Fachhochschule

Sachverständige Stellungnahme des Direktors der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen Lewald

Der Direktor der Landesbereitschaftspolizei Lewald machte in seiner sachverständigen Stellungnahme vor dem Untersuchungsausschuß zur Einsatzfähigkeit der Bereitschaftspolizei nach der Polizeireform im Jahre 1993 folgende Angaben:

Die Landesbereitschaftspolizei habe bis zum Jahre 1993 eine Soll-Stärke und eine Ist-Stärke aufgewiesen, die erheblich über der jetzigen gelegen habe. Die Soll-Stärke gemäß Verwaltungsabkommen mit dem Bund bestehe aus 1 017 Polizeivollzugsbeamten, also ohne Tarifpersonal und Verwaltungsbeamte. Das sei jene Stärke, die der Bund auszustatten sich verpflichtet habe. Die Ausrüstung der Bereitschaftspolizei werde nämlich grundsätzlich vom Bund gestellt und nur in begrenztem Maße durch den Landeshaushalt ergänzt. Es gebe noch einige andere Aufgaben, bei denen es sich um keine typischen bereitschaftspolizeilichen handele, die aber aus bestimmten Gründen bei der Bereitschaftspolizei angesiedelt seien, wie das Polizeimusikchor und die zentrale Sportausbildung.

Diese Kräfte eingerechnet betrage die Landesstärke 1 061 Beamte.

Die Ist-Stärke der Landesbereitschaftspolizei habe in dem Zeitraum, in dem er die Bereitschaftspolizei geführt habe - also in den letzten zweieinhalb Jahren - immer über der Soll-Stärke gelegen. Das Ministerium billige ihm nämlich aus verschiedenen Gründen regelmäßig eine gewisse Stärke über der Soll-Stärke zu. Die Ist-Stärke betrage im Moment 1 100 Beamte, liege also um etwa 80 Beamte über der mit dem Bund vereinbarten Stärke und auch noch ein wenig über der Soll-Stärke des Landes.

Vor der Polizeireform habe die Landesbereitschaftspolizei gemäß Organisationserlaß vom 17. August 1987 eine Soll-Stärke von 2 120 Beamten gehabt. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass hierbei auch das Personal für drei Ausbildungshundertschaften, etwa 130 Beamte, berücksichtigt sei, das abgezogen werden müßte, weil eine laufbahnmäßige Ausbildung in der Bereitschaftspolizei seit der Polizeireform nicht mehr vorgenommen würde. Damals hätten Polizeibeamte noch das sogenannte zweite Ausbildungsjahr bei der Bereitschaftspolizei absolviert; das sei heute nicht mehr der Fall. Es kämen nunmehr fertig Ausgebildete von der Fachhochschule. Außerdem seien auch die sogenannten zentralen Dienste abzuziehen, die damals noch in etwas stärkerer Zahl vorhanden gewesen seien. Während der Polizeireform habe es bei den zentralen Diensten ein Abschmelzen gegeben, so dass sich die Soll-Stärke von 2 120 auf etwa 1 900 reduziere.

Die Ist-Stärke der Landesbereitschaftspolizei habe vor der Polizeireform am 01.07.1993, als die ersten reformbedingten Versetzungen vorgenommen worden seien, 1 591 betragen. Auch hier wären im Vergleich zu der jetzigen Organisationsform wieder jene Kräfte abzuziehen, die soeben aufgeführt worden seien.

Bezogen auf die taktische Gliederung der Bereitschaftspolizei sei zur Kenntnis zu nehmen, dass die Anzahl der Einsatzhundertschaften durch die Polizeireform von neun auf sieben reduziert worden sei. Die Reduzierung habe vor allem im Bereich der technischen Einheiten stattgefunden. Dort sei es zu einer gewissen Überbesetzung der Bereitschaftspolizei aus einem gewachsenen, älteren Verständnis gekommen. Die Reduzierung sei also nicht in erster Linie bei den Einsatzhundertschaften erfolgt, sondern beispielsweise bei einigen Spezialeinheiten und Fernmeldezügen, die man heute nicht mehr so benötige wie noch vor 30 oder 40 Jahren.

Zu den Einsatzstärken der Einsatzhundertschaften vor und nach der Polizeireform machte der Sachverständige folgende Angaben:

Vor der Reform seien einige Einsatzhundertschaften sehr weit von ihrer Soll-Stärke entfernt gewesen. So habe die 13. Einsatzhundertschaft am 01.04.1994 eine Stärke von 20 Beamten gehabt, die fünfte Einsatzhundertschaft eine Stärke von 67 Beamten. Einige andere Hundertschaften hätten sich wenigstens in der Nähe der vorgesehenen Soll-Stärke bewegt. Die 1. Einsatzhundertschaft habe aus 105 Beamten, die 2. Einsatzhundertschaft aus 121 Beamte bestanden. Die Stabshundertschaften, die nach alter Organisation vor der Reform eine Soll-Stärke von ca. 180 Beamten gehabt hätten, seien zum Zeitpunkt des Beginns der Reform auf Ist-Stärken von etwa 120/130 Beamten, also etwa rund 50 Beamten unter der vorgesehenen Soll-Stärke gesunken.

