Schallschutzbauwerke an Autobahnen

Vermehrt wird aus der Bevölkerung und von Autofahrern Kritik an zu massiven Lärmschutzbauwerken an den niedersächsischen Autobahnen geübt.

Zum einen wird ­ speziell im Bereich der A 2 Braunschweig/Peine ­ die massive Betonbauweise des Lärmschutzes kritisiert und auf leichtere und elegantere Konstruktionen, z.B. in Hessen und Nordrhein-Westfalen, verwiesen.

Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass bei Autobahneinfahrten durch hohe massive Schallschutzkonstruktionen und die dadurch fehlenden Sichtverhältnisse auf Einfahrten bzw. Autobahnen verkehrsgefährdende Situationen entstehen. Beim Autobahnkreuz Braunschweig Nord steht sogar auf der Innenseite des Autobahnkreuzes eine massive Lärmschutzwand.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Form hat die Landesregierung an der Einrichtung der genannten Schallschutzwände auf der A 2 im Bereich Braunschweig/Peine mitgewirkt bzw. auf deren Konstruktion Einfluss genommen?

2. Wie beurteilt sie die aus der Bevölkerung und von Autofahrern vorgebrachte Kritik gegenüber den massiven Lärmschutzbauten im Bereich der A 2?

3. Welche Möglichkeiten sieht sie, die notwendigen Lärmschutzmaßnahmen an den niedersächsischen Autobahnen so zu optimieren, dass zu massive Lärmschutzbauten verhindert werden und den Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit Rechnung getragen wird?

4. Was hat sie bisher unternommen, um die notwendigen Lärmschutzmaßnahmen an Autobahnen so zu optimieren, dass keine überzogenen und zu massiven Bauten entstehen, die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird und unnötig hohe Kosten für einzelne Bauwerke, die zu Lasten anderer notwendiger Lärmschutzmaßnahmen gehen, ausgeschlossen werden?

Als Baulastträger von Bundesautobahnen hat der Bund aufgrund des BundesImmissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974 Lärmschutz gemäß Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/654

­ Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 und den

­ Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen ­ Ausgabe 1990 ­ RLS 90 sicherzustellen.

Zur besseren Vergleichbarkeit und letztlich mit dem Ziel einer Gleichbehandlung der Bürger sehen die Vorschriften vor, dass die Schallemissionen berechnet werden.

Für die Berechnung der Emissionspegel sind bundeseinheitlich verbindlich Grundsätze vorgegeben:

1. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge (Kfz/Tag) ist für das Prognosejahr anzusetzen.

2. Der LKW-Anteil ist abschnittsbezogen nach Tag- und Nachtanteil zu differenzieren.

3. Für jedes Wohngebäude werden bei konstanter Windstärke die ungünstigste Windrichtung sowie meteorologische und topographische Verhältnisse zugrunde gelegt.

4. Neben bereits bebauten Gebieten sind auch unbebaute Gebiete, für die zum Zeitpunkt der Planaufstellung rechtskräftige Bebauungspläne vorhanden sind, zu schützen.

Die A 2 ist die große transeuropäische Achse in Mitteleuropa mit einem sprunghaften Anstieg des Verkehrs nach Öffnung der innerdeutschen Grenze. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge liegt im niedersächsischen Abschnitt für das Prognosejahr 2010 entsprechend einem Gutachten des Bundesverkehrsministeriums (Stand: Mai 1992) bei rd. 116000 Fahrzeugen pro Tag. Die maßgeblichen LKW-Anteile liegen abschnittsbezogen zwischen 18 und 25 % (tags) und 38 und 45 % (nachts).

Wegen der gegenüber den PKW deutlich höheren Lärmemissionen ist im Ergebnis allein dieser LKW-Anteil für die Dimensionierung der Lärmschutzanlagen maßgebend.

Wenn „Kritik an zu massiven Lärmschutzbauwerken" geübt und „auf leichtere und elegantere Konstruktionen, z. B. in Hessen und Nordrhein-Westfalen" verwiesen wird, dann ist darauf zu entgegnen, dass sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht Unterschiede vorliegen. Tatsächliche Unterschiede können in der Höhe des Verkehrsaufkommens und im LKW-Anteil bestehen. Rechtliche Unterschiede ergeben sich aus dem Errichtungszeitpunkt der Anlagen. Denn im Jahre 1990 wurden die Lärmschutzvorschriften zugunsten der Anwohner in zweifacher Hinsicht verschärft:

1. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV wurden generell um drei dB (A) abgesenkt.

