus dem Stellenbestand des Landes, was allerdings faktisch keine Einsparung war, sondern lediglich die Statistik besser aussehen ließ. Das jährliche Einsparungsziel von 2000 Stellen wurde bei weitem nicht erreicht. Trotz Nutzung der Fluktuationsraten sind von 1990 bis 1996 die Personalausgaben des Landes Niedersachsen um fast 3,4

Milliarden DM gestiegen und lagen 1996 beim Haushaltsansatz von fast 17 Milliarden.

Insofern ist die Stellenentwicklung bei allen Bemühungen kaum positiv zu beurteilen.

Laut Regierungserklärung sollen nun weitere 5000 Stellen abgebaut sowie rund 50 % der Vorschriften gestrichen werden. Darüber hinaus werden von Vertretern der Kommunen erneut die Forderungen nach einer Reduzierung der Zahl von Landesministerien, der Auflösung von Landesämtern oder aber auch der Abschaffung von Spiegelreferaten sowie der Verschlankung der Bezirksregierungen auf reine Koordinierungs- und Bündelungsbehörden erhoben. In den Jahren 1990 bis 1998 ist weder eine Reduzierung der vom Land vorgegebenen Planungen noch ein konsequenter Abbau von Gesetzen und Standards erfolgt, obwohl die entsprechenden Vorschläge seitens der Opposition, aber auch der von der Landesregierung eigens eingesetzten Arbeitsgruppen Aufgabenkritik und Personalkostenreduzierung dazu vorlagen. Trauriger Höhepunkt der auf halbem Wege steckengebliebenen Verwaltungsreform in Niedersachsen war ohne Zweifel der Rücktritt des Sachverständigenrats Verwaltungsreform. Die Verwaltungsreform in Niedersachsen muss wieder Tritt fassen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Allgemeine Ziele der Reform der Landesverwaltung in Niedersachsen:

In welchen Bereichen, in denen Steuerungselemente eingeführt worden sind, hat es Leistungsvergleiche gegeben? Mit welchen Behörden des Landes und anderer Bundesländer wurde jeweils verglichen? Welche Ergebnisse und Konsequenzen hatten diese Vergleiche?

Warum wurden seit 1994 bis heute keine Versuche unternommen, neue betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente auch im Rahmen der Ministerialverwaltung einzuführen?

Was versteht sie unter dem „administrativen Teil" der Verwaltungsreform und was unter dem „politischen"?

Wie gedenkt sie künftig den „Bürger zu aktivieren"?

Was versteht sie im Zusammenhang mit der niedersächsischen Verwaltungsreform unter einem „Regionaldiskurs" und „Bürgerdiskurs"?

Eines der größten Probleme der niedersächsischen Verwaltungsreform liegt darin, daß der Abbau der Aufgaben kaum vorankommt. Die von der Landesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe Aufgabenkritik hat in der Kurzfassung der wesentlichen Ergebnisse ihres Berichts vom 21. 1. 1997 dem Kabinett vorgeschlagen, entsprechend der vom Wirtschaftsberatungsunternehmen McKinsey entwickelten „Gemeinkosten-Werteanalyse" die Ressorts zu verpflichten, Einsparvorschläge zu benennen, die jeweils 25 % der Ausgaben repräsentieren. Eine Entscheidung über die Umsetzung der gemachten Vorschläge soll danach politisch im Kabinett getroffen werden (im Volumen etwa die Hälfte der vorliegenden Vorschläge). Was ist aus dem Vorschlag geworden, Aufgabenabbau auch nach quotalen Vorgaben und anschließender politischer Entscheidungen zu erreichen? Was spricht nach Ansicht der Landesregierung für und gegen eine solche Methode?

Im August 1995 veröffentlichten zwei Mitglieder der SPD-Fraktion, der heutige Vorsitzende der SPD-Fraktion Gabriel und der heutige Wissenschaftsminister Oppermann, ein Papier mit dem Titel „Von der administrativen zur politischen Verwaltungsreform oder: Von der Notwendigkeit, ins eigene Fleisch zu schneiden". In dem Papier sprachen sich die Verfasser dafür aus, die Zahl der Ministerien auf sieben zu reduzieren. Warum ist die Landesregierung dieser richtigen Erkenntnis nicht gefolgt, bei sich selbst mit zumindest einem guten Beispiel zu zeigen, dass es ihr mit den Einsparungen, die von der gesamten Landesverwaltung gefordert werden, ernst ist?

Beabsichtigt sie, das Kabinett zu verkleinern, und wenn ja, wann und in welcher Form?

Inwieweit wird sie Landesämter auflösen und ihre erforderlichen Aufgaben in der übrigen Verwaltung ansiedeln? Hat die Landesregierung Verhandlungen mit anderen Bundesländern mit dem Ziel der Zusammenlegung von Landesämtern aufgenommen? Wenn ja, mit welchen Ländern, und welche Landesämter betrifft dies?

1.10 Welche Organisationsreformen plant die Landesregierung in welchem Zeitraum für die Bereiche Hochbau, Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung sowie Straßenbau?

Welches Einsparpotential (personell/finanziell) beabsichtigt sie, hierbei zu realisieren? Hält sie eine materielle oder formelle Privatisierung der genannten Bereiche für sinnvoll? Welche Gründe sprechen nach ihrer Ansicht dafür und dagegen?

