Fortbildung

Die Strategie der Polizei, ihre Organisation sowie ihre personelle und sächliche Ausstattung werden im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses fortentwikkelt, der sich an den Anforderungen, die sich aus der Sicherheitslage ergeben, in gleicher Weise ausrichten, wie an den Erfahrungswerten, die aus dem polizeilichen Handeln gezielt gewonnen werden. So gewinnt die steigende Kriminalitätsfurcht und das Sicherheitsempfinden der Bürger für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung immer größere Bedeutung. Die Ansätze zur Lösung dieser Aufgabenstellung gehen weit über eine gezielte Stärkung der polizeilichen Präsenz hinaus. Die kommunale Kriminalprävention als Element der Verbesserung informeller Sozialkontrolle ist hier ebenso von Bedeutung wie die Bildung von Sicherheitspartnerschaften, die vor allem das Ziel verfolgen, ein verstärktes und koordiniertes Zusammenwirken der formellen Aufgabenträger öffentlicher Sicherheit zu fördern. Die Landesregierung hat die Grundvoraussetzungen geschaffen und entwickelt die Ansätze gezielt weiter.

Angesichts sich verfestigender Strukturen der Organisierten Kriminalität und zunehmender Bandenkriminalität hat die Landesregierung mit erheblichem finanziellen Aufwand die bundesweit beispielgebende Struktur von Sonderdienststellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität weiter ausgebaut und jüngst zwei Zentrale Ermittlungsgruppen zur Bekämfpung überörtlich agierender osteuropäischer Tätergruppen eingerichtet. Um Tätern wirksamer als bisher Erträge aus Straftaten zu entziehen, hat die Landesregierung ein gemeinsames Modellvorhaben von Staatsanwaltschaft, Polizei, Steuer- und Zollfahndung initiiert. Allein im Bereich der Polizei werden hierbei 55 spezielle Vermögensermittler eingesetzt.

In diesem ständigen Prozeß der Qualitätssteigerung werden auch Erfahrungen berücksichtigt, die sich aus konkreten Anlässen wie z. B. geschlossenen Einsätzen ergeben.

Diese finden selbst dann Berücksichtigung, wenn die Auswertung keine organisatorischen, materiellen oder personellen Defizite ergibt, und zwar insbesondere bei der Beurteilung der Lage, der Kräfteberechnung, der Entschlußfassung sowie der Befehlsgebung.

In diesem Zusammenhang waren verschiedene besondere polizeiliche Einsatzlagen von Bedeutung. Das gilt für die sogenannten Chaos-Tage 1995 ebenso, wie z. B. für demonstrative Aktionen von Kernkraftgegnern oder geplante Aufmärsche der rechten Szene.

Die Landesregierung hat insbesondere an dem herausragenden Ereignis „Chaos-Tage 95" nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass sie so erkannte notwendige Entwicklungen und Veränderungen schnell und effektiv zu gestalten vermag.

Die Änderungen im Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG), die Verbesserung der Schutzausstattung der Polizei für den geschlossenen Einsatz, die Verbesserungen in der Konzeption der Beweissicherung und Dokumentation im Rahmen geschlossener Einsätze oder die Intensivierung der Fortbildung von Beweissicherungskräften können hier als herausragende Beispiele angeführt werden. Diese Maßnahmen waren richtig und erfolgreich, und sie haben negative Wirkungen derartiger Ereignisse in den Folgejahren verhindert.

Änderung des NGefAG

Im 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuß ist festgestellt worden, dass eine Kausalität zwischen der Rechtslage und Ausbrüchen brutaler Gewalt bei den sogenannten „Chaos-Tagen 1995" in Hannover nicht herzustellen ist. Weder Zeugen noch Sachverständige haben einen solchen Zusammenhang dargestellt. Ursächlich war in erster Linie, dass sich während des laufenden Einsatzes das Gewaltpotential auf der Störerseite äußerst brutal entwickelte. Diese völlig neue Gewaltdimension war in keiner Weise voraussehbar und hat dann zu Problemen der polizeilichen Einsatzdurchführung geführt.

Gleichwohl wurden aus den sogenannten „Chaos-Tagen 1995" die notwendigen Konsequenzen aus dem neuartigen Störerverhalten und der veränderten Sicherheitslage gezogen. Der Niedersächsische Landtag hat die Möglichkeit des Unterbringungsgewahrsams erweitert, nicht auf 14 Tage wie in Bayern, sondern wie im Bundesgrenzschutzgesetz, auf vier Tage. Beispielgebend für die gesamte Republik haben wir das sog. „Aufenthaltsverbot" normiert. Es ist seitdem möglich, gewaltbereite Störer genauso wie Drogenhändler lagegerecht aus einem Stadt- oder Gemeindegebiet herauszuhalten.

Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten, Kontrollstellen einzurichten, erweitert und das Verfahren erleichtert.

