Notwendige Wochenendarbeit zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit

Mit Schreiben vom 7. November 1997 hat das Nds. Sozialministerium einem mittelständischen Zweigbetrieb eines international tätigen Anbieters der Verpackungswirtschaft in Cuxhaven „eine befristete Ausnahme vom Beschäftigungsverbot des § 9 Arbeitszeitgesetz unter der Bedingung erteilt, dass die vorhandenen Arbeitsplätze in den Bereichen, in denen Sonn- und Feiertagsarbeit geleistet wird, für die Dauer dieser Ausnahme gesichert sind."

Diese Genehmigung wurde allerdings unter Hinweis auf § 11 Arbeitszeitgesetz mit der Einschränkung erteilt, dass den betroffenen Mitarbeitern jährlich 15 beschäftigungsfreie Sonntage zugestanden werden. Mit dieser Einschränkung ist dieses als Schichtmodell konzipierte Arbeitszeitmodell nach Auffassung des betroffenen Betriebes jedoch nicht wirtschaftlich.

Anlaß für den Antrag des Betriebes war, neben der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unter den Bedingungen einer Globalisierung der Märkte, der Erhalt von insgesamt 14

Arbeitsplätzen, die ohne die Realisierung des vorgeschlagenen Schichtmodells mittelfristig nicht zu erhalten wären.

Das Schichtmodell, über das im übrigen eine Betriebsvereinbarung vorliegt und das vom zuständigen Betriebsrat offensiv unterstützt wird, sieht vor, dass die betreffenden Mitarbeiter ausschließlich am Wochenende arbeiten. Die Mitarbeiter haben sich über eine interne Ausschreibung beworben. Es hatten sich seinerzeit etwa doppelt so viele Mitarbeiter freiwillig für die Wochenendschicht gemeldet wie tatsächlich benötigt wurden.

Die Mitarbeiter arbeiten in Wechselschicht, samstags und sonntags von 6 Uhr bis 18 Uhr bzw. von 18 Uhr bis 6 Uhr. Die Mitarbeiter haben einen Urlaubsanspruch von 6 Wochen.

An den gesetzlichen Feiertagen, die auf ein Wochenende fallen, wird in der Regel nicht gearbeitet. Dies sind zwei bis vier Sonntage pro Jahr. Damit würden fünf bis sieben Sonntage pro Jahr zusätzlich verbleiben, an denen diese Mitarbeiter nach § 11 Arbeitszeitgesetz nicht beschäftigt werden dürfen. Würde man den betreffenden Mitarbeitern diese Sonntage nicht bezahlen, wäre das Modell für sie nicht mehr attraktiv. Würde der Betrieb diese Sonntage ohne Arbeitsleistung bezahlen, wäre neben der Kapazitätseinbuße das Modell für den Betrieb aus Kostengründen nicht mehr wirtschaftlich.

Deshalb hat der Betrieb beim Nds. Sozialministerium beantragt, ihn von der Notwendigkeit zu entbinden, jedem Mitarbeiter 15 arbeitsfreie Sonntage zu gewähren. Dieser Antrag ist vom Nds. Sozialministerium unter Hinweis auf § 11 Arbeitszeitgesetz abschlägig beschieden worden. Im vorliegenden Fall besteht die große Gefahr, dass dies im betroffenen Betrieb in Cuxhaven zum Verlust von immerhin 14 Arbeitsplätzen führt.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

1. Sieht sie, angesichts der vorgetragenen Umstände, eine Möglichkeit, im vorliegenden Fall eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen? Wenn nein, warum nicht?

2. Ist sie bereit, sich über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass die Ausnahmeregelungen für § 11 Arbeitszeitgesetz in bestimmten Fällen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und mit dem Ziel des Erhalts sonst wegfallender Arbeitsplätze ausgeweitet werden? Wenn nein, warum nicht?

3. Beabsichtigt sie, weitere Initiativen zu ergreifen, um zur Sicherung von Arbeitsplätzen unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs eine größere Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen zu erreichen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung grundgesetzlich geschützt (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 139 der Weimarer Verfassung). Darauf hat die Bundesregierung in ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts" vom 13. August 1993 (Bundesrats-Drucksache 507/93) ausdrücklich hingewiesen. Entsprechend enthält das schließlich verabschiedete Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 in § 11 Abs. 1 die Vorschrift: „Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben."

Zu 1: Nein. Gemäß § 13 Abs. 5 ArbZG ist die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn „... bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann." Diese gesetzliche Bestimmung wurde in dem der Anfrage zugrundeliegenden Fall in Anspruch genommen.

§ 13 Abs. 5 ArbZG gestattet allerdings keine Ausnahme von § 11 Abs. 1 ArbZG, der für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens 15 arbeitsfreie Sonntage zwingend vorschreibt. Durch entsprechende Personalmaßnahmen kann sichergestellt werden, dass dennoch an jedem Sonntag im Jahr produziert werden kann.

Zu 2: Nein. Dem arbeitsfreien Sonntag kommt aus familiärer, gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Sicht eine besondere Bedeutung zu, die nicht gleichwertig durch Freizeit an anderen Tagen ersetzt werden kann. Aus diesem Grund ist der Sonntag ­ worauf in der Vorbemerkung hingewiesen wird ­ auch verfassungsrechtlich besonders geschützt. An Ausnahmen sind daher besonders strenge Maßstäbe anzulegen, die im Einzelnen im ArbZG geregelt sind.

Im übrigen zeigen Erfahrungen auch aus anderen Bundesländern, dass in Industrieunternehmen, die Ausnahmen nach § 13 Abs. 5 ArbZG erhalten haben, Schichtmodelle entwickelt wurden, bei denen die 15 freien Sonntage auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu keinen unvertretbaren Belastungen führen.

Zu 3: Nein. Die im ArbZG enthaltenen Flexibilisierungsmöglichkeiten reichen zur Sicherung von Arbeitsplätzen unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs aus.