Beamte

Der Einsatz der Polizei bei Hausbesetzungen richtet sich nach Recht und Gesetz und erfolgt unter Berücksichtigung des Einzelfalles aufgrund der jeweils bestehenden Lage vor Ort. Es kann hier deshalb keine einheitlichen Vorgaben geben, und es gibt sie auch nicht.

Die Polizei trifft ihre Entscheidung auf Grundlage einer umfassenden Beurteilung der Lage gemäß der Polizeidienstvorschrift (PDV) 100, die bundesweit Gültigkeit besitzt.

Dabei sind Auftrag, Anlaß, Rechtslage, Kräftelage, Raum, Zeit, Wetter und die Entschlußmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Bei der Beurteilung des Anlasses sind alle Umstände, die von Bedeutung sind oder werden können, festzustellen und auszuwerten. Dazu gehören Erkenntnisse über die Störer insbesondere hinsichtlich Stärke, Zusammensetzung, Organisation, Verhaltensweise, Bewaffnung, Fernmeldemittel, sonstiger Ausstattung, Versorgung und vermutlicher Absicht. Politische, soziale, wirtschaftliche und psychologische Verhältnisse sowie das Verhalten der Bevölkerung und der Publikationsorgane sind in die Beurteilung einzubeziehen.

Hieraus wird deutlich, dass polizeiliche Entscheidungen eben nicht nur aufgrund der Rechtslage getroffen werden, sondern dass auch andere Faktoren Berücksichtigung finden müssen. Das hat im übrigen auch der ehemalige CDU-Innenminister Dr. Möcklinghoff in einer Dienstbesprechung der leitenden Beamten der niedersächsischen Polizei am 15.01.1981 so gesehen.

Das bedeutet aber nicht, dass Hausbesetzungen, aus welchen Motiven auch immer, in Niedersachsen grundsätzlich hingenommen werden. Die Polizei begegnet derartigen Problemen in vielfältigen Ausformungen. Es gibt Fälle, in denen vom Berechtigten Strafantrag gestellt wird, aber auch solche, wo das unterbleibt. Es gibt Fälle, bei denen die Rechtslage relativ eindeutig ist, es gibt aber auch solche, bei denen sich die Rechtslage sehr kompliziert darstellt wie jetzt z. B. bei der „Besetzung" der Jüdischen Gemeinde in Hannover, wo der alte Vorstand über Nacht die Räumlichkeiten „in Besitz" genommen hat, so dass dem neuen Vorstand der Zutritt nicht mehr möglich ist, und der wiederum Strafantrag gestellt und Strafanzeige, nach Medienberichten wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl, erstattet hat. Im Einklang mit der Rechtsprechung muss die Polizei im Rahmen ihres Ermessensspielraums aufgrund der Beurteilung des Einzelfalles entscheiden, wie sie dem Problem begegnet.

Die von den Polizeibehörden vorgelegten Daten, die als Anlage beigefügt sind, können nicht vollständig sein, weil derartige Informationen nicht in jedem Fall für die Polizei Bedeutung hatten und deswegen nicht erhoben wurden, oder weil sie nicht mehr vorhanden sind. Sie belegen aber dennoch, dass grundsätzlich Hausbesetzungen, insbesondere bei vorliegenden Strafanträgen, unmittelbar von der Polizei beendet worden sind.

Nur in Einzelfällen ist davon abgesehen worden. Das gilt für die Zeit sowohl vor als auch nach 1990. 0

So wurde beispielsweise am 15.01.90 das Haus Theaterplatz 9 in Göttingen von ca. 60

Personen der Autonomen Szene besetzt. Obwohl der Berechtigte am 22.01.90 Strafantrag stellte, wurde das Objekt nicht unmittelbar von der Polizei geräumt, sondern die freiwillige Räumung durch die Besetzer am 19.07.90 abgewartet. Unmittelbar im Anschluß daran wurde das Haus abgerissen.

In Syke wurde am 05.06.80 das Objekt Nienburger Str. 11-13 von 7 Personen besetzt.

Trotz Räumungsbeschluß vorn 30.06.80 wurde das Gebäude durch den zuständigen Gerichtsvollzieher mit Unterstützung der Polizei erst am 07.07.80 geräumt. Die Besetzer verließen das Gebäude nach Aufforderung. Anschließend wurde das Gebäude abgerissen.

In Hannover wurde am 31.07.81 das Haus Wiehbergstr. 10 besetzt. Strafantrag wurde durch den Berechtigten am 12.08.81 gestellt. Die polizeiliche Räumung erfolgte aber erst am 18.08.81. Auch dieses Haus wurde unmittelbar im Anschluß abgerissen.

Am 08.04.84 ist in Hannover die ehemalige Kinderheilanstalt, Ellernstr. 40 (im Bericht der Polizeidirektion Hannover irrtümlich als Ellermannstr. 40 bezeichnet), besetzt worden. Diese Besetzung, zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, so dass von der Stadt Hannover bereits am 06.04.84 vorsorglich ein Strafantrag für den Fall einer Besetzung gestellt wurde. Ein Polizeieinsatz zur Räumung wurde im Einvernehmen mit der Stadt nicht durchgeführt.

Ergänzend zu den in der Anlage aufgeführten Besetzungsfällen stellte bzw.

13. Einsatzfähigkeit der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen nach der „Polizeireform Niedersachsen" (Frage 9 des Untersuchungsauftrags)

Organisationsuntersuchung der Niedersächsichen Landespolizei durch die Kienbaum Unternehmensberatung GmbH

Im Auftrag des Niedersächsischen Innenministeriums führte die Kienbaum Unternehmensberatung GmbH eine Organisationsuntersuchung der Niedersächsischen Landespolizei durch und erstellte im Januar 1993 einen Abschlußbericht. Die Untersuchung diente der von dem Niedersächsischen Innenministerium geplanten grundsätzlichen Restrukturierung der niedersächsischen Polizei, die durch die sogenannte „Polizeireform Niedersachsen" umgesetzt wurde. Der Abschlußbericht wurde dem Untersuchungsausschuß auf dessen Anforderung durch das Niedersächsische Innenministerium vorgelegt.

Siehe Anhang zu Anlage 1.