Betriebsprüfungen und Steuerfahndung denke ich sollten wir sauber auseinander halten

Ich will mich weder mit der Steuerpolitik der alten Bundesregierung beschäftigen, die sicherlich eine Menge dazu beigetragen hat, das könnte man gut extra diskutieren, noch mit den Folgen der Globalisierung und der Steuerflucht, wo von Boris Becker angefangen bis zu großen Unternehmen, die ihre Konzernsitze verlagern und im Rahmen von Fusionen ins Ausland abwandern, natürlich Steuerverschiebungen im großen Maße stattfinden. Das ist keine Ermunterung für Staatsbürger, Steuern zu zahlen.

Betriebsprüfungen und Steuerfahndung, denke ich, sollten wir sauber auseinander halten. Bei den Betriebsprüfungen geht es darum, dass in einem bestimmten Turnus den Unternehmen genauer in die Bücher geschaut wird, ob sie korrekt - und das ist ja nicht immer so einfach, das mit dem korrekten Steuernzahlen bei unserer Steuergesetzgebung, und bei der Flut von guten Steuerberatern gibt es ja auch allerlei Fluchtwege --, hinreichend, ausreichend, entsprechend den Gesetzen Steuern gezahlt haben.

Bei der Steuerfahndung geht es um den Verdacht von Straftaten gegen die Steuergesetzgebung. Das ist etwas anderes. Ich bin auch sehr dafür, das auseinander zu halten, egal, wie die Erträge am Ende sind, weil ich nicht jedem Betrieb unterstelle, dass er von vornherein Straftaten begehen will, während man das hingegen all denen, die von der Steuerfahndung verfolgt und erwischt werden, guten Gewissens unterstellen kann, dass es sich um Steuerstraftaten handelt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen -Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Ergebnisse dieser Anfrage sind ja heftig gelobt worden. Ganz so eindeutig ist es natürlich nicht. Ich will als Erstes darauf hinweisen, ich freue mich, dass die SPD heute sagt, wir sehen geringe Betriebsprüfungen nicht als einen Standortvorteil für Bremen an. Frau Speckert hat das ein bisschen differenzierter gesagt.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass in den letzten 15 Jahren in diesem Parlament fünfmal Anfragen zu diesem Thema gestellt worden sind, im Regelfall von den Grünen, zuletzt auch von der AFB.

Die Finanzsenatoren, die diese Fragen beantwortet haben, hießen Moritz Thape, Claus Grobecker, Volker Kröning und Ulrich Nölle, einmal war es auch Herr Dannemann, der jetzt leider nicht da ist, als Staatsrat. Sie haben alle jeweils gesagt, es gibt kein Interesse des Landes Bremen, die Betriebsprüferzahl auszudehnen und die Dichte der Betriebsprüfungen, wo Bremen so immer im Vorderfeld gelegen hat, auszuweiten, weil das Bremen am Ende Geld kostet und kein Geld einbringt. Das war die bisherige Position.

Ich begrüße es ausdrücklich, Frau Wiedemeyer hat das ja klipp und klar gesagt und Frau Speckert im Prinzip jetzt auch, dass sich diese Position jetzt offensichtlich in der Regierung geändert hat, dass Steuernzahlen und Steuergerechtigkeit auch im Lande Bremen als notwendig angesehen werden und dass Steuervermeidung kein Standortvorteil irgendeines Landes in der Bundesrepublik Deutschland sein kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir uns allerdings die Ergebnisse der Betriebsprüfungenansehen,dannistdasnichtsogewaltig. Wenn wir sehen, dass in den letzten vier Jahren beim Wachstum der Zahlen der Betriebsprüfer um zwölf Prozent die Ergebnisse gerade um 30 Millionen DM in vier Jahren, das sind gut 16 Prozent, insgesamt gestiegen sind, dann kann ich mit Fug und Recht sagen, sowohl im Ergebnis als auch in der Tiefe der Steuerprüfungen hat sich im Lande Bremen nicht viel getan. Wir stehen im Ländervergleich ganz gut da, im Endergebnis, was hinten herauskommt, stehen wir nicht viel besser da als vor einigen Jahren.

Frau Kollegin Wiedemeyer, die Zahlen aus Ihrer Anfrage ergeben leider, dass die Steigerungsquote relativ gering ist. Ich finde das bedauerlich, weil ich glaube, dass da noch eine große Summe an Möglichkeiten für das Land Bremen ist. Ich verweise auch darauf, dass die Bundesregierung, die noch von Herrn Kohl und Herrn Gerhardt getragen worden ist, die CDU/FDP-Regierung, in ihrem letzten Steuerreformvorschlag in der alten Legislaturperiode ganz viel Geld eintreiben sollte, gerade bei den Leuten, die Steuern vermeiden. Das war unter anderem ein Deckungsvorschlag. Wenn man das will, glaube ich, muss man nicht nur die Zahl der Betriebsprüfer erhöhen, sondern muss auch die Zahl der Betriebsprüfungen intensivieren und die Tiefe der Betriebsprüfungen wirklich sehr verstärken, um tatsächlich an den Kern heranzukommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bei der Steuerfahndung, meine Damen und Herren, haben wir nun ganz aktuelle Vergleiche. Da sind wir in den letzten Jahren, das hat Frau Wiedemeyer ja auch eingeräumt, in Bremen auch nicht so ganz drastisch vorangekommen. Es gab eine geringfügige Erhöhung der Prüferzahlen, aber keine wesentliche Erhöhung der Eintreibungen.

