War die Aufhebung der Wiederbesetzungssperre bei der Polizei eine Farce?

Mit der Ankündigung der Polizeireform in Niedersachsen und der danach folgenden Umsetzung 1994 verkündete Innenminister Glogowski die Entlastung des Exekutivdienstes durch vermehrtes Einsetzen von Angestellten im täglichen Polizeigeschäft.

Tatsächlich erfolgte jedoch eine umfassende sogenannte Wiederbesetzungssperre bei der Polizei, insbesondere im Angestelltenbereich; d. h. jede freiwerdende Angestelltenstelle wurde der Haushaltssanierung untergeordnet.

Kurz vor der Landtagswahl am 1. März 1998 verkündete der Innenminister die Aufhebung der Wiederbesetzungssperre und versprach zum wiederholten Male 100 zusätzliche Angestelltenstellen für die Polizei.

Jetzt verkündet der Innenminister die Wiederbesetzung mit einer neuen Sperre, der Festlegung eines sogenannten Beschäftigungsvolumens, d. h. jede freiwerdende Stelle darf danach nur im Rahmen dieses Beschäftigungsvolumens wiederbesetzt werden. Mit diesem Vorgehen verschafft sich der Innenminister wiederum einen längeren Zeitaufschub und lässt die Aufhebung der Wiederbesetzungssperre vor dem 1. März 1998 zur Farce werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat der Innenminister sein Ziel, den Exekutivdienst der Polizei durch Aufgabenverlagerung in den Angestelltenbereich zu entlasten, aufgegeben?

2. Wenn nein, in welchem Zusammenhang steht die über längere Zeit angeordnete sogenannte Wiederbesetzungssperre zu der jetzigen Forderung eines Beschäftigungsvolumens, und welche Bedeutung hat die Zusage, noch weitere 100 Angestelltenstellen zu schaffen?

3. Trifft in diesem Zusammenhang zu, dass am Beispiel des Regierungsbezirks WeserEms nach der Forderung eines Beschäftigungsvolumens keine einzige freiwerdende Angestelltenstelle wiederbesetzt werden kann und stattdessen noch zusätzlich 32

Stellen abgebaut werden sollen, was allein auf die Polizeiinspektion Aurich bezogen einen Abbau von neun Stellen (20 % der Angestelltenstellen) bedeutet?

Im Zuge der Umsetzung der Polizeireform und der damit angestrebten Entlastung der Polizeivollzugsbeamten von vollzugsfremden Tätigkeiten hat die Niedersächsische Landesregierung in den Haushaltsjahren 1994, 1995 und 1996 insgesamt 228 zusätzliche Stellen für Tarifpersonal in die Haushaltspläne eingebracht, die vom Landtag dann auch so beschlossen wurden.

Zur Konsolidierung des Landeshaushaltes hat der Haushaltsgesetzgeber bestimmt, dass in den Haushaltsjahren 1995 und 1996 an je 1 % der Stellen des Polizeivollzugsdienstes (also jeweils 180 kw-Vermerke) ausgebracht wurden, die zum 31. Dezember 1997 und 31. Dezember 1998 vollzogen werden sollten. Für die Haushaltsjahre 1997 und 1998 wurde festgelegt, dass an je 1 % der Stellen des Polizeivollzugsdienstes der Besoldungsgruppe A 7 kw-Vermerke ausgebracht werden, die zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000 vollzogen werden sollten. Von diesen kw-Vermerken sollten jeweils 78 als Gegenfinanzierung zur Fortführung der „Zweigeteilten Laufbahn" dienen.

Da der Planstellenabbau erst mit zeitlicher Verzögerung realisiert werden konnte, wurde der Landespolizei jeweils durch § 9 Haushaltsgesetz aufgegeben, in den Haushaltsjahren an Personalkosten einzusparen. Um diese erheblichen Einsparungen erreichen zu können, wurde u. a. durch jährlich wiederkehrende Erlasse eine grundsätzliche mehrmonatige Wiederbesetzungssperre für freie bzw. freiwerdende Planstellen und Stellen verfügt.

