Wohnpark Empelde, Landkreis Hannover, Stadt Ronnenberg, Ortsteil Empelde

Im Rahmen des Rüstungsaltlastenprogramms des Landes Niedersachsen, Anfang der 90er Jahre, wurde im Ronnenberger Stadtteil Empelde das Baugebiet „Wohnpark am See" wegen der Vornutzung als Rüstungsproduktionsstandort der Dynamit Nobel AG auf Schadstoffe/Verunreinigungen untersucht. Rückblickend wurden während der Erschließungsarbeiten schon erhebliche Mengen an Munition und Munitionsbestandteilen (Phosphorspitzen, 2-cm-Granaten etc.) gefunden und durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) der Entsorgung zugeführt. Im Zuge einer weieren Teiluntersuchung 1996/97 wurden im Bereich des Uferwegs auf den gärtnerisch genutzten Flächen erhebliche Mengen an Phosphormunition sichergestellt und ebenfalls durch den KBD entsorgt.

Dieser Umstand veranlaßte den Landkreis Hannover (LKH) als untere Altlastenbehörde, eine Pilotsanierung an einer Reihenhauszeile (nur unbefestigte Gartenfläche) vorzunehnmen. Als Fazit dieser Sanierung (bis 1 m Tiefe) wurde festgestellt, dass in 500 m

Bodenaushub ca. 160 kg Phosphorspitzen und 2-cm-Munition in verschiedenen Gemengelagen sowohl horizontal als auch vertikal verteilt waren. Darüber hinaus war der Boden teilweise mit Schadstoffen verunreinigt. Die Munitionsbestandteile konnten nur durch aufwendige Siebung (Sternsieb) vom Boden getrennt werden. Der unsachgemäße Umgang bei Grabetätigkeiten kann zu Gesundheitsbeeinträchtigungen der dort lebenden Bevölkerung führen. Daher sah sich der Landkreis Hannover als Gefahrenabwehrbehörde in der Pflicht, die Gefahrenerforschung bezüglich der Kampfmittel auf alle Wohngrundstücke und die öffentlichen Flächen auszuweiten. Erste Ergebnisse wurden dem Runden Tisch durch den Landkreis Hannover vorgetragen. Danach ist eine großflächige Sanierung erforderlich, auch hervorgerufen durch die Funde von Zündpillen. Wie der Presse zu entnehmen war, haben Gespräche zwischen LKH, Stadt Ronnenberg, dem Umweltministerium und dem Finanzministerium hinsichtlich einer gemeinsamen Finanzierung stattgefunden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass das Land Niedersachsen einer vom LKH vorgeschlagenen Drittellösung als abschließende und endgültige Lösung (LKH, Stadt Ronnenberg, Land Niedersachsen) zur Finanzierung (Kostenrahmen ca. 15 Mio. DM) abgelehnt hat?

2. Wenn ja, was hat das Land veranlaßt, eine Kostenbeteiligung abzulehnen?

3. Warum lehnt das Land bei ungeprüfter Rechtslage eine Kostenbeteiligung der Sanierung der Grundstücke ab, die angeblich im Wissen um die Belastung durch die jeweiligen Eigentümer erworben wurden?

4. Hat hierzu durch das Land eine entsprechende rechtliche Prüfung der Einzelfälle stattgefunden?

5. Ist das Land bereit, für die gutgläubigen Erwerber die Kosten zu tragen?

6. Ist es aus Sicht des Landes vertretbar, eine Kostenbeteiligung davon abhängig zu machen, dass der LKH langwierige Prozesse mit ungewissem Ausgang gegen eventuelle Handlungsstörer bei der komplexen Vornutzung des Geländes führt?

7. Sieht sich das Land auf der Grundlage des § 42 Niedersächsisches Abfallgesetz in der Pflicht (Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises), eine Vollfinanzierung zu übernehmen, oder die Sanierungsverantwortung durch die Bezirksregierung Hannover in seine Zuständigkeit zu übernehmen, wie es bei der Sonderabfalldeponie Münchehagen geschehen ist?

Zu 1, 2 und 5:

In verschiedenen Gesprächen zwischen dem Niedersächsischen Umweltministerium, der Stadt Ronnenberg und dem Landkreis Hannover, teilweise auch unter Beteiligung des Niedersächsischen Finanzministeriums, ist die Frage der Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen erörtert worden. Das Niedersächsische Umweltministerium hat dabei deutlich gemacht, dass die Sanierungskosten vorrangig von denjenigen zu tragen sind, die die Gefahrenlage verursacht haben. In diesem konkreten Fall die Firma Marl AG als Rechtsnachfolgerin der Dynamit Nobel AG.