Ich will auf das Land Schleswig-Holstein verweisen, das hat in der letzten Woche auch einen Bericht vorgelegt. Das Land Schleswig-Holstein hat mit 111

Betriebsprüfern knapp 89 Millionen DM eingetrieben. Ich sage hier ruhig, wir stehen ja kurz vor der Wahl, dass das eine rotgrüne Regierung ist, und offensichtlich tut die auch etwas für ihre Finanzen. Das sind rund 820.000 DM pro Steuerfahnder. Wenn Sie die Zahlen für das Land Bremen umrechnen, dann kommen Sie ungefähr auf 650.000 DM, die sie eingetrieben haben. Ich glaube nicht, dass die Bremer besonders steuertreu und die Schleswig-Holsteiner ganz besonders steueruntreu sind, dass die Straftaten sich da gerade im Norden konzentrieren, und in Bremen hat alles eine saubere Weste.

Die Zahlen weisen darauf hin, sagen wir es einmal so, dass hier noch eine ganze Menge Möglichkeiten im Lande Bremen bestehen, und ich hoffe, dass der Senat, und das geht wahrscheinlich nur durch eine personelle Verstärkung in diesem Bereich, das auch angreift.

Meine Damen und Herren, Frau Speckert hat zu Recht darauf hingewiesen, der Kernpunkt des ganzen Problems liegt aber nicht darin, wie viele Steuerfahnder wir haben und wie viele Betriebsprüfer, sondern was wir für eine Steuergesetzgebung haben und welche Steuerreform tatsächlich auf den Weg gebracht wird. Das ist der Kernpunkt. Haben wir ein einfaches, überschaubares Steuersystem, in dem die Bevölkerung auch das Gefühl hat, dass Steuergerechtigkeit in diesem Staat herrscht und nicht nur bestimmte Gruppen zahlen müssen und der Rest davon ausgenommen bleibt, dann gibt es eine größere Chance zu mehr Steuertreue in diesem Staat, als es bisher der Fall ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bundesregierung hat sich da auf den Weg gemacht. Selbst Frau Speckert kam nicht darum herum, das zu begrüßen, und sie hat auch Ergebnisse. Wer jetzt gerade über die Bilanzen des VWKonzerns gelesen hat, hat festgestellt, dass die Ergebnisse im Großen und Ganzen unverändert sind, aber dass der Konzern aufgrund der Steuerreform der Bundesregierung rund 270 Millionen DM mehr Steuern in die Kasse zahlt. Das mag den Aktionären nicht so gut passen, aber für den Staat ist das korrekt. Das ist ein Zeichen, dass die Steuerreform, die Rotgrün eingeleitet hat, nicht nur den einfachen Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen treffen, sondern dass es genauso gut auf die großen Unternehmen durchschlägt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist auch ein Zeichen von Steuergerechtigkeit.

Ich gehe davon aus, dass die jetzt vorliegenden Entwürfe zur Steuerreform, sowohl zur Unternehmenssteuerreform als auch zur Fortschreibung der Einkommensteuerreform, insgesamt ein guter Beitrag dazu sind. Wir machen heute keine Steuerreformdebatte. Es ist ein Weg, der hier eingeschlagen wird, der wenigstens öffentlich die Chance gibt, dass die SPD/Grüne-Bundesregierung mehr Steuergerechtigkeit schafft und damit auch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung wenigstens einen Teil des Bodens entzieht, den sie jetzt haben.

Meine Damen und Herren, allerdings gehört zu dieser objektiven Seite, die die Steuergesetzgebung hat, auch noch eine subjektive Seite. Die subjektive Seite ist nicht das Verhalten der einzelnen Steuerbürger, sondern es ist das Verhalten derjenigen, die das öffentliche Bild prägen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, egal, ob es legal ist oder legal war oder illegal war, sind natürlich solche Dinge, wie wir sie in den letzten Tagen über des Landes Bremen in der Zeitung lesen konnten, nicht gerade etwas, das die Moral beim schlichten Steuerzahler fördert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Erst recht nicht fördert es die Moral und die Offenheit dem Staat gegenüber, auch das an Steuern zu zahlen, was man an Steuern zahlen muss, wenn man Tag für Tag unwidersprochen in den Zeitungen lesen kann, wie eine große politische Partei in diesem Lande, die hier rechts von mir sitzt, mit ihren Spitzenpolitikern Geld ins Ausland verschiebt und Geld zurückschiebt, (Abg. Teiser [CDU]: Das hat aber mit Steuern nichts zu tun!) Sachen betreibt, die man anderswo Geldwäsche nennt. Warum sollen nicht gleiche Verfahren auch kleine, mittlere und größere Unternehmen einschlagen, wenn hohe Staatsfunktionäre, und das sind sie, da Vorschub leisten?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen -Abg. Teiser [CDU]: Das ist rechtlicher Dünnschiss!)