Sofern die Polizeibehörden und die polizeilichen Einrichtungen sicherstellen konnten, dass die ihnen aufgegebenen Personalkosteneinsparungen anderweitig im Personalbereich erwirtschaftet werden, waren Abweichungen von der Wiederbesetzungssperre zulässig. Des Weiteren war eine Wiederbesetzung ohne Beachtung der Sperre bei den Stellen zulässig, die im Zuge der Freisetzungsprogramme 1995 und 1996 frei wurden und mit bereits in der Polizei beschäftigtem Tarifpersonal besetzt werden sollten.

Zusätzlich hat die Landesregierung zur Haushaltskonsolidierung ab Februar 1996 für die gesamte Landesverwaltung einen Einstellungsstopp beschlossen, der auch eine Besetzung freiwerdender oder neuer Stellen (z. B. aus den Sonderprogrammen 1995 und 1996) für Tarifpersonal betraf.

Zum 1. Januar 1998 wurde u. a. für den Bereich der Landespolizei die von einer interministeriellen Projektgruppe entwickelte Personalkostenbudgetierung eingeführt. Die Personalkostenbudgetierung ist ein System zur detaillierten Veranschlagung und Bewirtschaftung sowie zur besseren Steuerung der Personalausgaben. Teil dieses Systems ist die Einführung des sog. Beschäftigungsvolumens. Das Beschäftigungsvolumen ist die in Vollzeitbeschäftigungen umgerechnete jahresdurchschnittliche Beschäftigtenzahl und wird in sog. Vollzeiteinheiten ausgedrückt. Es ist die verbindliche Zielvorgabe für die Personalmenge, die im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden darf, und bildet die Grundlage für die Ermittlung des monetären Personalkostenbudgets. Die in den Stellenplänen, Stellenübersichten und Bedarfsnachweisen ausgebrachten Stellen bilden lediglich die Vorgabe für die Besoldungs-/Vergütungsstruktur. Im Ergebnis ist für eine Neueinstellung nicht mehr nur eine freie Stelle erforderlich. Es muss grundsätzlich zumindest im Jahresdurchschnitt hierfür auch freies Beschäftigungsvolumen vorliegen. Nur so sind die Personalausgaben effektiv planbar und gleichzeitig kann auf traditionelle personalwirtschaftliche Instrumente (z. B. landesweiter Einstellungsstopp) verzichtet werden. Es ist demnach zwar richtig, dass durch die Festlegung des Beschäftigungsvolumens nicht mehr jede etatisierte Stelle genutzt werden kann; eine vollständige Stellenausnutzung hat es im Tarifbereich der Polizei in den letzten Jahren aber ohnehin nie gegeben.

Die Basis für die Berechnung des Beschäftigungsvolumens für die Landespolizei wurde aufgrund der jahresdurchschnittlich für 1996 vorhandenen Beschäftigungsverhä1tnisse ermittelt. Diese Basis wurde in Haushaltsverhandlungen mit dem Niedersächsischen Finanzministerium durch Hinzurechnung/Abzug von Veränderungen im Stellenbereich, die durch den Haushaltsplan 1997/1998 normiert wurden, sowie durch Hinzurechnung/Abrechnung von sog. atypischen Vakanzen bereinigt. Das so ausgehandelte Beschäftigungsvolumen wurde durch Runderlass des MF vom 25. November 1997 (Nds. MBl. 1997, S. 1922) für den Bereich der Landespolizei verbindlich festgesetzt. Hierauf wurde für die an der Personalkostenbudgetierung teilnehmenden Bereiche der generelle Einstellungsstopp ab 1. Januar 1998 aufgehoben, so dass im Rahmen des Beschäftigungsvolumens grundsätzlich Einstellungen vorgenommen werden konnten.

Im Tarifbereich wurden im Haushaltsjahr 1997 ca. 3190 sog. Vollzeiteinheiten von den Polizeibehörden und den polizeilichen Einrichtungen genutzt. Im Haushaltsjahr 1998, d. h. nach Einführung der Personalkostenbudgetierung konnten landesweit bereits 3260

Vollzeiteinheiten grundsätzlich genutzt werden, so dass zumindest 70 Neueinstellungen möglich waren. Da nach Ausscheiden eines Stelleninhabers automatisch auch die bisher belegte Vollzeiteinheit frei wird, kann grundsätzlich immer auch eine sofortige Wiederbesetzung der Stelle durchgeführt werden.

Mit der Einführung der Personalkostenbudgetierung ist die Erwirtschaftung der monetären Einsparauflage für 1998 in Höhe von 28,4 Mio. DM für das Kapitel 03 20 nicht aufgehoben worden. Somit müssen die personalbewirtschaftenden Dienststellen weiterhin durch personalwirtschaftliche Maßnahmen (u. a. Wiederbesetzungssperre) ihren Beitrag zur Personalkosteneinsparung im Bereich der Landespolizei erbringen. Das hat dazu geführt, dass Neueinstellungen und Wiederbesetzungen in Teilbereichen zwar nur verzögert durchgeführt werden konnten, der notwendige Ersatz des ausgeschiedenen Tarifpersonals hat jedoch stattgefunden. Im Tarifbereich ist seit Februar 1998 sogar eine Steigerung von 1 % der genutzten Vollzeiteinheiten eingetreten. Dies zeigt, dass nicht nur die Personalabgänge ersetzt wurden. Es hat sogar eine Erweiterung des Personalbestandes im Tarifbereich gegeben, die vor allem auch zur Entlastung von Polizeivollzugsbeamten von vollzugsfremden Tätigkeiten diente. Dieser Trend wird sich im Haushaltsjahr 1999 voraussichtlich fortsetzen. Durch den Wegfall von 384 kw-Vermerken im Stellenplan der Schutz- und Kriminalpolizei wird eine erhebliche Verminderung der monetären Einsparauflage eintreten, was im Ergebnis auch zu verringerten personalwirtschaftlichen Maßnahmen der Polizeibehörden und polizeilichen Einrichtungen führt. Damit werden die Möglichkeiten für notwendige Neueinstellungen im Tarifbereich weiter ansteigen.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Nein.

Zu 2: Eine Zusage, noch weitere 100 Angestelltenstellen zu schaffen oder die Wiederbesetzungssperre für den Bereich der Landespolizei gänzlich aufzuheben, hat das Innenministerium nicht gemacht. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen.

Zu 3: Im Regierungsbezirk Weser-Ems waren im Dezember 1997 ca. 620 Vollzeiteinheiten im Tarifbereich besetzt. Durch das von der Bezirksregierung Weser-Ems eigenverantwortlich verteilte Beschäftigungsvolumen in Höhe von 630 Vollzeiteinheiten konnten im

Tarifbereich nicht nur die freiwerdenden Stellen wiederbesetzt werden, sondern es wurden sogar Neueinstellungen möglich. Da die der Bezirksregierung auferlegte Personalkosteneinsparung in Höhe von 4,4 Mio. DM bereits zum 30. Juni 1998 in Höhe von 4 Mio. DM erwirtschaftet war, wurden entsprechende Einstellungen auch bereits vorgenommen bzw. sind in Vorbereitung. Bei der Polizeiinspektion Aurich können im Haushaltsjahr 1998 insgesamt 2,5 Stellen im Tarifbereich neu besetzt werden. Dies zeigt, dass sowohl im Regierungsbezirk Weser-Ems als auch bei der Polizeiinspektion Aurich Wiederbesetzungen bzw. Neueinstellungen im Tarifbereich möglich waren und sind.

Ein Stellenabbau hat weder bei der Bezirksregierung Weser-Ems noch bei der Polizeiinspektion Aurich stattgefunden.