Verbesserung der Schutzausstattung

Zwar hat es in der Vergangenheit im Rahmen eines Ausstattungskonzeptes erhebliche Neuanschaffungen von Schutzausstattung gegeben, jedoch mußten aufgrund der Sicherheitslage verschiedene Schwerpunkte (ballistischer Körperschutz, flammenhemmende Einsatzanzüge, neue Schutzhelme) gesetzt werden. Nur teilweise waren Einsatzkräfte (Festnahmezüge der LBPN) mit besonderem Schlag- und Stichschutz ausgerüstet. Erst die sogenannten Chaos-Tage 1995 haben die Notwendigkeit einer verstärkten Schwerpunktsetzung dieser spezifischen Art deutlich gemacht.

Die Polizei stand bei dem Einsatz aus Anlaß der sogenannten Chaos-Tage 1995 in besonderem Maße gewalttätigem Störerverhalten (massiver Steinhagel) gegenüber, für die die vorhandene Schutzausstattung nicht ausreichte.

Als Reaktion auf diese Erkenntnisse wurde vom Innenminister hinsichtlich der Anschaffung weiterer Schutzausstattung ein Sonderprogramm eingesetzt. Dieses Sonderprogramm hatte mit regulären Haushaltsmitteln ein Volumen von ca. 5 Mio. DM und wurde durch Mitteleinsatz in den Folgejahren weiter ergänzt. Die Ausstattungsverbesserungen umfassen Einsatzhelme neuer Generation, Helm-Sprech-Garnituren zur Verbesserung der Kommunikation, flammhemmende Einsatzanzüge, Knie- und Schienbeinschutz in einer Ausführung mit erhöhter Schutzfunktion, Körperschutzausstattungen in verschiedenen, den Einsatzbedingungen angepaßten Ausführungen und Schutzwesten als ballistischer Schutz. Diese Verbesserungen der Schutzausstattungen umfassen nunmehr ein Haushaltsvolumen (einschließlich 1998) von nahezu 10 Mio. DM. Die Einsatzausstattung ist einschließlich der Einsatzhelme, Einsatzanzüge und Schutzschilde bei allen Kräften der LEO-Leine (LBPN und Einzeldienst) vollständig vorhanden. Die Körperschutzausstattung (schwere und leichte) ist für die Kräfte der LBPN ebenfalls vollständig vorhanden. Die Kräfte der sonstigen LEO-Leine-Einheiten sind aufgabenbezogen mit Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/400 schwerer Schutzausstattung (einschließlich schwerer Schlag- und Stichschutz für Bein und Knie für alle Kräfte) vollständig ausgestattet. Die Beschaffung von leichter Schutzausstattung für die übrigen Kräfte der LEO-Leine-Einheiten wird in zwei Raten, 1998 und 1999, komplett durchgeführt werden. Im Bereich ballistischer Schutz/Schutzwesten wird die Beschaffung für den polizeilichen Einzeldienst fortgesetzt, ergänzt durch eine Bezuschussung aus Landesmitteln für die private Beschaffung.

Konzeption „Vorläufige Festnahmen und Ingewahrsamnahmen bei geschlossenen Einsätzen mit hohem Störeraufkommen"

Aufgrund der vielschichtigen Erfahrungen bei vorläufigen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen anläßlich geschlossener Einsätze mit hohem Störeraufkommen wurde eine Konzeption für die LEO „Leine" erarbeitet, die Rahmenregelungen für die Durchführung qualifizierter vorläufiger Festnahmen und Ingewahrsamnahmen festlegt. Dabei wurde den besonderen Bedingungen

­ geschlossener Einsätze mit zusammengefaßten Kräften

­ Einsatzanlässen mit zahlenmäßig hohem gewalttätigen Störeraufkommen

­ gesetzlicher und justizieller Anforderungen bei vorläufigen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen

­ technisch-organisatorischer und versorgungsmäßiger Abläufe Rechnung getragen.

Fortbildung der Beweissicherungs- und Dokumentationskräfte

Nach Auswertung der polizeilichen Großlagen des Jahres 1995, neben den sogenannten Chaos-Tagen auch der Castor-Transport, sind die Beweissicherungs- und Dokumentationskräfte im Rahmen von Fortbildungsmaßnahrnen weiter qualifiziert worden.

Die Wirksamkeit dieser Entwicklungen haben polizeiliche Großlagen in den Folgejahren nachdrücklich aufgezeigt. Sie konnten auf der Grundlage dieser gezielten Verbesserungen mit hervorragendem Erfolg bewältigt werden. Insbesondere konnte die Polizei auf dieser Grundlage auch die sogenannten Chaos-Tage seit 1996 wirksam verhindern. Die Landesregierung hat damit im Rahmen der Polizeireform und der von ihr getragenen kontinuierlichen Entwicklung der Polizei aber auch auf der Grundlage der Erfahrungen aus dem polizeilichen Einsatzgeschehen die Entwicklungen und Veränderungen bewirkt, die ein konsequentes und schnelles Einschreiten von Polizeikräften sicherstellen.

12. Bericht der Landesregierung zu Entscheidungen der Polizeiführung zur Räumung von besetzten Häusern bei vergleichbaren Lageeinschätzungen (Frage 3 des Untersuchungsauftrags)

Die Landesregierung (Niedersächsisches Innenministerium) hat sich am 17.07.1998 auch zu der Frage nach dem Vorgehen der jeweils zuständigen Polizeiführung bei widerrechtlicher Besetzung von Häusern in Niedersachsen in der Vergangenheit wie folgt geäußert: