Steuerberater

Nach § 4 Abs. 1 NDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn die Betroffenen eingewilligt haben oder das NDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies vorsieht. Eine Einwilligung scheidet hier aus. Auch bereichsspezifische Vorschriften, die eine derartige Veröffentlichung ausdrücklich erlauben würden, sind nicht erkennbar. Selbst der vielfach genannte § 76 StBerG scheidet aus, da es sich bei dieser Regelung nur um eine gesetzliche Aufgabenzuweisung und nicht um eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm handelt. Ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfordert eine normenklare Ermächtigungsgrundlage. Die bloße gesetzliche Aufgabenzuweisung an eine Behörde verleiht dieser keine Befugnis zur Datenweitergabe an Dritte.

Auch § 23 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) scheidet als generelle Bekanntmachungsnorm aus, weil diese Vorschrift eine ausdrückliche gerichtliche Anordnung verlangt. Wegen des Richtervorbehalts lässt sich die Vorschrift auch nicht auf solche Fälle anwenden, in denen das Gericht eine entsprechende Anordnung nicht getroffen hat bzw. in denen gar kein gerichtliches Verfahren stattgefunden hat.

Die fragliche Veröffentlichung in den Mitteilungsblättern lässt sich auch nicht mit dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz rechtfertigen. § 13 Abs. 1 NDSG läßt die Übermittlung personenbezogener Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nur dann zu, wenn

1. sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und die Daten nach § 10 verarbeitet werden dürfen,

2. die Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft machen und kein Grund zu der Annahme besteht, daß das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt, oder

3. sie im öffentlichen Interesse liegt oder hierfür ein berechtigtes Interesse geltend gemacht wird und die Betroffenen in diesen Fällen der Übermittlung nicht widersprochen haben.

Keine der Zulässigkeitsalternativen trifft zu. Erforderlich ist eine Übermittlung nur dann, wenn ohne sie die Aufgabe überhaupt nicht, nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismässigen Schwierigkeiten erfüllt werden kann. Dabei ist wegen des bei Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein strenger Maßstab anzulegen. Bei einer „Veröffentlichung zur Überwachung" erhält eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die keineswegs nur Kammermitglieder sind, Kenntnis von Sanktionen gegen Betroffene. Die Veröffentlichung entfaltet damit eine erhebliche und unzulässige Prangerwirkung. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen nach verhängten Maßnahmen weiterhin gegen einschlägige Vorschriften über die Ausübung des Steuerberaterberufs verstoßen werden. Auswertungen in Schleswig-Holstein zeigen nämlich, dass bei jährlich erstrittenen ca. 60 Unterlassungserklärungen nur ca. 5 Wiederholungsfälle auftreten. Dabei konnte nicht festgestellt werden, dass die Anzeigen durch Kammerveröffentlichungen initiiert worden sind.

Die praktizierte Veröffentlichung ist nach diesen Betrachtungen nicht gerechtfertigt. Nach übereinstimmender Ansicht der Datenschutzbeauftragten der Länder verstößt die Veröffentlichung gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. Die Steuerberaterkammern in Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben nach Beanstandungen ihrer Landesdatenschutzbeauftragten die problematische namentliche Veröffentlichung eingestellt.

In den übrigen Ländern sind die Diskussionen noch im Gange. Entscheidungen stehen noch aus.

Ich habe die Steuerberaterkammer Niedersachsen aufgefordert, künftig von derartigen Veröffentlichungen abzusehen. Meiner Forderung wurde inzwischen gefolgt; eine Veröffentlichung von Namen wird nicht mehr erfolgen. Allerdings konnte sich die Steuerberaterkammer den Hinweis nicht „verkneifen", dass damit eine Rechtspflicht nicht anerkannt werde.

Aktenanforderung durch Gerichte

Der Versand der vollständigen Akte eines Versorgungsempfängers nach undifferenzierter Aktenanforderung des Niedersächsischen Finanzgerichts war erneut Anlass einer Anrufung. Die Akte enthielt neben den für den anhängigen Rechtsstreit bedeutsamen Teilen auch eine ganze Reihe von irrelevanten, sehr persönlichen Daten des Petenten. Die Versendung vollständiger Versorgungsakten widerspricht geltenden Datenschutzvorschriften und steht im Widerspruch zum Sozialgeheimnis.

Meine Bitte an das Niedersächsische Finanzgericht, trotz meiner fehlenden Kontrollzuständigkeit zu dem allgemeinen Problem der Aktenübersendung und zu dem konkreten Beschwerdevorgang Stellung zu nehmen, wurde mit dem Hinweis auf das Steuergeheimnis nach § 30 Abgabenordnung abgelehnt. Dadurch hat sich die Beantwortung der Bürgeranrufung verzögert. Der Hinweis auf das Steuergeheimnis geht von einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage aus.

Die Datenschutzkontrolle erstreckt sich auch auf personenbezogene Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen. § 24 Abs. 2 Satz 1 BDSG nennt als Beispielsfall ausdrücklich das Steuergeheimnis, das somit Auskünften an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz nicht entgegengehalten werden kann. Für die Landesbeauftragten für den Datenschutz gilt die Vorschrift nach § 24 Abs. 6 BDSG entsprechend.