Zur Zeit gebe es in den Einsatzhundertschaften folgende Stärken:

1. Hundertschaft 154 Soll, 147 Ist, 2. Hundertschaft 149 Soll, 141 Ist, 3. Hundertschaft 120 Soll und 119 Ist, 4. Hundertschaft 115 Soll und 105 Ist, 5. Hundertschaft 81 Soll und 85 Ist, 6. Hundertschaft 152 Soll und 173 Ist, 7. Hundertschaft 81 Soll und 86 Ist. Die Anzahl der Einheiten sei also reduziert worden. Beim Ist bewege man sich allerdings in der Nähe oder sogar etwas über der Soll-Stärke.

Auf die Frage, wie viele Kräfte jetzt an einem Wochenende, wenn keine polizeiliche Lage anstehe, pro Standort zur Verfügung stünden, die im Falle eines Einsatzes sofort herangeführt werden könnten, erklärte der Sachverständige:

An den Wochenenden werde nach Lagebeurteilung des Innenministeriums - nicht der Landesbereitschaftspolizei -, wenn es für erforderlich gehalten werde, eine Landesreserve der Landesbereitschaftspolizei eingeteilt. Diese Landesreserve werde nicht an jedem Wochenende vorgehalten. Im Jahre 1997 habe die Landesbereitschaftspolizei auf Entscheidung des Innenministerium an 21 Wochenenden insgesamt 60 Landesreserven bereitgehalten. Die Landesreserve werde dann - je nachdem wie das Lagebild sei und ob sich irgendwo im Lande ein Brennpunkt abzeichne - am nächstgelegenen Standort bereitgehalten. Es gebe sechs Standorte der Bereitschaftspolizei im Lande. So sei am Sonnabend, den 06.06., eine Landesreserve in Lüneburg zusammengezogen worden. Das hänge also von der Lagebeurteilung im Lagezentrum des Innenministeriums im Einzelfall ab.

Das Innenministerium behalte sich auch vor, über den Einsatz dieser Landesreserve zu entscheiden. Das sei nicht in die Dispositionsfreiheit der Landesbereitschaftspolizei gestellt.

Diese Landesreserve mache grundsätzlich Dienst in der Nacht von Freitag auf Sonnabend, am Sonnabend am Tage und in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Die Stärke dieser Landesreserve betrage in der Regel einen Zug. Ein Zug habe eine Sollstärke von 34 Beamten. Nicht immer seien alle da, etwa wegen Urlaubs, Krankheit oder Fortbildung. Es sei von ungefähr 30 Beamten auszugehen. Manchmal würden aber auch drei Züge, also eine Hundertschaft bereitgehalten. Das sei abhängig von der Lage. So habe Anfang August, als sich der Todestag von Rudolf Hess genähert habe, eine Landesreserve von mehreren Hundertschaften bereitgestanden. Die Landesreserve schwanke also vom Normalfall eines Zuges bis hin zu einer Hundertschaft und im Ausnahmefall auch darüber.

Wenn an einem Wochenende keine Landesreserve bereitgehalten werde und sich auch keine anderen Kräfte im Einsatz befänden, die abgezogen werden könnten, sei die Landesbereitschaftspolizei auf Alarmierung angewiesen. Die Alarmierungsfähigkeit der Beamten der Bereitschaftspolizei sei sehr gut. Der Ausstattungsgrad mit Funktelefonen sei bei den jungen Beamten beachtlich. Die Bereitschaft, zu kommen, wenn gerufen werde, liege in solchen Alarmierungsfällen bei 70 bis 80 %. Das Zusammenführen der Kräfte dauere dann drei, vier oder im ungünstigsten Fall auch fünf Stunden.

Auf die Frage, ob er während seiner Dienstzeit einmal erlebt habe, dass in Niedersachsen nicht ausreichend Polizei zur Verfügung gestellt werden konnte, weil plötzlich eine schwierige Situation aufgetreten sei, erklärte der Sachverständige:

Während seiner Zeit als Direktor der Bereitschaftspolizei sei das nicht der Fall gewesen.

Auch für die Jahre davor könne er das ausschließen. Er habe auch vorher schon Funktionen innegehabt, die sich zum Teil in der fachlichen Nähe zur Bereitschaftspolizei bewegt hätten.