Bürokratie und Rübenkampagne

In der Hildesheimer Zeitung „Huckup" vom 29. Oktober 1998 wird unter der Überschrift „Bürokratischer Schilderwald macht Rübenbauern in der Börde das Leben schwer" von verkehrstechnischen Anforderungen für die Durchführung der Rübenkampagne berichtet.

So hätten die Bezirksregierungen Braunschweig, Hannover und Lüneburg für ihre Landkreise gleichlautende Auflagen und Bedingungen zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für das Rübenladen auf Landes- und Kreisstraßen während der Rübenkampagne festgelegt.

Danach müßten die Landwirte 13 verschiedene Verkehrszeichen auf dem Straßenteilstück vor ihrem Acker aufstellen, wenn sie dort ihre geernteten Rüben verladen und abtransportieren wollen. Nach der Abfahrt in Richtung Zuckerfabrik müßten die Verkehrszeichen umgehend entfernt werden. Am nächsten Erntetag müßten sie dann erneut aufgestellt werden. Die Bedingungen seien ähnlich wie bei einer Wanderbaustelle im öffentlichen Straßennetz.

Die Anträge für die entsprechenden Ausnahmegenehmigungen müßten einschließlich eines Wochenabfuhrplanes und eines entsprechenden Landkartenausschnitts 25 Tage vor Erntebeginn gestellt werden. Die Behörden würden es dabei auch als selbstverständlich ansehen, dass der Schilderwald von den Bauern auf eigene Kosten angeschafft sowie aufund abgebaut wird. Die betroffenen Landwirte müßten darüber hinaus eine Saisongebühr für Ausnahmegenehmigungen in Höhe von etwa 350 DM oder einen Betrag von 80 DM für Einzelgenehmigungen aufbringen. Die Zeitung kommt dann zu dem Schluß, dass der komplette Schilderwald, der zudem noch mit allerhand Anträgen verknüpft sei, Züge eines Schildbürgerstreiches habe.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie den in der Zeitung „Huckup" dargestellten Sachverhalt?

2. Wie bewertet sie den Vorwurf, dass die bürokratischen Anforderungen Züge eines Schildbürgerstreiches hätten?

3. In welchen weiteren Bundesländern gibt es dieselbe Verkehrsregelung für Rübenfahrzeuge?

4. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die dargestellte Verkehrsregelung zu entbürokratisieren?

4. Ist sie bereit, den betroffenen Landwirten die erforderlichen Schilder während der Rübenkampagne unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Öffentliche Straßen und Wege dienen dem Gemeingebrauch. Sie können grundsätzlich mit für den Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen zu allen Zeiten benutzt werden.

Einschränkungen können nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Einzelfall z. B. aufgrund des Straßenzustands oder anderer besonderer Verhältnisse durch Verkehrszeichen angeordnet sein (Sperrung für bestimmte Fahrzeugarten, Park- und Halteverbote, Geschwindigkeitsbegrenzungen o. Ä.). Die Straßenverkehrsbehörden lassen sich bei allen beschränkenden Anordnungen ausschließlich von den Belangen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs leiten. Nur wenn diese Belange berührt sind haben sie das Recht, die Benutzung bestimmter Straßen zu beschränken, zu verbieten oder den Verkehr umzuleiten.

Beabsichtigt jemand, die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch zu nehmen, so wird hierfür eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO benötigt. Zuständig für die Erteilung dieser Erlaubnisse sind die Landkreise und kreisfreien Städte, die großen selbstständigen Städte und die selbstständigen Gemeinden. Auf Gemeindestraßen erteilen die Erlaubnisse auch die Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern, denen auf Antrag die Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde übertragen ist.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu 1: Der zitierte Bericht in der Hildesheimer Zeitung „Huckup" schildert den Sachverhalt im Wesentlichen richtig.

Rübenbauern bedürfen i.d.R. eine Sondernutzungserlaubnis nach § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung. Grund hierfür ist, dass die Zuckerrübenernte nicht mehr ­ wie noch bis vor einigen Jahren ­ überwiegend von den Landwirten direkt per landwirtschaftlicher Zugmaschine und entsprechenden Anhängern den Zuckerfabriken zugeführt wird. Infolge der Konzentration der Zuckerfabriken werden die Rüben heute vielfach nicht mehr von den Landwirten selbst befördert.

Sie haben sich häufig zu Maschinenringen zusammengeschlossen, die den Rübentransport per Lkw organisieren. Zu diesem Zweck werden die Rüben parallel der Straßen am Feldrand abgelagert. Mit einer sog. Lademaus werden die Rüben aufgenommen, gereinigt und mittels Förderband bei einer Auslageweite von bis zu 15 m direkt vom Feld auf die Lkw auf der Straße verladen. Die Notwendigkeit der Lkw-Standplätze auf der Straße ergibt sich daraus, dass die Feld- und Wirtschaftswege oftmals nicht geeignet sind, schwere Lkw aufzunehmen und ein Befahren des Feldes durch Lkw nicht möglich ist. die Absicherung dieser Verladestelle muss deshalb ähnlich wie die einer Straßenbaustelle erfolgen.

Gemeinsam mit dem Landesverband der Maschinenringe Niedersachsen ist von den Bezirksregierungen Braunschweig, Hannover und Lüneburg bereits 1995 ein Merkblatt erarbeitet worden, das die näheren Einzelheiten der Rübenabfuhr regelt. Die Erlaubnis wird mit der Auflage verbunden, dass der Unternehmer dieses Merkblatt einhält, das auch einen Verkehrszeichenplan zur Absicherung der Verladestelle enthält. Der Landesverband und die genannten Bezirksregierungen haben sich bei der Erarbeitung des Merkblattes ebenfalls ausschließlich von dem Verkehrssicherheitsgedanken leiten lassen sowie dem Ziel, Unfälle möglichst auszuschließen.

Zu 2: Das Verladen von Rüben ist mit Arbeiten auf/an der Straße verbunden. Es stellt daher eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer dar. Die Absicherung ist notwendig und dient ausschließlich der Gefahrenabwehr. Der Vorwurf, dass es sich um bürokratische Anforderungen handele, die Züge eines Schildbürgerstreiches aufweisen würden, ist unberechtigt.

Zu 3: Ob in anderen Bundesländern ähnliche Absprachen mit Maschinenringen bestehen, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Absicherung der Ladevorgänge muss aber aus Verkehrssicherheitsgründen auf ähnliche Art wie in Niedersachsen erfolgen. Die zu beachtenden Vorschriften des Straßenverkehrsrechts (Straßenverkehrsgesetz und StVO) gelten bundeseinheitlich.

Zu 4: Nein, es handelt sich um eine bundesweite Regelung, die der Verkehrssicherheit dient.

Zu 5: Nein. Wie bereits ausgeführt, ist die Absicherung der Rübentransporte mit der Absicherung von Arbeitsstellen im Straßenraum zu vergleichen. Auch in diesen Fällen haben die Unternehmer die angeordneten Verkehrszeichen auf ihre Kosten aufzustellen (§ 5 b Abs. 2 Buchst. d des Straßenverkehrsgesetzes).

Einzelne Erlaubnisbehörden werden die notwendigen Verkehrszeichen sicherlich gegen Gebühr zur Verfügung stellen. Ob dies allen Behörden möglich ist, ist der Landesregierung nicht bekannt.