2. Die nach dem RLS 90 zu berechnenden Beurteilungspegel (Emissionspegel) führen aufgrund verschärfter Rechenmethodik zu prinzipiell zwei Drittel dB (A) höheren Werten.

Die Absenkung der Grenzwerte um drei dB (A) wirkt sich bei der Berechnung wie eine Verdoppelung der Verkehrsmenge aus. Die verschärfte Rechenmethodik bewirkt eine nochmalige Verdoppelung. Für die Dimensionierung einer Lärmschutzanlage ist also bei demselben Straßenabschnitt nach 1990 die vierfache Verkehrsmenge zugrunde zu legen wie im Jahr zuvor.

Daraus resultiert auch die erhebliche Ausdehnung der Schutzzone an der A 2. Sie reicht jetzt bis zu einer Tiefe von ca. 900 m links und rechts von der Autobahnachse.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die Niedersächsische Straßenbauverwaltung hat als Auftragsverwaltung des Bundes auf der Grundlage der erwähnten Bundesvorschriften die schalltechnischen Berechnungen zur Festlegung der Höhe und der Länge der Lärmschutzanlagen aufgestellt. Alle Berechnungen erhielten zwischen 1992 und 1995 im Rahmen des verwaltungsinternen GenehNiedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/654 migungsverfahrens die Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums. Ferner wurden sie von den Bezirksregierungen Braunschweig und Hannover planfestgestellt.

Zu 2: Die vom Lärm betroffenen Anwohner der BAB 2 haben einen einklagbaren Rechtsanspruch auf den im Planfeststellungsverfahren ermittelten Lärmschutz.

Zu 3: Der Verkehrssicherheit wird Rechnung getragen, die vorgeschriebenen Haltesichtweiten werden eingehalten. Umfang und Gestaltung der Lärmschutzanlagen werden in den gesetzlich dafür vorgesehenen Verfahren nach sorgfältiger Abwägung aller Belange festgelegt.

Zu 4: Die Maßnahmen zum Lärmschutz wurden nach den Rangfolgen des BundesImmissionsschutzgesetzes bzw. gemäß RLS ­ 90, Kapitel 1 unter Berücksichtigung der Haushaltsprinzipien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit folgendermaßen festgelegt:

I. Lärmschutz und Planung (Verlegung der Trasse in möglichst großer Entfernung zu den zu schützenden Objekten).

II. Aktiver Lärmschutz (Errichtung von Lärmschutzanlagen, wenn Trasse nicht in genügender Entfernung verlegt werden kann).

III. Passiver Lärmschutz (Anspruch auf schallisolierte Fenster, wenn aktiver Lärmschutz zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen würde).

Da durch die bereits vorhandene und lediglich zu erweiternde BAB A 2 die Trasse vorgegeben war, konnte durch planerische Maßnahmen (I. Rang) ­ z. B. durch Abrücken von bebauten Gebieten ­ nur unwesentlich Einfluss auf den Lärmschutz genommen werden.

Die Abmessungen der Lärmschutzeinrichtungen wurden vorrangig durch das Bestreben bestimmt, die maßgebenden Tagesgrenzwerte durch aktive Lärmschutzmaßnahmen einzuhalten (II. Rang).

Trotz der nach Meinung des anfragenden Abgeordneten zu großen Dimensionierung bieten die Anlagen an der BAB A 2 gem. den rechtlichen Vorgaben keinen ausreichenden Lärmschutz. Als Ergebnis von an 4250 betroffenen Objekten (Gebäuden) durchgeführten Berechnungen wurden an ca. 100 Objekten Tagesgrenzwertüberschreitungen und an ca. 1000 Objekten (ca. 25 % der berechneten Objekte) Nachtgrenzwertüberschreitungen festgestellt.

Diese Grenzwertüberschreitungen hätten nach den vorgeschriebenen Rangfolgen zunächst durch weitere aktive Maßnahmen geschützt werden müssen. Da hierfür die Kosten außer Verhältnis zum Schutzzweck standen bzw. die Lärmschutzwände höher als 6,00 m zu errichten gewesen wären, ist den Betroffenen passiver Schallschutz (III. Rang, Schallschutzfenster) gewährt worden. Ergänzend sei angemerkt, dass diese erhebliche Anzahl von verbleibenden Grenzwertüberschreitungen außerhalb der Gebäude während der Planfeststellungsverfahren in allen Abschnitten der BAB 2 zu einer Vielzahl von Bürgerprotesten geführt hat.

Bei dem sechsstreifigen Ausbau der BAB 2 handelt es sich um ein Verkehrsprojekt Deutsche Einheit. Diese Verkehrsprojekte werden aus einem Sondertitel des Bundes finanziert.