1.11 Um die Vergütung des öffentlichen Dienstes leistungsbezogener gestalten zu können, sind nach dem Dienstrechtsreformgesetz Leistungsprämien, Leistungszulagen und Leistungsstufen möglich. In welchem Umfang und in welchen konkreten Bereichen sind in Niedersachsen derartige Elemente bereits eingeführt, und welche ersten Erfahrungen sind hiermit bisher gemacht worden? Sollen diese Elemente künftig im größeren Umfang eingeführt werden, und warum war dies bisher nicht der Fall?

2. Stellenabbau und Personalkostenreduzierung:

Wie hoch ist derzeit der Stellenbesetzungsgrad aufgegliedert nach Ressorts?

Wie viele und welche Behörden konkret mit wie vielen Mitarbeitern existieren derzeit in Niedersachsen?

Welche Stellen sind ­ bezogen auf die einzelnen Behörden und Ämter ­ im Zuge der Verwaltungsreform seit dem 1. 1. 1994 weggefallen, welche stehen auf dem Prüfstand und welche sollen künftig wegfallen?

Wie viele Stellen sind im Rahmen des sog. Verwaltungsreform-Arbeitsmarktes vermittelt worden?

Wie hoch sind derzeit die Versorgungslasten des Landes Niedersachsen?

Wie hoch werden die Versorgungslasten des Landes Niedersachsen am Ende dieser Legislaturperiode voraussichtlich sein?

Wie viele Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind seit dem 1.1.1994 durch Ausgliederungsmaßnahmen und die Bildung von Landesbetrieben mittlerweile Beschäftigte dieser neuen Organisationseinheiten? Wie teilt sich diese Zahl auf Beamte, Angestellte und Arbeiter auf?

Nach einem verbreiteten Argument heißt es, dass Stellenabbau im öffentlichen Dienst gerade auf Länderebene nur sehr eingeschränkt möglich sei, weil ein Großteil der Bediensteten in den Bereichen Schule, Polizei und Krankenhäuser tätig sei, in denen umfangreiche Einsparungen nicht möglich und politisch weitgehend übereinstimmend auch nicht gewollt seien. Diese Aussage wird jedoch selten differenziert. So sind beispielsweise nicht alle Bediensteten, die unter die Kategorie „Schule" fallen, als unterrichtende Lehrer, sondern zum Teil auch in der Schulverwaltung tätig. Darüber hinaus üben selbst die unterrichtenden Lehrer zeitweise Tätigkeiten aus, die verwaltenden Charakter haben und insofern auch von Bediensteten erledigt werden könnten, die keine pädagogische Ausbildung haben (Beispiel: Umsetzung der Lernmittelhilfe, Katalogisierungen etc.). Dies gilt sinngemäß auch für die Bereiche Polizei und Krankenhäuser. Welchen Anteil (prozentual und in absoluten Zahlen) machen für die jeweiligen Bereiche Mitarbeiter aus, die (hauptsächlich) in der Verwaltung tätig sind? Welchen Anteil machen Verwaltungstätigkeiten (beispielsweise Umsetzung der Lernmittelhilfe, Führung von Akten, Erstellen von Berichten) bei den einzelnen Gruppen neben ihren eigentlichen Tätigkeiten (Unterricht vor der Klasse, Krankenpflege, polizeilicher Vollzug etc.) aus (ggf. geschätzt)?

Wie viele Stellen haben im Bereich der Polizei einen kw-Vermerk? Welche sind dies, und wo sind sie örtlich angesiedelt?

3. Abbau von Gesetzen, Vorschriften und Standards:

In dem bereits oben bezeichneten Gabriel/Oppermann-Papier aus 1995 heißt es: „Wir kontrollieren kommunale Gebietskörperschaften durch Landesbehörden auf die Einhaltung landesweiter Standards, streichen den kommunalen Finanzausgleich aber derart zusammen, dass die Kommunen nicht einmal mehr Einrichtungen mit niedrigen Standards finanzieren könnten." Teilt sie diese Auffassung? Welche konkreten Maßnahmen wird sie unternehmen, um kommunale Standards zu reduzieren?

Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich für die Abschaffung von Standards und deren Ersetzung durch Gewährleistungsaufträge aus. Wird die Landesregierung diesen Forderungen folgen, und wenn ja, welche konkreten Maßnahmen will sie wann treffen?

Wann kann mit der Aussetzung welcher Standards für Kindertagesstätten gerechnet werden?

Wird die Landesregierung über eine Bundesratsinitiative eine Änderung des Kindertagesstättengesetzes beantragen, wenn ja, mit welchem Inhalt?

Wird sie künftig sog. Öffnungsklauseln in Standardvorgaben des Landes einführen?

Wenn ja, wo konkret?

Um wieviel Prozent sind in dem Zeitraum 1990 bis 1994 und 1994 bis 1998 die Gesetzesvorlagen des Landes Niedersachsen gestiegen?

Wird die Landesregierung das „Gesetz zur Bewirtschaftung des Gemeindewaldes" künftig streichen?

Welche Maßnahmen wird sie treffen, um die Fachaufsicht zu reduzieren?