Ausbildung

Schriftlicher Bericht der Landesregierung

Die Landesregierung (Niedersächsisches Innenministerium) hat sich am 17.07.1998 zu der Frage der Einsatzfähigkeit der Niedersächsischen Landespolizei nach der Polizeireform wie folgt geäußert:

Die Einsatzfähigkeit der Landesbereitschaftspolizei in Niedersachsen war bei der in Gorleben am 05. und 06.06.98 von der Polizei getroffenen Entscheidungen ohne Bedeutung, weil Kräfte nicht angefordert worden sind.

Die bisherigen Fragestellungen im 17. Parlamentarischen Untersuchungsausschuß haben deutlich gemacht, dass Informationsdefizite bezüglich der Alarmierung von Kräften sowie der Einsatzfähigkeit der LBPN vorhanden sind. Deshalb sind die nachfolgenden klarstellenden Erläuterungen angefügt. Es gibt in Niedersachsen umfangreiche, in Verantwortung gestufte Möglichkeiten einer sofortigen und/oder sukzessiven Kräfteverstärkung ebenso, wie eine durch die Reform hervorragend einsatzfähige Landesbereitschaftspolizei.

Möglichkeiten der Kräfteverstärkung Wäre in Gorleben am 05.06.98 eine Entscheidung zur polizeilichen Räumung getroffen worden, hätten auch die erforderlichen Kräfte bereitgestellt werden können. Es hätten sowohl eigene im Dienst befindliche Kräfte der Bezirksregierung Lüneburg, Kräfte der LBPN, eigene Alarmkräfte der Bezirksregierung Lüneburg (Landeseinsatzorganisation (LEO)-Leine), als auch im Dienst befindliche oder LEO-Leine-Kräfte anderer Polizeibehörden in einem gestuften Verfahren zum Einsatz gebracht werden können.

Die LEO-Leine umfaßt insgesamt 20 Einsatzhundertschaften des polizeilichen Einzeldienstes sowie sieben Einsatzhundertschaften der LBPN. Die Stärke aller LEO-Leine-Einheiten (ohne Verfügungseinheiten) beträgt rund 4 880 Beamtinnen und Beamte.

Die Bezirksregierung Lüneburg stellt davon vier Einsatzhundertschaften und insgesamt 737 Beamtinnen und Beamte (einschließlich Fahndungs-, Ermittlungs- und andere Kräfte), die LBPN stellt in drei Abteilungen insgesamt 1 010 Beamtinnen und Beamte.

In einem solchen Fall wie in Gorleben wären erste Verstärkungskräfte innerhalb kurzer Zeit (abhängig vom Anfahrtsweg) vor Ort verfügbar gewesen. Weitere Verstärkungskräfte hätten sukzessive nachgeführt werden können. In einem Zeitraum von etwa zwei bis sechs Stunden wären aufwachsend alle erforderlichen Kräfte vor Ort gewesen.

Zunächst kann die Bezirksregierung Lüneburg im eigenen Bereich sofort verfügbare Kräfte einsetzen oder bei Alarmierung bis zu vier sog. Alarmzüge innerhalb einer Stunde in den Heimatdienststellen bereitstellen und zum Einsatzort entsenden. Insgesamt kann sie bis zu vier eigene Einsatzhundertschaften alarmieren. Daneben kann sie sich unmittelbar an die LBPN wenden.

Sofern der erforderliche Kräfterahmen im eigenen Bereich nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen sollte, könnten bei Anforderung - je nach Dringlichkeit auch parallel - durch das Innenministerium sofort verfügbare Kräfte aus anderen Behörden Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/400 bereitgestellt oder Einheiten der LEO „Leine" alarmiert werden. Das ist in der Vergangenheit wiederholt geschehen.

Beispielsweise waren bei einer Alarmübung der Abteilung „Anton", das sind vier Einsatzhundertschaften der LEO „Leine" der Bezirksregierung Hannover, anläßlich einer Soforteinsatzlage in Salzgitter am Freitag, den 28.01.94, gegen 18.30 Uhr, also zu einer vergleichbaren Zeit wie jetzt in Gorleben, die Einheiten innerhalb von rund zwei Stunden (Teilkräfte auch schon früher) in einer Stärke von 338 Beamtinnen und Beamten abmarschbereit an den Heimatdienststellen.

Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen (LBPN)

Im übrigen ist mit der Neuorganisation der Bereitschaftspolizei die Leistungsfähigkeit der geschlossenen Einheiten erhöht und die Ausbildung des Polizeinachwuchses aus dem Verbandscharakter herausgelöst worden.

Die neue Gliederung in 3 Einsatzabteilungen mit 7 Einsatzhundertschaften und 2 Technische Einheiten ist ehrlicher als die alte mit 9 Einsatzhundertschaften und 3 Stabshundertschaften, in denen nur noch 50 bis 60 % der Sollstärken verfügbar waren. Nach einer Erhebung, der Reformkommission (AG 7) vom 15.11.1991 betrug die Personalstärke der 9 Einsatzhundertschaften insgesamt nur 602 Beamte/Beamtinnen.

