Erkenntnissen ein Erklärungsmodell für den Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit bei Kindern

Einschränkung der Teilnahme an Schulangeboten für das soziale Leben eines Kindes im Klassenverband einschneidende Wirkung haben.

Auch Elkeles und Mielck203 haben aus den gewonnenen Erkenntnissen ein Erklärungsmodell für den Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit bei Kindern abgeleitet.

Elkeles und Mielck, 1997

Das Modell soll vor allem auf die folgenden Probleme hinweisen:

­ Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes von Kindern aus der unteren sozialen Schicht ist nur möglich, wenn auch gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen bei den Eltern verringert werden.

­ Die Lebensbedingungen haben einen starken Einfluß auf das Gesundheitsverhalten und bestimmen die Inanspruchnahme der gesundheitlichen Versorgung.

­ Ein schlechter Gesundheitszustand kann zu einem Abgleiten in die Armut oder zu einer Verfestigung der Armut führen, es kann sich daraus ein Teufelskreis aus Armut und Krankheit bilden.

Beispiel: Schuleingangsuntersuchungen in Braunschweig

Die Untersuchung in Braunschweig zog Angaben zu Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen der Kinder zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen heran. Die untersuchten Gruppen wurden den jeweiligen Schulen zugeordnet, für die bzw. für deren Einzugsbereiche vorher ein „Sozialprofil" erstellt wurde. Abschließend erfuhren die dokumentierten Beobachtungen eine Gewichtung nach dem jeweiligen Mix an sozialen Schichten.

Elkeles, Mielck, „Entwicklung eines Modells zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit", Gesundheitswesen 1997 0

- Deutlich häufiger wurde von Eltern der unteren Mittel- und Unterschicht (Stadtteile mit hohem Anteil an Migrantinnen und Migranten) das Impf- und Vorsorgeheft nicht bei der Schuleingangsuntersuchung vorgelegt. 204

- Das Fehlen der Impfung gegen Mumps, also eine unvollständige Impfreihe, wurde bei 21% der Kinder in Schulen mit Vorherrschen der Unterschicht beobachtet (mit hohem Anteil an Migrantinnen und Migranten), dagegen nur bei 14% der Kinder aus Schulen mit Vorherrschen der Mittelschicht.

- Eine unvollständige Reihe an Vorsorgeuntersuchungen (Nicht-Teilnahme an der U6) war bei 30% der Kinder in Schulen mit Vorherrschen der Unterschicht zu verzeichnen (hoher Anteil an Migrantinnen und Migranten); der Durchschnitt betrug etwa 20-25%.

- Die Nicht-Teilnahme an der U9 kam bei 50% der Kinder von Schulen mit Vorherrschen der Unterschicht vor (hoher Anteil an Migrantinnen und Migranten) gegenüber 33% (also 67% Inanspruchnahme) im Durchschnitt.

Die Angaben zum letzten Spiegelstrich lassen darauf schließen, dass von einer Abschaffung der Schuleingangsuntersuchung mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Nutzung der U9 primär wiederum die unteren sozialen Gruppierungen betroffen wären, die bereits jetzt - offenbar unbeeindruckt davon, dass diese Untersuchung in das gesetzliche, also von Kassen getragene Früherkennungsprogramm gehört - die niedrigsten Raten der Inanspruchnahme dieser Leistung aufweisen.

Beispiel: Jugendzahnpflege in der Landeshauptstadt Hannover

Ein Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit lässt sich exemplarisch speziell auch an der Jugendzahnpflege nachweisen. „Durch die Jugendzahnpflege der Landeshauptstadt Hannover wurden vor vielen Jahren neue Wege in der jugendzahnärztlichen Versorgung eingeführt. Wesentliche Bedeutung haben neben den regelmäßigen jugendzahnärztlichen Untersuchungen in den Kindergärten und Schulen die kariesprophylaktischen Maßnahmen.

Im Schuljahr 1992 wurden bei Erstuntersuchungen bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres durch den jugendzahnärztlichen Dienst 9.018 Kinder in Kindergärten und Vorschulen sowie 14.022 Kinder in Grundschulen untersucht. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß die Zahngesundheit in den Grundschulen stärker beeinträchtigt ist als in den Kindertagesstätten und Vorschulen. Mit steigendem Alter nehmen Zahnerkrankungen zu.

Durch Prophylaxe kann der Standard der Zahngesundheit verbessert werden. Die räumliche Verteilung der Untersuchungsbefunde zeigt ein Bild, das enge Zusammenhänge mit der Verteilung von Einkommensarmut in der Stadt aufweist. In der Zusammenschau belegen die Verteilungsbilder nachdrücklich, dass Einkommensarmut von Familien - bildlich gesprochen - nicht nur Spuren in leeren Geldbörsen hinterläßt, sondern Auswirkungen bis zur gesundheitlichen Befindlichkeit und bis zum Chancenmangel im Erwachsenenleben der Kinder zeigt. Dieser Teufelskreislauf lässt sich nicht nur auf der Ebene der Hilfe in Geldform durchbrechen."

Die beiden folgenden Grafiken belegen die oben getroffenen Aussagen.

Dies erlaubt in Grenzen einen Rückschluß auf die Wertigkeit der Schuluntersuchung für die jeweilige Familie und das Maß an Gesundheitsbewußtsein.

Gesundheitsamt der Stadt Hannover (Zusammenstellung von Herrn Dr. Stock), „Jugendzahnpflege", 1994 0 aus: Schubert, „Stadt-Umland-Beziehungen und Segregationsprozesse" in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 4/5, 1996, S.