Mein Eingreifen hat dazu geführt, dass im Bereich der Versorgungsverwaltung der besondere Aspekt des Datenschutzes bei der Übersendung von Versorgungsakten an Gerichte deutlich mehr Gewicht erhält. Im Bereich der Justiz ist man bemüht, dieses Thema bei der richterlichen Fortbildung verstärkt zu berücksichtigen. Eine befriedigende und datenschutzfreundliche Lösung wird nur zu erreichen sein, wenn die Gerichte die Anforderung von Akten auf das notwendige Mass beschränken und die abgebenden Behörden prüfen, inwieweit die Akten für den entsprechenden Rechtsstreit überhaupt von Bedeutung sind.

Datenübermittlung zwischen Finanzbehörden und Deichverbänden

Bereits seit längerer Zeit übermitteln Finanzämter den Deichverbänden für im Verbandsgebiet gelegene Grundstücke die jeweiligen Einheitswerte in automatisierter Form. Mehrere Eingaben haben mich auf dieses Verfahren aufmerksam gemacht. Auch wenn rechtlich gegen dieses Verfahren keine Einwände zu erheben sind, zeigen die Eingaben der betroffenen Bürger, dass es erhebliche Informationsdefizite gibt. Die Tatsache der Datenübermittlung war in der vorgelegten Satzung nur am Rande erwähnt, so dass Unklarheiten über die rechtliche Zulässigkeit fast zwangsläufig auftreten mussten. Es ist sicher verwaltungsökonomisch und kostensparend, wenn benötigte Daten im Rahmen der geltenden Gesetze zwischen Behörden unmittelbar ausgetauscht werden; dennoch sollte es seitens der beteiligten Behörden eine Selbstverständlichkeit sein, diesen praktizierten Datenaustausch den Betroffenen offenzulegen und ihnen die rechtlichen Grundlagen zu erläutern. Ich habe das zuständige Fachministerium gebeten, in diesem Sinne auf die entsprechenden Verbände einzuwirken.

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Einschränkung des Sozialdatenschutzes

Seitdem die öffentlichen Kassen leer sind, reißt die Diskussion darüber, wie ein Missbrauch von Sozialleistungen verhindert werden kann, nicht ab. Spektakuläre Einzelfälle, über die in den Medien berichtet wird, beflügeln diese Diskussion, die auch von Politikern oft in sehr populistischer Weise geführt wird. Gefordert werden insbesondere zunehmende Datenabgleiche zwischen den unterschiedlichsten Behörden und sonstigen Stellen, durch die man einem vermuteten Sozialleistungsbetrug auf die Spur kommen will. Dass es in diesem wie in anderen Lebensbereichen ­ man denke nur an Steuerhinterziehungen ­ auch Missbräuche gibt, kann nicht bestritten werden. Über ihr Ausmaß bestehen jedoch weit voneinander abweichende Auffassungen. Verlässliches Zahlenmaterial, das auch nur eine ungefähre Einschätzung der Größenordnung dieses Problems zuließe, gibt es nicht. Keine Frage: Es ist die Pflicht des Staates, unberechtigtem Leistungsbezug entgegenzutreten. Dies muss jedoch in einer Weise geschehen, die diejenigen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, nicht von vornherein als potentielle Betrüger behandelt und ohne konkreten Anlass einer umfassenden Missbrauchskontrolle unterwirft. Alle Maßnahmen, die zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch ergriffen werden, müssen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Unter diesem Gesichtspunkt sind Datenabgleiche, die für Kontrollmaßnahmen ohne konkreten Verdacht im Einzelfall durchgeführt werden, besonders problematisch. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat bereits 1994 ihre Besorgnis über diese Entwicklung, die zu einem immer dichteren Datenverbundsystem im Sozialleistungsbereich und damit zu immer stärkeren Eingriffen in das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung führt, geäußert (vgl. XII, Anlage 12). Sozialhilfedatenabgleichsverordnung

Schon das Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms hat 1993 in § 117 BSHG die Grundlage geschaffen, dass Sozialhilfeträger untereinander sowie mit der Bundesanstalt für Arbeit und den Trägern der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung regelmäßig Daten über erbrachte Sozialleistungen abgleichen können. Die erforderliche Verordnung zur Umsetzung dieser Vorschrift ist jedoch erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten. Danach können die Sozialleistungsträger regelmäßig einen Datensatz mit Angaben über Name, Geburtsort, Nationalität, Geschlecht, Anschrift und Versicherungsnummer an eine zentrale Vermittlungsstelle bei der Dienststelle der Rentenversicherungsträger übermitteln. Der Datenabgleich zeigt, ob und ggf. welche Sozialleistungen für die betreffende Person im Leistungszeitraum von anderen Sozialleistungsträgern erbracht worden sind.

Da diese Verfahrensweise keinen konkreten Missbrauchsverdacht im Einzelfall voraussetzt, greift sie erheblich in das Grundrecht der Betroffenen auf Datenschutz ein. Immerhin soll auf Drängen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz durch ein Sozialforschungsinstitut eine Untersuchung mit dem Ziel einer Erfolgskontrolle dieses Verfahrens durchgeführt werden. Ein entsprechender Bericht wird für Mitte 1999 erwartet. Er soll Erkenntnisse über Effizienz und Verhältnismäßigkeit derartiger Verfahren bringen. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem Bericht auch eine geeignete Grundlage für eine Versachlichung der Diskussion über das Problem des Leistungsmissbrauchs im Sozialbereich zur Verfügung stehen wird.