Es geht hier nicht um die juristische Frage, Herr Kollege! Es geht hier überhaupt nicht um juristische Fragen. Ich habe gerade gesagt, es geht weder darum, ob irgendetwas legal oder illegal im Detail war, sondern es geht um politisches Verhalten und die Darstellung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir die Aufgabe haben, für die Bürger wenigstens in solchen gesellschaftlichen Gebieten Vorbild zu sein, wo es um Geld geht, dann ist es eben nicht vorbildlich, wenn eine Partei wie die CDU hier im Land Bremen bis heute kein Interesse daran hat, öffentlich aufzuklären, wo legal verbuchte, aber illegal verteilte Gelder nun in der Tat hergekommen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn führende Funktionäre dieser Partei, allen voran der Finanzsenator dieses Landes, einem nun selbst zugegebenen Ehrenwort des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl, das er über das Gesetz stellt und das er hier öffentlich erklärt, auch noch Beifall zollen, sind das keine Vorbilder!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen -Glocke)

Wer Steuerehrlichkeit will, der soll nach mehr Betriebsprüfern und Steuerfahndern rufen, der soll aber

- das ist die Voraussetzung - sich öffentlich auch so verhalten, dass die Leute Vertrauen in diesen Staat haben und nicht glauben, die bescheißen uns, dann bescheißen wir sie auch! - Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Als Nächste erhält das Wort Frau Kummer.

Abg. Frau Kummer (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir in der SPD vor einiger Zeit die vorliegende Anfrage zur Betriebsprüfung und Steuerfahndung gestellt haben, haben wir damals nicht geahnt, wie die Realität uns einholen wird.

Herr Mützelburg hat das eben angesprochen. Da werden von denjenigen, die das öffentliche Bild prägen - Sie haben das eben gesagt, Herr Kollege -jede Menge Gelder am Fiskus vorbeigeschleust oder zumindest über Grenzen hin- und hergetragen, Kuverts zugesteckt und was es alles noch für schöne Sachen gibt, dass es einem fast die Sprache verschlägt.

(Abg. Schramm [Bündnis 90/Die Grünen]: Ganze Koffer!)

Nur kurz zur Erinnerung, was das mit der Anfrage zu tun hat: Die verbotene indirekte Parteienfinanzierung ist in den siebziger Jahren durch die Steuerfahndungaufgeflogen.

(Abg. Zachau [Bündnis 90/Die Grünen]: Sankt Augustin!)

Eine europäische Unternehmensberatungsgesellschaft aus Liechtenstein hatte damals für viel Geld wertlose Gutachten angefertigt und damit Spenden an die CDU am Finanzamt vorbeigeschleust. Herausgekommen ist dabei unter anderem der. Das brauche ich jetzt nicht weiter auszuführen.

(Abg. Focke [CDU]: Das war aber nicht nur die CDU! - Abg. Kastendiek [CDU]: Vergessen Sie die andere Seite nicht!)

Ich habe gesagt, von denjenigen, die das öffentliche Bild prägen. Herr Mützelburg hat da sicherlich auch Herrn Meyer gemeint!

Wen wundert es, dass die schon seit Jahren geforderte Aufstockung des Steuerfahndungspersonals bisher unterblieben ist und erst jetzt Bundeskanzler Schröder das entsprechende Personal auf Bundesebene verstärken will!

Meine Damen und Herren, der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her!

(Abg. Zachau [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt!)

Wer kann sich eigentlich noch wundern über so genannte normale Steuerhinterziehung, wenn der Umgang mit Schwarzgeld offensichtlich an höherer und höchster Stelle gang und gäbe ist? Trotzdem: Steuerhinterziehung ist deswegen noch kein Kavaliersdelikt irgendwelcher Ehrenmänner, sondern eine kriminelle Handlung! Steuerhinterziehung ist letztlich nichts anderes als Diebstahl an den vielen ehrlichen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, mit deren Steuern dann die entgangenen Einnahmen ausgeglichen werden müssen.

Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft haben ergeben - und ich nenne jetzt die Zahlen, Herr Mützelburg hat nur gesagt, dass es viele sind --, dass jährlich 120 Milliarden DM durch Steuerhinterziehung verloren gehen. Die legalen Schlupflöcher sind da noch gar nicht mitgerechnet.

Sicher kann man die Summe nicht völlig eintreiben, denn dann müsste man hinter jeder Mark eine Steuerfahnderin oder einen Steuerfahnder hinterherschicken. Aber gut ein Drittel davon könnte man schon erreichen, wenn man endlich das Personal der Steuerfahndung aufstockte - dass sich das allemal lohnt, zeigt auch die Antwort des Senats - oder das Bankgeheimnis lockerte. Über Sparpakete und Haushaltsnotlagen bräuchten wir dann möglicherweise nicht mehr so viel zu reden.