Die Veränderung der Strukturen der Landesbereitschaftspolizei steht insbesondere im Zusammenhang mit der Verlagerung der Grundausbildung und mindert in keiner Weise den Einsatzwert dieser Polizeieinrichtung.

Im Gegenteil: Die Einsatzfähigkeit der Bereitschaftspolizei ist erhöht worden. Heute ist in 7 Einsatzhundertschaften eine größere Einsatzstärke, als in 9 Einsatzhundertschaften vor der Reform.

Die Organisation der Landesbereitschaftspolizei entspricht in Struktur, Stärke und Verwendung in geschlossenen Einsätzen und zur Unterstützung des polizeilichen Einzeldienstes einem bundesweit einheitlichen Konzept, das durch ein Verwaltungsabkommen festgeschrieben worden ist.

Die Organisation und der Einsatzwert der LBPN sind anerkanntermaßen gut. Sie hat in vielen Einsätzen ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Seit 1990 hat sie in über 60 Fällen in anderen Ländern personelle oder materielle Hilfe geleistet in Hamburg, München, Bonn oder Berlin, bei Demonstrationen, Hausbesetzungen, Fußballspielen, gewalttätigen Ausschreitungen oder der Oderhochwasserkatastrophe. Im März 98 wurden zeitgleich Nordrhein-Westfalen anläßlich des Castor-Transportes nach Ahaus mit rund 600 und die Polizeidirektion Hannover bei der Cebit-Messe mit rund 150 Beamtinnen und Beamten durch die LBPN unterstützt. Das sind mehr Kräfte, als vor der Reform in neun Einsatzhundertschaften vorhanden waren.

Die Leistungen der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen sind immer wieder positiv gewürdigt worden. Nach dem Einsatz am 01.05.97 in Berlin hat sich der Innensenator Schönbohm in einem sehr persönlichen Schreiben für die hervorragende Arbeit der niedersächsischen Polizei bedankt. Am 01.05.98 sind dieselben Kräfte unter Hinweis auf den Vorjahreseinsatz erneut angefordert und auch entsandt worden.

Der ehemalige Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, Herr Dr. Morie, hat die neue Organisation der LBPN als „beste Organisationsform der Bereitschaftspolizei in der ganzen Bundesrepublik Deutschland" bezeichnet.

Im Vorwort des Jahresberichtes der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen ist zu lesen: „Der vorliegende Jahresbericht verdeutlicht mit seinen Zahlen und Fakten einmal mehr, dass die LBPN mit Engagement und großer Leistungsbereitschaft die übertragenen Aufgaben wahrgenommen und erfüllt hat.... Beim bisher größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dem dritten Castor-Transport nach Gorleben, war die LBPN erneut maßgeblich eingebunden. Mit Langmut und sehr viel Rücksicht, aber auch Konsequenz und Augenmaß, haben die Kräfte im Zusammenwirken mit anderen - unter eigenverantwortlicher Führung des Einsatzabschnittes „Strecke" - den Transport sicher in das Zwischenlager gebracht. Das deutlich sichtbare professionelle Verhalten unserer Einsatzhundertschaften und Führungskräfte fiel allgemein auf. Es wurde unmittelbar nach Einsatzende u. a. von Innenminister Gerhard Glogowski positiv herausgestellt und führte wenig später, als Folge noch vor Ort mit ihm geführter Gespräche, zur Beschaffung verbesserter Körperschutzausstattungen. Auch bei der Verhinderung der „Chaos-Tage" in Hannover hat die LBPN ihren Beitrag geleistet, ebenso bei der Bekämpfung des Oderhochwassers in Brandenburg...." 1997 hat die LBPN insgesamt 825 geschlossene Einsätze bewältigt, bei denen in der Summe 23 371 Beamtinnen und Beamte eingesetzt wurden. Insgesamt sind hierbei 550 917 Einsatzstunden (incl. Vor-/Nachbereitung sogar 564 097) geleistet worden.

Darüber hinaus hat die LBPN im Rahmen von APED (Abordnung in den polizeilichen Einzeldienst) und UPED (Unterstützung des polizeilichen Einzeldienstes) den polizeilichen Einzeldienst ganz erheblich unterstützt.

In den Tagungen des Innenministeriums mit den leitenden Beamtinnen und Beamten der Polizeibehörden und -einrichtungen, das sind in erster Linie die Direktoren der Polizei, ist die Neuorganisation wiederholt positiv gewürdigt worden. Die aufbau- und ablauforganisatorischen Neuregelungen haben sich ebenso bewährt, wie die Abordnung von Teilkräften in den polizeilichen Einzeldienst (APED) und haben zu einer Motivationssteigerung der Bediensteten der LBPN geführt.

Der Vorwurf, die Einsatzfähigkeit der Bereitschaftspolizei in Niedersachsen sei nur sehr bedingt gegeben, ist unbegründet und geradezu absurd. Er ist darüber hinaus verantwortungslos sowohl den Bediensteten gegenüber, weil er deren besonderen Leistungen nicht gerecht wird, als auch dem Bürger gegenüber, weil Sicherheitsdefizite behauptet werden, die nicht vorhanden sind.