Darüber hinaus hat das Niedersächsische Umweltministerium vorgeschlagen, die Frage der Schadensersatzpflicht mit dem Kommunalen Schadensausgleich, dem Versicherer, zu erörtern. Denn die Grundstückseigentümer haben ihrerseits ­ soweit sie beim Erwerb ihres Grundstückes gutgläubig waren ­ einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Artikel 34 GG gegen die Stadt Ronnenberg. Dieser stützt sich darauf, dass das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 13. Februar 1995 den Bebauungsplan des Baugebietes „Wohnpark Empelde" für nichtig erklärt hat, weil Planungsfehler der Stadt Ronnenberg vorlagen, da den Anhaltspunkten für eine Bodenverunreinigung nicht näher nachgegangen wurde. Bei erfolgreicher Realisierung des Amtshaftungsanspruches tritt der Kommunale Schadensausgleich für die von der Stadt verursachten Schäden ein. Sollte der Kommunale Schadensausgleich seine Ersatzpflicht nicht anerkennen, haben das Nds. Finanzministerium und das Nds. Umweltministerium vorgeschlagen, dass sich der Landkreis Hannover die Amtshaftungsansprüche der Grundstückseigentümer abtreten läßt, um in ein oder zwei Musterprozessen die strittigen Fragen gerichtlich zu klären.

Damit die Sanierung nicht bis zum Abschluß der rechtlichen Auseinandersetzungen zurückgestellt werden muß, hat die Landesregierung angeboten, sich an der Vorfinanzierung der notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen zu einem Drittel zu beteiligen. Die Zusage gilt nach wie vor und steht unter dem Vorbehalt, dass der für die Sanierung zuständige Landkreis Hannover die bestehenden Ersatzmöglichkeiten gegenüber der Firma Marl AG, der Stadt Ronnenberg und dem Kommunalen Schadensausgleich vor Beginn der Sanierung aufgreift. Über eine endgültige Beteiligung des Landes an den Kosten der Maßnahme kann nach der Rechtslage erst nach abschließender Entscheidung über die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten entschieden werden.

Zu 3: Ein Amtshaftungsanspruch der Grundstückseigentümer gegen die Stadt Ronnenberg kommt nur in Betracht, wenn der jeweilige Grundstückseigentümer beim Erwerb des Grundstückes keine Kenntnis von der Belastungssituation des Grundstückes hatte. Diejenigen Grundstückseigentümer, die beim Erwerb Kenntnis von der Belastungssituation hatten, sind daher selbst als Zustandsstörer zur Sanierung heranzuziehen. Dies ist auch sachgerecht, da diese das Risiko kannten und dies unter Umständen auch bei der Kaufpreisbemessung Berücksichtigung gefunden hat (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, S. 475).

Zu 4: Der Hinweis, dass einzelne Grundstückseigentümer beim Kauf Kenntnis von der Belastungssituation ihres Grundstückes hatten, ergibt sich aus einer Auskunft der Stadt Ronnenberg. Danach hat die Stadt Ronnenberg seit Anfang des Jahres 1991 alle Bauantragsteller und Grundstückskäufer schriftlich über die Altlastenproblematik in Kenntnis gesetzt. Die Frage, wer im einzelnen diesem Personenkreis zuzurechnen ist, ist von dem für die Sanierung zuständigen Landkreis Hannover zu klären.

Zu 6: Ja. Nach der Rechtslage kommt eine Kostenübernahme durch das Land erst in Betracht, wenn ein Ersatzanspruch gegen Dritte nicht besteht oder nicht durchgesetzt werden kann.

Im übrigen sind für den Standort „Wohnpark Empelde" mehrere größere Spezialgutachten einschließlich eines Rechtsgutachtens zu der Frage der Heranziehung der Marl AG als Handlungsstörerin erstellt worden, an denen sich die Landesregierung mit rund 2 Mio. DM beteiligt hat. Dadurch wurden die Voraussetzungen für die Heranziehung der Verursacherin geschaffen.

Zu 7: Nach § 42 Abs. 3 des Niedersächsischen Abfallgesetzes trägt das Land im Falle einer Ersatzvornahme die Kosten für die von einer unteren Abfallbehörde angeordneten Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die zur Beseitigung einer Gefahr für Leib und Gesundheit von Menschen erforderlich sind, soweit die untere Abfallbehörde den nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz fälligen Kostenersatz nicht von der verantwortlichen Person erlangen kann und ein Ersatzanspruch auf anderer rechtlicher Grundlage nicht besteht oder nicht durchgesetzt werden kann. Hiervon kann bei der derzeitigen Sachlage nicht ausgegangen werden.

Für eine Übertragung der Zuständigkeit für die Altlast „Wohnpark Empelde" auf die Bezirksregierung Hannover sieht die Landesregierung derzeit keine Notwendigkeit, da sich die Entscheidungen und Maßnahmen in Bezug auf diese Altlast nicht von denen an anderen Altlastenstandorten, für die ebenfalls die unteren Abfallbehörden zuständig sind, unterscheiden.